Bürgerallianz Thüringen gegen überhöhte Kommunalabgaben

Die Bürgerallianz Thüringen gegen überhöhte Kommunalabgaben e.V. (Bürgerallianz), der Dachverband Thüringer Bürgerinitiativen, hat am 28. Juni 2003 in Suhl eine weitere Regionalkonferenz durchgeführt.

Die Konferenz hat einen Forderungskatalog verabschiedet. Die Forderungen, die in acht Punkte gefasst wurden, richten sich an die Thüringer Landespolitik und somit unter anderem auch an die Landesregierung.

Es ist daher sachdienlich, dass sich auch die Thüringer Landesregierung zu den Forderungen der Bürgerallianz positioniert.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, eine Überprüfung der ehemaligen drei Wasser- und Abwasser (Ostthüringer Wasserversorgung und Abwasserbehandlung [OWA], Südthüringer Wasserversorgung und Abwasserbehandlung [SWA], Nordthüringer Wasserversorgung und Abwasserbehandlung [NWA] vorzunehmen und dabei insbesondere zu prüfen, ob die kommunalen Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung Verbindlichkeiten übernehmen mussten, die nach den Bestimmungen des Thüringer Kommunalabgabengesetzes nicht beitrags- und gebührenpflichtig sind?

2. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, die Auswertung der Ergebnisse der durchgeführten Tiefenprüfungen der kommunalen Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung unter Einbeziehung der Bürgerallianz oder interessierter Bürger offen zu legen?

3. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, in die Arbeit der neuen staatlichen Management zur Unterstützung der Arbeit der kommunalen Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung auch Interessenvertreter der Gebühren- und Beitragspflichtigen einzubeziehen?

4. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, dass Mitarbeiter der Management in nicht für Unternehmen tätig gewesen sein dürfen, die der Wasserver- und Abwasserentsorgung beraten oder geprüft haben?

5. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, die Herstellungsbeiträge nach § 7 für wasserwirtschaftliche Maßnahmen schrittweise abzuschaffen?

6. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, die Gewährung von Finanzhilfen für kommunale Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung nicht mehr von der Erhebung von Beiträgen nach § 7 abhängig zu machen, sondern vielmehr auch eine ausschließliche Refinanzierung von Investitionen über Gebühren zu ermöglichen?

7. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, Amts- und Staatshaftungsansprüche von Mitgliedsgemeinden kommunaler Zweckverbände der Wasserver- und Abwasserentsorgung zu prüfen, wenn nachweislich Fehlentscheidungen durch die Verbände getroffen und diese durch die Rechtsaufsichtsbehörden nicht erkannt bzw. geduldet oder genehmigt wurden?

8. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, dass künftig die Rechtsaufsichtsbehörden, die Abgabensatzungen genehmigen oder würdigen, nicht zugleich als Widerspruchsbehörde in Rechtsmittelverfahren tätig werden?

9. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, den bisherigen dreistufigen Verwaltungsaufbau der Rechtsaufsichtsbehörden in die Zweistufigkeit zu überführen?

10.Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, eine Höchstbearbeitungsfrist von einem Jahr für Widersprüche und Anfechtungsklagen in Rechtsmittelverfahren zu Abgabenbescheiden festzuschreiben?

11. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung der Bürgerallianz, die Bearbeitung von Widersprüchen in Rechtsmittelverfahren zu Abgabenbescheiden künftig gebührenfrei zu gestalten?

Das Thüringer Innenministerium hat die namens der Landesregierung mit Schreiben vom 9. September 2003 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Frage der Beitrags- und Gebührenfähigkeit von muss aus Sicht der erfolgen. Betroffen sind also die heute Diese wurden durch das Thüringer Innenministerium überprüft. Ein Gesichtspunkt dieser Überprüfung war auch die Berücksichtigung von Altanlagen und Altverbindlichkeiten in den Kalkulationen.

Zu 2.: Die entsprechenden Prüfungsergebnisse wurden den Aufgabenträgern mit dem Hinweis übersandt, die zuständigen Gremien in geeigneter Weise von den Handlungsempfehlungen zu unterrichten und diese in geeigneter Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Zu 3. und 4.: Die Thüringer Wasser- und Abwasser-Management (WAM) weist sich durch fachliche Qualifikation aus. Ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt arbeitet die Eine politische Repräsentanz in der WAM stünde im Widerspruch zu der Aufgabenstellung. Die Verantwortung hierfür liegt bei der WAM.

Zu 5.: Die reine Gebührenfinanzierung ist an rechtliche Voraussetzungen geknüpft, die durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt sind. Hintergrund dieser rechtlichen Anforderungen ist der Gedanke der Abgabengerechtigkeit. Im Bereich der Abwasserbeseitigung kommt hinzu, dass der Umweltschutz beachtet werden muss. Hier gilt das Verursacherprinzip. Dies bedeutet, dass die Grundstückseigentümer wirtschaftlich dafür einzutreten haben, dass Gefahren, die von dem auf ihren Grundstücken anfallenden Abwasser für Grund- und Oberflächenwasser ausgehen, beseitigt werden. Diese Pflicht wird ihnen von den Abwasserzweckverbänden abgenommen, wofür die Grundstückseigentümer die Kosten zu übernehmen haben. Ohne Beiträge würde die Gemeinschaft der Anschlussnehmer, das heißt auch Mieter, durch ihre Abgaben Teile des Vermögens der Grundstückseigentümer schaffen bzw. pflegen. Mieter würden durch Abgaben und Miete doppelt belastet.

Zu 6.: Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen.

Zu 7.: Die Prüfung von Amts- und Staatshaftungsansprüchen von Mitgliedsgemeinden kommunaler Zweckverbände der Wasserver- und Abwasserentsorgung obliegt den Gemeinden.

Zu 8.: Nach § 73 Abs. 1 Ziffer 3 der Verwaltungsgerichtsordnung in Verbindung mit §§ 124 Ziffer 1 und 118 Thüringer Kommunalordnung sind die Rechtsaufsichtsbehörden als Widerspruchsbehörden zuständig. Es handelt sich um ein auf Antrag des Betroffenen erzwungenes Vorverfahren, das der Verwaltung eine Selbstüberprüfung ermöglichen soll, bevor der Rechtsstreit den Verwaltungsgerichten vorgelegt wird. Bei einer Selbstüberprüfung gibt es keinen Interessengegensatz. Die gesetzlichen Regelungen sind abschließend.

Zu 9.: Das TIM ist keine örtlich unmittelbar zuständige Aufsichtsbehörde und befasst sich daher grundsätzlich nicht mit Einzelfällen. Eine entsprechende Gesetzesänderung ist nicht beabsichtigt.

Zu 10.: Wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist, so ist bereits jetzt die Klage nach § 75 zulässig. Dabei kann die angemessene Frist deutlich unter einem Jahr liegen.

Im Übrigen unterliegen die verwaltungsprozessualen Regelungen, wie sie sich aus der Verwaltungsgerichtsordnung ergeben, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

Zu 11.: Eine generelle Regelung, die Bearbeitung von Widersprüchen in Rechtsmittelverfahren gebührenfrei zu gestalten, das heißt auch in den Fällen, in denen der Widerspruchsführer unterliegt, würde den im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsätzen der Pflicht zur Kostenerstattung durch denjenigen, der sie verursacht hat, widersprechen. Entsprechende Kosten müssten dann aus Steuermitteln finanziert werden, obwohl der Widerspruchsführer vom Aufgabenträger rechtmäßig herangezogen wurde.