Gesundheitsgefährdende Weichmacher und zinnorganische Verbindungen in Kunststoffböden aus PVC

Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten wie folgt:

Frage 1. Ist der Landesregierung der Bericht in der Ausgabe Mai 2000 der Zeitschrift Öko-Test über gesundheitsgefährdende Weichmacher und zinnorganische Verbindungen in Kunststoffböden aus PVC bekannt, und decken sich die dortigen Ergebnisse mit eigenen Erkenntnissen der Landesregierung?

Der Landesregierung liegt der Bericht der Zeitschrift Öko-Test über gesundheitsgefährdende Weichmacher und zinnorganische Verbindungen in Kunststoffböden aus PVC vom Mai 2000 vor. Im Zusammenhang mit Kunststoffböden aus PVC sind eigene Untersuchungsergebnisse von der Landesregierung nicht erhoben worden bzw. auch nicht bekannt.

Frage 2. Wie schätzt die Landesregierung aufgrund welcher Quellen Gefährdungen für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ein?

Mono- und Dialkylzinnverbindungen (Organozinnverbindungen) finden in der PVC-verarbeitenden Industrie als Katalysatoren und Stabilisatoren breite Verwendung. Tributylzinnverbindungen werden überwiegend aufgrund ihrer bioziden Eigenschaften eingesetzt.

PVC-Fußbodenbeläge (Weich-PVC) werden großflächig in Innenräumen ausgelegt. Unbekannt ist derzeit, in welcher festen Bindung - wie dieses vom Verband der Kunststoff Erzeugenden Industrie (VKE) behauptet wird - die Organozinn-Verbindungen in den PVC-Fußbodenmaterialien eingeschlossen werden, oder ob eine merkliche Migration und Freisetzung dieser Verbindungen möglich sind. Derzeit lässt sich nicht beantworten, ob durch Verunreinigungen der Mono- und Dialkylzinnverbindungen mit eine relevante Kontamination der PVC-Bodenmaterialien z. B. mit Tributylzinn (TBT) ergeben kann. Der Verband der Kunststoff Erzeugenden Industrie (VKE) lehnt in einer Stellungnahme vom April dieses Jahres die gezielte Zugabe von TBT in PVC-Bodenmaterialien ab.

Untersuchungen über Freisetzungen von Organozinnverbindungen aus PVCBodenmaterialien als Folge der Alterung des Materials oder durch Oberflächenveränderungen wie Abrieb und Reinigungsbehandlungen liegen der Landesregierung nicht vor. Damit lässt sich eine wissenschaftlich gesicherte Gefährdungsabschätzung zur Belastungssituation im Wohninnenraum insbesondere durch Hausstaub- und Luftkontaminationen aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht durchführen.

In welchem Ausmaß der orale sowie dermale, aber auch inhalative Aufnahmepfad ein Gefährdungspotenzial für Risikogruppen wie etwa für die auf dem PVC-Boden spielenden Kleinkinder darstellt, muss derzeit am 5. September 2000 · Ausgegeben am 19. September 2000 tet bleiben. Zur Verbesserung der Datenbasis sind weitere Untersuchungen notwendig.

Untersuchungen von Hausstäuben aus jüngster Zeit ergaben Belastungen mit unterschiedlichen Phthalat-Verbindungen (Weichmachern). Jedoch wurden Analysen in direktem Zusammenhang mit PVC-Fußbodenmaterialien nicht publiziert.

Frage 3. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung zur Beseitigung von Gefahren für angemessen, und welche Maßnahmen wird sie ergreifen?

Eine chemikalienrechtliche Regelung für zinnorganische Verbindungen und Weichmacher in PVC-Bodenbelägen gibt es nicht.

Insbesondere Tributylzinn (TBT) als zinnorganische Verbindung und Phthalatverbindungen werden seit einiger Zeit in Zusammenhang mit immuntoxischen und endokrinen Wirkungen diskutiert. Bisher ist über das Ausmaß der Exposition des Menschen gegenüber diesen Chemikalien wenig bekannt. Aus gesundheitlicher Vorsorge und im Sinne eines hohen Gesundheits- und Verbraucherschutzes ist daher eine Freisetzung von Organozinn- sowie von Phthalat-Verbindungen aus PVC-Bodenmaterialien in Wohninnenräume nicht zu befürworten.

Die Landesregierung setzt sich auf Bundes- und EU-Ebene für ein weitergehendes Verbot bzw. Beschränkungen bei der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen ein.

Die Landesregierung unterstützt den Bundesratsbeschluss vom 17. März 2000 zur Verordnung über die Entsorgung polychlorierter Biphenyle und Terphenyle sowie halogenierter Monomethyldiphenylmethane und zur Änderung chemikalienrechtlicher Vorschriften - Drucks. 756/99. Demnach sollen die chemikalienrechtlichen Regelungen verschärft werden, sodass zukünftig die Abgabe von Antifoulingfarben mit zinnorganischen Verbindungen auf Gebindegrößen von mehr als 20 Litern an berufsmäßige Verwender beschränkt wird. Weiterhin wird die Bundesregierung in einer Entschließung aufgefordert, sich aktiv für ein baldmögliches weltweites Verbot von Tributylzinn (TBT) einzusetzen und eine generelle Regelung zum Verbot des Inverkehrbringens und Verwendens von TBT als Schiffsanstrich sowie in Textilien als Änderung der chemikalienrechtlichen Vorschriften vorzulegen.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung gebeten, kurzfristig zu prüfen, ob TBT auch in anderen Bereichen angewendet wird, und gegebenenfalls auch dort ein Verbot vorzubereiten.

Die Landesregierung befürwortet das von der EU-Kommission vorgeschlagene Vorgehen zur Erforschung von Ursachen und Auswirkungen von Chemikalien auf das Hormonsystem und die Ausarbeitung geeigneter Maßnahmen auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips, um das Problem rasch und wirksam anzugehen. (Gemeinschaftsstrategien für Umwelthormone - Stoffe, die im Verdacht stehen, sich störend auf das Hormonsystem des Menschen und der wild lebenden Tiere auszuwirken. KOM(99)706 endg.; Ratsdok. 5257/00, Bundesratsdrucks. 50/00 - Beschluss vom 17. März 2000.)