Satz 3 enthält eine Anrechnungsregelung für die Höhe von Dächern

Bei dieser Lösung ist besonders vorteilhaft, dass jede Giebelsituation leicht und nach ein und derselben Regel bemessen werden kann. So entfallen sämtliche Mittelungsberechnungen bei unterschiedlichen Traufhöhen. Vor dem Hintergrund einer Regelabstandsflächentiefe von 0,4 H kann auf eine der Giebelwand im Bereich des Daches (entsprechend der insoweit privilegierten Traufseite) verzichtet werden. Giebelflächen werden mit ansteigendem oberem Wandabschluss (Pultgiebel, schräge Attika) behandelt. Die Ermittlung der Abstandsflächenform ist hierbei einfacher als bei der Bildung von Abstandsflächen als Streifen gleich bleibender Tiefe vor der Wand. Im Ergebnis führt diese Lösung durchweg zu deutlich geringeren Abstandsflächentiefen im Verhältnis zur früheren Grundregelung. Im Verhältnis zum früheren Schmalseitenprivileg (bisheriger Absatz 6) vergrößert sich die Tiefe der Abstandsfläche etwas, was wegen des massiven Eindrucks der Giebelwand auf gegenüberliegende Wände gerechtfertigt ist. Dadurch werden auch die Auswirkungen der deutlichen Reduzierung der Regelabstandsflächentiefe auf 0,4 H abgemildert. Härten, die sich für kleinere Wohngebäude bei giebelständiger Bauweise ergeben hätten, werden durch Absatz 5 Satz 3 abgefangen.

Satz 3 enthält eine Anrechnungsregelung für die Höhe von Dächern. Dabei war zu berücksichtigen, dass - ebenso wie bei von Dachgauben und Dachaufbauten (vgl. auch die Verweisung in Satz 5) - jede Bemessung nur mit einem Anteil von 0,4 in die Abstandsflächentiefe eingeht. Differenzierungen ergeben in der Regel nur Unterschiede im cm-Bereich. Deshalb wurde mit Blick auf die Verringerung der Regelabstandsfläche (Absatz 5) von einer weiteren Verfeinerung der Anrechnung von Dächern abgesehen. Dachgauben und Dachaufbauten bleiben in der Regel mit ihren Abstandsflächen hinter der ermittelten Wandhöhe (Wand + 1/3 Dach) zurück. Die Schwelle von 70° Dachneigung für die der Dachhöhe auf die Abstandsfläche in Satz 4 ist aus der Tiefe der Abstandsfläche abgeleitet; denn in einer Schnittdarstellung bildet die Verbindungslinie zwischen einem ermittelten Abstandsflächenpunkt auf horizontaler Bezugsebene und der Wandhöhe einen Winkel von 69°. Satz 6 entspricht dem bisherigen Satz 4.

Absatz 5 behandelt die Tiefe. Die Verringerung von 1 auf 0,4 H - unter Beibehaltung der bisherigen Mindestabstandsflächentiefe von 3 m - zielt ausschließlich auf einen bauordnungsrechtlich zu sichernden Mindeststandard und verfolgt keine städtebaulichen Nebenzwecke (mehr); angehobene Qualitätsanforderungen festzuschreiben, ist nicht Aufgabe des an der Gewährleistung eines sicherheitsrechtlichen Minimums ausgerichteten Bauordnungsrechts. Das bisherige abstandsflächenrechtliche Anforderungsniveau wird vermindert. Die Rechtsanwendung wird auch durch den Wegfall von Sonderregelungen, namentlich des in Literatur und Rechtsprechung breit und 6), vereinfacht. Dies gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund der Genehmigungsfreistellung (§ 63 a) und der Beschränkung des bauaufsichtlichen Prüfprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (§ 63 b) wegen der damit verbundenen Verlagerung von Verantwortung auf die am Bau Beteiligten besondere Beschleunigungseffekte zu erwarten.

