Berechnung der Gebührensätze
Da die beiden zu beachtenden Prinzipien inhaltlich nicht deckungsgleich sind, wissen die gebührenbemessenden Stellen oftmals nicht, nach welchem Prinzip sie die Gebühren(höhe) bemessen sollen. Eine Dienstanweisung des hierfür zuständigen Finanzministeriums zur Lösung dieses Problems liegt bisher nicht vor.
Mit Ausnahme des Thüringer Finanzministeriums (TFM) verfügten die gebührenbemessenden Stellen in keinem Ressort über Vorgaben, welche Aufwandsarten konkret zu berücksichtigen sind, und über Anleitungen zur praktischen Berechnung der Gebührensätze (Berechnungsmodus). Der Ermittlung der Gebührensätze von 84 der betrachteten 111 Gebührenordnungen bzw. -abschnitte lag keine systematische Kostenrechnung zu Grunde.
Die in den jährlichen Haushaltsaufstellungserlassen des Finanzministeriums geforderte laufende und kritische Überprüfung und daraus folgend entsprechende Anpassung der Gebühren erfolgte regelmäßig nur für rund 19 v. H. der untersuchten Gebührenordnungen bzw. -abschnitte; rund 21 v. H. aller Gebührenordnungen bzw. -abschnitte wurden überhaupt noch nicht überprüft.
Weiterhin stellte der Rechnungshof fest, dass das für die Gebührenbemessung notwendige Personal oftmals nicht in ausreichender Zahl vorhanden oder fachlich nicht hinreichend qualifiziert war, um die Gebührensätze auf der Grundlage des tatsächlich entstandenen Aufwandes sachgerecht zu bemessen sowie regelmäßig zu überprüfen.
Der Rechnungshof hat die große Anzahl der mit der Gebührenbemessung befassten Stellen sowie die Vielzahl der in den Gebührenordnungen enthaltenen Gebührentatbestände bemängelt. Der Verwaltungsaufwand für die Bemessung stehe oftmals in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu den erzielten Einnahmen. Er hat den Ministerien empfohlen, alle in den Gebührenordnungen enthaltenen Gebührentatbestände hinsichtlich ihrer sachlichen Notwendigkeit zu überprüfen. Auch sei zu untersuchen, ob die relativ hohe Anzahl der gebührenbemessenden Stellen notwendig ist. Zur Vermeidung zusätzlichen Verwaltungsaufwands und zur Sicherstellung der einheitlichen Berechnung halte er insbesondere bei gleichen Gebührentatbeständen die Bemessung durch nur eine Stelle für angezeigt.
Ferner hat der Rechnungshof hinsichtlich der bei der Berechnung der Gebühren zu beachtenden Prinzipien (Äquivalenzprinzip und Kostendeckungsprinzip) darauf hingewiesen, dass deren Anwendung da inhaltlich nicht deckungsgleich in der Regel zu unterschiedlich hohen Gebührensätzen führe. Daher sei es erforderlich, dass das TFM den betroffenen Behörden beispielsweise durch einen entsprechenden Erlass mitteile, für welche Gebühren(bereiche) die Prinzipien jeweils anzuwenden seien. Außerdem seien die beiden Prinzipien für die Verwaltungspraxis inhaltlich zu bestimmen und zu erläutern.
Weiterhin hat er das weit gehende Fehlen von Anleitungen und Vorgaben zur praktischen und konkreten Berechnung der Gebührensätze kritisiert.
Um künftig eine zweckmäßige und am Wirtschaftlichkeitsgebot orientierte Bemessung der Gebühren zu gewährleisten, hat der Rechnungshof empfohlen, den zuständigen Stellen vorzugeben, welches Prinzip bei der Bemessung der Gebühren für die jeweiligen Tatbestände zu beachten sei. Außerdem halte er eine Anleitung für die gebührenbemessenden Stellen für unverzichtbar, welche Aufwandsarten dabei zu berücksichtigen und wie die Gebührensätze konkret zu berechnen seien. Dabei sei in geeigneten Fällen auch die Einrichtung der Kosten- und Leistungsrechnung (§ 7 Abs. 4 in Erwägung zu ziehen.
