Das ärztliche Handeln und die Mitwirkung des Patienten bedürfen einer sprachlichen

März 2003 hat folgenden Wortlaut:

Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht in § 4 Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt vor. Flüchtlinge erhalten hiernach eine ärztliche oder zahnärztliche Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung der Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen.

Das ärztliche Handeln und die Mitwirkung des Patienten bedürfen einer sprachlichen Mittlung.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung das Risiko von Diagnosefehlern, falscher oder unnötig langwieriger Behandlung sowie daraus resultierender Haftungsansprüche gegenüber behandelnder Ärzte in der Folge fehlender sachgerechter Sprachmittlung bei der medizinischen Behandlung von Asylbewerberinnen/Asylbewerbern?

2. Sind der Landesregierung in Thüringen Fälle bekannt, in denen Behandlungsfehler auf eine fehlerhafte Sprachmittlung zwischen behandelndem Arzt und medizinisch behandelten Asylbewerberinnen/Asylbewerbern zurückzuführen sind (bitte aufschlüsseln nach Ort, Datum, Diagnose- bzw. Behandlungsfehler, medizinische und rechtliche Folgen)?

3. Sind der Landesregierung in Thüringen Fälle bekannt, in denen aufgesuchte Ärzte eine Behandlung aufgrund einer nicht sachgerechten Sprachmittlung verweigert haben (bitte aufschlüsseln nach Ort, Datum, spätere Diagnose, medizinische und rechtliche Folgen)?

4. Wie ist die Hinzuziehung eines amtlich zugelassenen Sprachmittlers bei der medizinischen Behandlung von Asylbewerberinnen/Asylbewerbern in Thüringen derzeit geregelt?

5. Sieht die Landesregierung in der Beiziehung von Freunden oder Angehörigen zum Zwecke der Sprachmittlung im Verhältnis behandelnder Arzt und behandelter Asylbewerber eine sachgerechte Sprachmittlung, insbesondere unter dem Aspekt der medizinischen Anforderungen an die Sprachmittlung und des Datenschutzes und wie begründet sie ihre Auffassung?

6. Wie wird eine sachgerechte Sprachmittlung gewährleistet, wenn der Patient keine private Möglichkeit besitzt durch Beiziehung von Freunden oder Angehörigen diese zu erbringen?

7. In welchen Fällen wird die Notwendigkeit eines Sprachmittlers festgelegt, und wer trifft diese Festlegung?

23. April 2003

8. Sieht die Landesregierung einen darüber hinausgehenden Handlungsbedarf und wie begründet sie ihre Auffassung?

9. Wie und durch wen werden im Rahmen einer medizinischen Behandlung von Asylbewerberinnen/Asylbewerbern unter Umständen entstehende Kosten für eine Sprachmittlung getragen?

10.Wie erfolgt die Sprachmittlung in Notfallsituationen?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 10. April 2003 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Im Bereich der Erstaufnahmeeinrichtung kann bei der medizinischen Behandlung soweit es medizinisch notwendig ist und von den Ärzten angefordert wird, auf Dolmetscher des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) zurückgegriffen werden.

In anderen Fällen werden Angehörige und Freunde des Patienten oder sprachkundige Studenten als Sprachmittler eingesetzt oder, wenn ärztlich angeordnet, ein amtlich zugelassener Sprachmittler bestellt.

Im jeweiligen konkreten Einzelfall entscheidet der behandelnde Arzt, welche Art der Sprachmittlung notwendig ist, so dass das Risiko von Diagnosefehlern, falscher oder unnötig langwieriger Behandlung als gering eingeschätzt wird.

Zu 2.: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über Behandlungsfehler aufgrund fehlerhafter Sprachmittlung zwischen behandelndem Arzt und behandeltem Asylbewerber vor.

Zu 3.: Der Landesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen aufgesuchte Ärzte eine Behandlung aufgrund einer nicht sachgerechten Sprachmittlung verweigert haben.

Zu 4.: Eine bundes- oder landesgesetzliche Regelung der Hinzuziehung eines amtlich zugelassenen Sprachmittlers besteht nicht. Fordert der behandelnde Arzt über die Erstaufnahmeeinrichtung oder das jeweils zuständige Sozialamt einen Sprachmittler an, wird dieser bereitgestellt. Wie bereits dargelegt, entscheidet der behandelnde Arzt, welche Art der Sprachmittlung notwendig ist. § 4 Abs. 1 Satz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes legt die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt fest. Diese Leistungen umfassen auch die Bereitstellung eines Sprachmittlers, soweit der Anspruch auf ärztliche oder zahnärztliche Behandlung ansonsten nicht erfüllt werden kann.

Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e. V. hat hierzu für Thüringen eine Broschüre erstellt, in der die Adressen und Fremdsprachenkenntnisse der Dolmetscher nach Landkreisen und kreisfreien Städten geordnet aufgeführt sind, so dass in geeigneter Weise bei Bedarf kurzfristig ein Sprachmittler aus der jeweiligen Region hinzugezogen werden kann.

Zu 5.: Wenn es der behandelnde Arzt befürwortet und der jeweils betroffene Asylbewerber damit einverstanden ist, wird die Beiziehung von Freunden oder Angehörigen des Asylbewerbers als ein geeignetes Mittel zum Zweck der Sprachmittlung angesehen. Eine Verletzung des Datenschutzes wird durch das Einverständnis des betreffenden Asylbewerbers bezüglich des Einsatzes von Freunden oder Verwandten als Sprachmittler ausgeschlossen. Zudem können Krankheitsbilder oder die Historie einer Krankheit von Angehörigen des Patienten häufig besser dargestellt werden.

Zu 6.: Wenn eine Sprachmittlung erforderlich ist, der Patient aber keine Möglichkeit hat, durch Beiziehung von Freunden eine Verständigung mit dem zu erzielen, wird einen Sprachmittler anfordern.

Zu 7.: Die Feststellung der Notwendigkeit des Einsatzes eines Sprachmittlers trifft der behandelnde Arzt je nach Lage des Einzelfalls.

Zu 8.: Da sich die derzeitige Praxis des Einsatzes von Sprachmittlern bewährt hat, wird ein darüber hinausgehender Handlungsbedarf nicht gesehen.

Zu 9.: Der bei einer medizinischen Behandlung von Asylbewerbern notwendige Einsatz eines professionellen Sprachmittlers wird als Leistung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von der jeweils zuständigen Behörde getragen. Beim Einsatz von Freunden oder Angehörigen wird die Tätigkeit, sofern die betreffenden Personen selbst Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind, häufig als gemeinnützige Tätigkeit nach § 5 von der jeweils zuständigen Behörde vergütet. Auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Thüringer Verordnung über die Kostenerstattung nach dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz werden den kommunalen Gebietskörperschaften die Kosten der Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom Land pauschal erstattet.

Zu 10.: Die Sprachmittlung in Notfallsituationen ist von den örtlichen Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig. Tritt der Notfall in einer Situation ein, in der Freunde oder Angehörige anwesend sind, können diese gegebenenfalls als Sprachmittler fungieren. In der Erstaufnahmeeinrichtung können, wie bereits beschrieben, gegebenenfalls Dolmetscher des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hinzugezogen werden. Sofern eine erste Notfallbehandlung vom Notarzt ohne Sprachmittlung vorgenommen wird, hat das aufnehmende Krankenhaus über die Anforderung eines Sprachmittlers zu entscheiden.

Trautvetter Minister.