Rechtsaufsichtsbehörde des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt

Durch Bescheid der Rechtsaufsichtsbehörde des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt wurde der hauptamtliche Bürgermeister der Stadt Gräfenthal mit sofortiger Wirkung vom Dienst entbunden.

Begründet wird diese Entscheidung damit, dass der Bürgermeister offensichtlich falsche Angaben zu einer Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit gemacht hat.

Ich frage die Landesregierung:

1. Auf welcher Rechtsgrundlage und mit welcher Begründung erfolgte die Dienstentbindung des Bürgermeisters der Stadt Gräfenthal?

2. Welche Kriterien belegen, dass ein Bewerber für des Bürgermeisters und damit nicht die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Ordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung einzutreten?

3. Welche Kriterien belegen, dass ein Bewerber für des Bürgermeisters und damit nicht die persönliche Eignung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis nach den für Beamte des Landes geltenden Bestimmungen besitzt?

4. Inwieweit ist eine wahrheitswidrige Verneinung der Erklärung nach der Bestimmung des § 24 Abs. 3 Satz 3 des Thüringer Kommunalwahlgesetzes ein hinreichender Grund zur Nichteignung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis als kommunaler Wahlbeamter und wie wird diese Auffassung begründet?

5. Inwieweit ist eine wahrheitsgemäße Bejahung der Erklärung nach der Bestimmung des § 24 Abs. 3 Satz 3 ein hinreichender Grund zur Nichteignung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis als kommunaler Wahlbeamter und wie wird diese Auffassung begründet?

6. Welche Auswirkungen auf die Amtsführung hätte ein mögliches Rechtsmittel gegen den Dienstentbindungsbescheid?

7. Wie wird begründet, dass nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 des Thüringer Gesetzes über kommmunale Wahlbeamte ein kommunaler Wahlbeamter in den Fällen des § 30 Abs. 1 zu entlassen ist, in § 30 Abs. 1 Satz 2 die kommunalen Wahlbeamten aber nicht benannt sind und in § 30Abs. 1 Satz 1 nur allgemein auf den Verlust der Wählbarkeit verwiesen wird?

8. Welche Konsequenzen ergeben sich aus Sicht der Landesregierung aus dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 25. Mai 2000 4/99) hinsichtlich der Regelungen in § 24 Abs. 3 und § 30 Abs. 1 und wie wird dies begründet?

9. Beabsichtigt die Landesregierung analog der Regelungen des § 12 Abs. 3 für die Bestimmungen des § 24 Abs. 3 Satz 3 eine Befristung einzuführen und wie wird diese Auffassung begründet?

10.Welche Gründe gibt es aus Sicht der Landesregierung dafür, dass die Regelung in § 12 Abs. 2 eine Befristung enthält, während die vergleichbare Regelung in § 24 Abs. 3 Satz 3 unbefristet gilt?

Das Thüringer Innenministerium hat die namens der Landesregierung mit Schreiben vom 25. Juni 2003 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Das Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt als die für Gräfenthal zuständige Rechtsaufsichtsbehörde hat die Bürgermeisterwahl vom 14. Mai 2000 für ungültig erklärt. Nach einer veranlassten Einzelfallprüfung und Auswertung einer Auskunft der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR gelangte das Landratsamt zu dem Ergebnis, dass dem Bürgermeister bereits zum Zeitpunkt der Wahl die Wählbarkeit nach § 24 Abs. 3 fehlte.

Des Weiteren wurde dem Bürgermeister wegen des durch die rückwirkende Ungültigerklärung der Wahl eingetretenen Vertrauensverlustes in der Öffentlichkeit die weitere Führung der Dienstgeschäfte nach § 62 Thüringer Beamtengesetz verboten und hierzu der Sofortvollzug angeordnet.

Zu 2.: Eine Beurteilung der persönlichen Eignung und damit der Wählbarkeit des Bürgermeisters erfordert eine Würdigung der Persönlichkeit auf der Grundlage des gesamten Verhaltens vor und nach der Wiedervereinigung.