Außerdem hat der Rechnungshof beanstandet, dass die in dem jährlichen Haushaltsaufstellungserlass angeordnete laufende und kritische Überprüfung und ggf. Anpassung der Gebühren nur in sehr geringem Umfang erfolgt sei und dadurch dem Freistaat Gebühreneinnahmen entgehen würden. Die Höhe der entgangenen Einnahmen lasse sich nicht ermitteln, da es auf Grund der gegenwärtigen Haushaltssystematik praktisch nicht möglich sei, die Gebühreneinnahmen gesondert und in differenzierter Form zu ermitteln. Daher halte es der Bemerkungen des Rechnungshofs Stellungnahme der Landesregierung
Rechnungshof für unverzichtbar, dass die Gebührenordnungen bzw. die darin enthaltenen Gebührentatbestände sowie die Gebührensätze, wie vom Finanzministerium gefordert, in regelmäßigen Zeitabständen auf ihre Aktualität überprüft und ggf. angepasst werden.
Hinsichtlich der teilweise mangelhaften Personalsituation hat der Rechnungshof angeregt, den Personalbedarf der für die Gebührenbemessung zuständigen Organisationseinheiten zu ermitteln und die mit der Gebührenbemessung befassten Bediensteten durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen zu qualifizieren.
Die Ministerien haben zur Prüfungsmitteilung und zu dem Bemerkungsentwurf im Wesentlichen die nachstehenden Stellungnahmen abgegeben:
Das Finanzministerium hat hinsichtlich des zu beachtenden Äquivalenzprinzips und Kostendeckungsprinzips klargestellt, dass in § 24 Abs. 4 eindeutig geregelt werde, welches Prinzip zu beachten sei, nämlich grundsätzlich das Äquivalenzprinzip. Das Kostendeckungsprinzip gelte nur, wenn dies gesetzlich vorgesehen sei. Ein Entscheidungsspielraum, welches Prinzip zur Anwendung komme, sei für die gebührenbemessenden Stellen somit nicht vorhanden. Die inhaltlichen Unstimmigkeiten zwischen den Regelungen des Thüringer Verwaltungskostengesetzes und dem jährlichen Haushaltsaufstellungserlass seien erkannt. Aus der Wahrung der Grundsätze von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nach § 7 folge eine prinzipielle Verpflichtung der Landesbehörden zur Festsetzung von Gebühren, die dem Verwaltungsaufwand adäquat seien, sowie zur kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung der Gebührensätze.
Dies könne und müsse nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen erfolgen. Künftig werde der Haushaltsaufstellungserlass insoweit unmissverständlich formuliert.
Hinsichtlich der bisher fehlenden Anleitung zur praktischen Bemessung der Gebühren hat das Ministerium den Ressorts im April 2003 die Arbeitshilfe Rahmengrundsätze für die Gebührenbemessung zur Verfügung gestellt. Darin werden u. a. auch das Äquivalenzprinzip und das Kostendeckungsprinzip inhaltlich bestimmt und erläutert.
Weiterhin hat das Ministerium mitgeteilt, die Kosten- und Leistungsrechnung könne bei der Gebührenbemessung nur in Teilbereichen zum Einsatz kommen, weil die Gebührenhöhe u. a. den durchschnittlichen Verwaltungsaufwand einer bestimmten Verwaltungsleistung berücksichtigen müsse. Außerdem sei eine aufwändige und schwierige Ermittlung des konkreten Verwaltungsaufwands nur selten erforderlich.
Schließlich hat das Finanzministerium auch mitgeteilt, dass den Ausführungen des Rechnungshofs zur Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung der Gebühren an sich ändernde gebührenrelevante Umstände zuzustimmen sei.
Das Innenministerium hat sich dahingehend geäußert, dass es die Empfehlungen des Rechnungshofs grundsätzlich unterstütze. Es werde die Empfehlungen hinsichtlich der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von Gebührentatbeständen, der Anzahl der gebührenbemessenden Stellen sowie der regelmäßigen Überprüfung von Gebührenordnungen zum Anlass nehmen, in seinem Geschäftsbereich entsprechende Prüfungen durchzuführen.
Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur hat eine kritische Überprüfung aller Gebührentatbestände hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit bzw. Notwendigkeit grundsätzlich begrüßt und u. a. angeregt, für die empfohlene Überprüfung und Anpassung der Gebührentatbestände und Gebührensätze zeitlich konkrete Festlegungen zu treffen.