Ziel der Regelung der Abstandsflächentiefe ist die Ausleuchtung der Aufenthaltsräume mit Tageslicht im fensternahen Bereich (bis etwa 2,5 m Tiefe), die Lesen und Schreiben bei bedecktem Himmel gestattet. Die Absenkung der Regelabstandsflächentiefe auf 0,4 H stellt auch gegenüber der bisherigen Regelung keinen Systembruch dar. Als bauordnungsrechtliche Mindestanforderung legte die Thüringer Bauordnung bereits bisher mittels des Schmalseitenprivilegs (bisheriger Absatz 6) ein vergleichbar geringes Maß (0,5 H, allerdings in

Verbindung mit Wandbreiten) fest. Die Inkonsequenz des Schmalseitenprivilegs ließ schon immer die Frage offen, weshalb einem dritten und vierten Nachbarn nicht zugemutet werden konnte, was zwei von diesem Privileg betroffenen Nachbarn gesetzlich zugemutet wurde. Die mit der Reduzierung der Regelabstandsflächentiefe einhergehende Abschaffung des Schmalseitenprivilegs schafft insofern Gerechtigkeit und vereinfacht die abstandsflächenrechtliche Beurteilung maßgeblich. Ein ganz erheblicher Teil der Widerspruchs- und verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren zu Fragen hatte bisher ihre Ursache in den durch das Schmalseitenprivileg bewirkten Rechtsunsicherheiten.

Auch muss hervorgehoben werden, dass Gebäudeabstände nur bedingt geeignet sind, die Aufenthaltsraumbeleuchtung mit Tageslicht zu steuern. Viele Einflüsse können auf die Helligkeit und somit die subjektiv empfundene Behaglichkeit einwirken. Dazu gehören vom Nutzer beeinflussbare Faktoren, wie die Verwendung Licht reflektierender oder Licht absorbierender Mobiliar-, Wandund Fußbodenoberflächen, oder auch das Anbringen von Vorhängen und Gardinen. Nicht vom Nutzer beeinflussbar, jedoch von der Beleuchtungsauswirkung her erheblich, ist der Einfluss der Vegetation, die auf die bauordnungsrechtliche Beurteilung der Abstandsflächen keinen Einfluss hat.

Der festgelegte neue Mindeststandard lässt sich auch mit der DIN 5034 - Tageslicht in Innenräumen - in Einklang bringen. Durch die Festlegung der Regelabstandsflächentiefe auf 0,4 H ergibt sich zwischen Gebäuden ein Gesamtabstand, der der Summe der beiderseitigen Tiefen entspricht, das heißt, er beträgt regelmäßig 0,8 H. Dieser Gesamtabstand entspricht gemäß DIN 5034-4 (S. 18) einem Verbauungswinkel von etwa 50°, der eine lichte Raumhöhe von mindestens 2,40 m und eine dazugehörige Fensterhöhe von 1,35 m voraussetzt. Diesen tabellarisch erfassten Werten sind Fensterbreiten zugeordnet, deren Realisierung ausreichende Helligkeit (Tageslichtquotient, DIN 5034-4, 2.1) und eine Sichtverbindung nach außen (DIN 5034-4, 2.2) sicherstellt. Aus den Werten der DIN ergibt sich für einen 5 m x 4,5 m = 22,5 m² großen Raum eine Fensterfläche von 1,35 m x 4,31 m = 5,81 m² (rd. 1/4 der Raumfläche). Demgegenüber legt die Thüringer Bauordnung (nunmehr in § 45 Abs. 2 Satz 2) als Mindestfenstergröße 1/8 der ihr zugeordneten Aufenthaltsraumgrundfläche fest. Da sich der Tageslichtquotient aus dem Himmelslichtanteil, dem Außenreflexionsanteil (Reflexion an Verbauung) und dem Innenreflexionsanteil (Reflexion an den Rauminnenflächen) zusammensetzt und Minderungsfaktoren wie die Fensterverschmutzung berücksichtigt, kann bezüglich der tabellarischen Werte von Qualitätsstandards ausgegangen werden, die von bauordnungsrechtlichen Mindeststandards zu unterscheiden sind. Dies bedeutet, dass die der Tabelle zu entnehmenden Fensterbreiten aus bauordnungsrechtlicher Sicht unterschritten werden dürfen.

Städtebauliche Aspekte können über die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenanforderungen hinausgehende Gebäudeabstände erfordern. Die Festlegung auf ein einheitliches bauordnungsrechtliches Maß von 0,4 H lässt planungsrechtlichen Regelungen einen großen Raum zur Orientierung unterschiedlicher Bebauungsformen. Auch wenn nach dem bisherigen Recht durch Festsetzung geringere Gebäudeabstände, als sie nach den erforderlich waren, zugelassen werden konnten und im Rahmen eines Bebauungsplans dem Planungsrecht der Vorrang gegenüber dem Bauordnungsrecht eingeräumt war, sind Unterschreitungen jedenfalls des nunmehrigen Mindestniveaus kaum mehr zu begründen; die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung steht solchen Versuchen außerordentlich kritisch gegenüber (zuletzt Beschluss vom 17. Januar 2001, Az. 2 ZS 01.112 -, unveröffentlicht; Urteil vom 6. Juni 2001, Az. 1 D 442/99, Sächs VBl. 2001, S. 220). Hier schafft die 0,4 H-Regelung weitestgehende Gestaltungsfreiheit, ohne gewünschte Ziele modernen Städtebaus einzuschränken.