Bei der Bewertung einer früheren Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit sind nach der Rechtsprechung u. a. Art, Dauer und Intensität der Tätigkeit sowie die Gründe für die Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit für das zu berücksichtigen.

Zu 3.: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

Zu 4.: Eine bewusst wahrheitswidrige Verneinung der Frage nach einer früheren Tätigkeit für das ist ein gewichtiges Indiz für die fehlende Eignung des Bewerbers. Jedem Bewerber ist bekannt, dass die Erklärung über die frühere Tätigkeit für das vor der Wahl öffentlich bekannt gemacht wird. Durch eine wahrheitswidrige Erklärung gehen die Wähler insoweit von falschen Tatsachen aus.

Zu 5.: Wenn ein Bewerber gewählt wird, der die Frage nach einer früheren Tätigkeit für das bejaht hat, prüft die Rechtsaufsichtsbehörde nach § 32 Abs. 2 von Amts wegen die Wählbarkeit des Gewählten. Hierzu holt sie eine Auskunft bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ein.

Unter Einbeziehung dieser Auskunft erfolgt eine umfassende Einzelfallprüfung zur Frage der persönlichen Eignung des Gewählten nach Beamtenrecht und damit der Wählbarkeit (vgl. § 24 Abs. 3 Gegebenenfalls hat die Rechtsaufsichtsbehörde die Wahl des Bürgermeisters für ungültig zu erklären (vergleiche § 31 Abs. 2 Satz 4, § 32 Abs. 2 Satz 4 Zu 6.: Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte haben nach § 80 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Etwas anderes gilt, wenn die sofortige Vollziehung wegen überwiegendem öffentlichen Interesse angeordnet wird (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 Kommunale Wahlbeamte verlieren kraft Gesetzes ihr Amt, wenn sie nach der Wahl die Wählbarkeit verlieren (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 § 30 Abs. 1 Satz 1 Wenn die Rechtsaufsichtsbehörde feststellt, dass ein kommunaler Wahlbeamter die Frage nach § 24 Abs. 3 Satz 3 wahrheitswidrig verneint hat, kann sie im Rahmen einer umfassenden Einzelfallprüfung zu dem Ergebnis kommen, dass dem Gewählten bereits zum Zeitpunkt der Wahl die Wählbarkeit fehlte und die Wahl deshalb nach § 32 Abs. 2 (rückwirkend) für ungültig zu erklären ist. § 30 Abs. 1 Satz 1 der die Fälle betrifft, in denen die Wahl gültig ist, der Bürgermeister oder Landrat aber nach der Wahl die Wählbarkeit verliert, ist dann nicht einschlägig.

Wird der Rechtsaufsichtsbehörde bekannt, dass ein Gemeinderatsmitglied oder Kreistagsmitglied die Frage nach § 12 Abs. 2 wahrheitswidrig verneint hat, so stellt sie den Verlust des Amts fest (§ 30 Abs. 1 und 6 Für den Fall ist ein Nachrücker zu berufen.

Zu 8.: Wegen der unterschiedlichen Rechtsstellung eines Abgeordneten des Thüringer Landtages und der ist das oben genannten Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs hinsichtlich der § 24Abs. 3 und § 30Abs. 1 nicht einschlägig.

Zu 9.: Die Landesregierung beabsichtigt gegenwärtig keine Gesetzesinitiative zur Änderung des § 24 Abs. 3 Satz 3 Aus den § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3, § 48 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ergibt sich, dass die Verwendung von Stasiunterlagen unter anderem auch für die Überprüfung von kommunalen Wahlbeamten ab dem 29. Dezember 2006 grundsätzlich unzulässig ist.

Zu 10.: Die Differenzierung ist durch die unterschiedliche Rechtsstellung von Gemeinderatsmitgliedern und Kreistagsmitgliedern einerseits und kommunalen Wahlbeamten andererseits gerechtfertigt.