Das Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt hat mitgeteilt, es begrüße die vom Rechnungshof vorgenommenen Würdigungen und Empfehlungen, und hat darauf hingewiesen, dass es seit Dezember 2001 eine neue Gebührenordnung für den gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums gebe. Das Finanzministerium überarbeite diese derzeit. Es werde jedoch immer eine Vielzahl von Gebührentatbeständen geben, die nicht zusammengefasst werden können. Hinsichtlich der Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung hat es darauf hingewiesen, dass dies sehr arbeitsaufwändig und Bemerkungen des Rechnungshofs Stellungnahme der Landesregierung zeitintensiv und deshalb in nächster Zeit nicht realisierbar sei.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat mitgeteilt, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten werde geprüft, ob beim Vorliegen gleicher Gebührentatbestände insbesondere im Hochschulbereich die Bemessung der Gebühren von nur einer Stelle erfolgen und in einer Gebührenordnung zusammengefasst werden könne. Für die Benutzung der Hochschulbibliotheken habe das Ministerium zur Vereinheitlichung der Gebührensätze bereits eine Verwaltungskostenordnung erarbeitet, die am 14. Juni 2002 in Kraft getreten sei. Ferner werde geprüft, inwieweit praxisbezogene Arbeitshilfen gemeinsam mit den Hochschulen erarbeitet werden können. Zur Personalsituation bei den gebührenbemessenden Stellen hat das Ministerium ausgeführt, dass der Schwerpunkt auf die Ausbildung und zentrale Anleitung des vorhandenen Personals gelegt werde.
Bezüglich der inhaltlichen Unstimmigkeit der bei der Gebührenbemessung zu beachtenden Handlungsgrundsätze (Äquivalenzprinzip und Kostendeckungsprinzip) teile das TMWFK die Auffassung des Rechnungshofs. Dies gelte auch für dessen Auffassung hinsichtlich der Erarbeitung einer Anleitung für die gebührenbemessenden Stellen. Es halte einen entsprechenden Erlass des Finanzministeriums für dringend geboten. Die Empfehlungen des Rechnungshofs würden zum Anlass genommen, die Verfahren der Gebührenbemessung und die Kostendeckung der zu erhebenden Gebühren einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die im Hochschulbereich aufgezeigten Mängel würden schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit der Einführung einer Kostenrechnung beseitigt.
Das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit hat betont, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Kostenerhebung unter besonderer Berücksichtigung fachbereichsspezifischer Besonderheiten eingehalten würden. Die Thüringer Verwaltungskostenordnung sei für den Bereich des Ministeriums zuletzt im Dezember 2001 überarbeitet worden.
Das Kultusministerium hat die Auffassung vertreten, die Gebühren sollten vorrangig eine ordnungspolitische Steuerungsfunktion haben.
Das für die Gebührenerhebung zuständige Personal sei qualifiziert, um die Gebührenbemessung sachgerecht vorzunehmen.
Der Rechnungshof begrüßt die von einigen Ministerien zum Ausdruck gebrachte Unterstützung bzw. die inzwischen eingeleiteten Maßnahmen zur kritischen Überprüfung der Gebührentatbestände hinsichtlich deren sachlicher Notwendigkeit und/oder politischer Zweckmäßigkeit. Dies gilt auch für die Bemühungen der Ressorts, die große Anzahl der gebührenbemessenden Stellen zu verringern und die Bemessung gleicher Gebührentatbestände möglichst nur (noch) durch eine Stelle vornehmen zu lassen.
Weiterhin begrüßt er die vom Finanzministerium vorgenommene Klarstellung zur Anwendung des Äquivalenz- und Kostendekkungsprinzips bei der Gebührenbemessung sowie dessen Ankündigung, zur Sicherstellung einer sachgerechten Gebührenbemessung den jährlichen Haushaltsaufstellungserlass zu präzisieren. Dies gilt auch für die im April 2003 erlassenen Rahmengrundsätze für die Gebührenbemessung, in denen u. a. die beiden Bemessungsprinzipien inhaltlich bestimmt und erläutert worden sind. Der Rechnungshof erwartet, dass die Ressorts auf der Grundlage dieser Arbeitshilfe nunmehr den gebührenbemessenden Stellen ihres Geschäftsbereichs alsbald entsprechende Anleitungen zur praktischen Berechnung der Gebührensätze zur Verfügung stellen.
Hinsichtlich der, von zwei Ressorts kritisch kommentierten Empfehlung des Rechnungshofs, in geeigneten gebührenbemessenden bzw. -erhebenden Stellen die Einrichtung einer Kosten- und Leistungsrechnung zu erwägen, ist sich der Rechnungshof durchaus bewusst, dass deren Realisierung aufgrund der notwendigen Vorbereitungsphase zeitintensiv und mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass die (mittel- bzw. langfristige) Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung ein zentrales Element des Projekts Verwaltungsmodernisierung in Thüringen der Landesregierung bildet.