Soweit eine darüber hinausgehende Angleichung des Abstandsflächenrechts an bauleitplanerische Vorgaben im Einzelfall erwünscht oder geboten erscheint, wird hierfür den Gemeinden in § 83 Abs. 1 Nr. 5 eine Möglichkeit zur Festlegung abweichender Maße der Abstandsflächentiefe eingeräumt. Damit wird zugleich, anders als bei der Anpassungsautomatik des bisherigen Absatzes 16, sichergestellt, dass sich die Gemeinden bei ihrer Planung deren Wirkungen auf die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts bewusst werden und diese in ihre Abwägung einstellen.

In dem das Anliegen des bisherigen Absatzes 5 Satz 2 und 3 - die Reduzierung der Abstandsflächentiefe in bestimmten Baugebieten - aufnehmenden Satz 2 wird die Mindestabstandsflächentiefe für Gewerbe- und Industriegebiete auf die Hälfte der regelmäßigen Mindestabstandsflächentiefe halbiert, nämlich auf 0,2 H, mindestens 3 m; da die regelmäßige Abstandsflächentiefe nunmehr ohnehin nur noch 0,4 H beträgt, entfällt die Reduzierung der Abstandsflächentiefe auf 0,5 H in Kerngebieten.

Satz 3 enthält eine begünstigende Sonderregelung für Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 und 2, um sich insbesondere aus der Anrechnung von Giebelflächen auf die Abstandsflächentiefe ergebende Verschärfungen der Anforderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage auszugleichen.

Absatz 6 regelt wie der bisherige Absatz 7 die Zulässigkeit untergeordneter Bauteile und Vorbauten in den Abstandsflächen. Nummer 1 lässt unter anderem generell Dachüberstände in den Abstandsflächen zu. In Nummer 2 Buchst. a wird, um die rechtssichere Anwendbarkeit der Regelung zu unterstützen, die abstandsflächenrechtlich neutrale zulässige Breite der an vorgesehenen Vorbauten auf insgesamt ein Drittel der Außenwandbreite festgelegt. Buchstabe b entspricht der bisherigen Rechtslage. In Buchstabe c wird auf die dem jeweiligen Vorbau gegenüberliegenden Nachbargrenzen abgestellt, da die seitlichen Nachbargrenzen sowie die Grundstücksgrenze zur Straße hin mit Blick auf die abstandsflächenrechtlichen Schutzziele insoweit vernachlässigbar sind.

Absatz 7 nimmt die Regelung des 11 auf. Die Bestimmung befasst sich mit der Zulässigkeit untergeordneter baulicher Anlagen in den Abstandsflächen und ohne eigene Abstandsflächen. Sie lässt nunmehr durch ausdrückliche Regelung in Satz 1 solche untergeordneten baulichen Anlagen nicht nur alternativ an der Grenze beziehungsweise als Anbau an ein anderes Gebäude oder unter Einhaltung einer Abstandsfläche zu, sondern auch (nur) grenzund gebäudenah zu. Damit wird praktischen Bedürfnissen Rechnung getragen.

Abweichend von der bisherigen Regelung wird nunmehr nicht mehr auf die Nachbar-, sondern auf die Grundstücksgrenze abgestellt, da - jedenfalls abstandsflächenrechtlich unter Vorbehalt etwaiger entgegenstehender planungsrechtlicher oder Regelungen der Garagenverordnung - einer Grenzbebauung auch an der vorderen Grundstücksgrenze nichts entgegensteht.

Satz 1 Nr. 1 begünstigt abstandsflächenrechtlich Garagen und Gebäude in den dort genannten Abmessungen. Die Privilegierung erstreckt sich auf Garagen und Gebäude unabhängig davon, ob diese räumlich-funktional einem Hauptgebäude zu- oder untergeordnet sind, da dies abstandsflächenrechtlich unerheblich ist. Die mittlere Wandhöhe wird bei 3 m belassen. Die zulässige Gesamtlänge wird von 8 auf 9 m angehoben.

Satz 1 Nr. 2 enthält - neu - eine in den Abmessungen Nummer 1 entsprechende Begünstigung für gebäudeunabhängige Solaranlagen, um abstandsflächenrechtliche Hindernisse für die Nutzung regenerativer Energien zu beseitigen.