Der Rechnungshof empfiehlt ergänzend zur Erfassung der Lehrverpflichtung auch den benötigten Lehrbedarf zu

15 Einhaltung der Lehrverpflichtungsverordnung an Fachhochschulen (Kapitel 15 14 bis 15 16)

Der Rechnungshof hat bei drei Thüringer Fachhochschulen erhebliche Abweichungen von der Lehrverpflichtung festgestellt. Diese Abweichungen traten bei einzelnen Professoren auf, betrafen aber auch ganze Fachbereiche sowie eine Fachhochschule insgesamt.

Der Rechnungshof empfiehlt, ergänzend zur Erfassung der Lehrverpflichtung auch den benötigten Lehrbedarf zu ermitteln.

Lehrverpflichtung und Lehrbedarf sollten im Zusammenhang gesehen werden.

Die Lehrverpflichtungsverordnung regelt den Umfang der Lehrverpflichtung (Lehrdeputat) des hauptamtlich tätigen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen mit Ausnahme der Kunsthochschulen. Die für die Vorlesungszeit geltende wöchentliche Lehrverpflichtung beträgt für Professoren an Fachhochschulen 18 Lehrveranstaltungsstunden. In Anpassung an den wechselnden Lehrbedarf können diese Pflichtstunden im Durchschnitt innerhalb von zwei aufeinander folgenden Studienjahren erfüllt werden. Pro Semester darf jedoch die Hälfte der Lehrverpflichtung nicht unterschritten werden.

Der Rechnungshof hat im Jahre 2000 die Erfüllung der Lehrverpflichtungsverordnung an den Fachhochschulen Jena, Erfurt und Schmalkalden in den Studienjahren 1997/1998 und 1998/1999 geprüft und festgestellt, dass die Verordnung nur unzureichend eingehalten wurde.

Einige Professoren haben weniger als die Hälfte ihrer Lehrverpflichtung erfüllt, andere haben mehr als das 1,5-fache ihrer Pflichtstunden geleistet. Einzelne Fachbereiche haben ihre Lehrverpflichtung über mehrere Semester untererfüllt, andere anhaltend überschritten. Eine Fachhochschule hatte ihr Lehrdeputat im geprüften Zeitraum insgesamt nicht erfüllt.

Darüber hinaus war die Nachweisführung der Fachhochschulen über die Einhaltung der Lehrverpflichtungsverordnung gegenüber dem Ministerium unvollständig; der Ausgleich von Mehr- oder Minderstunden innerhalb von zwei Studienjahren wurde nicht nachgewiesen.

Zu Tz. 15.1: Die Landesregierung stimmt den Ausführungen des Rechnungshofes zu. Sie nimmt die Ergebnisse der Prüfung zum Anlass, die Thüringer Lehrverpflichtungsverordnung unter Einbeziehung der aktuellen Beschlusslage der Kultusministerkonferenz vom 12.06.2003 zu überarbeiten und noch in diesem Jahr zu erlassen. Im Rahmen dieser Überarbeitung sind weitergehende Regelungen zur Dokumentationspflicht vorgesehen.

Dabei weist die Landesregierung jedoch darauf hin, dass der Vorschlag des Rechnungshofes bei der Bearbeitung nicht berücksichtigt werden wird, Auslastungsberechnungen zur Ermittlung des benötigten Lehrbedarfs der Fachbereiche vorzunehmen, in denen das Lehrangebot je Fachbereich der Lehrnachfrage durch die Studierenden gegenübergestellt wird. Die vorgeschlagene Auslastungsberechnung widerspricht der Zielsetzung des Landes, ein ausgewogenes und vielfältiges Lehrangebot zu gewährleisten, das nicht allein an Gesichtspunkten wirtschaftlicher Effizienz ausgerichtet werden kann.

Sinn der Lehrverpflichtungsverordnung und der Kontrolle ihrer Einhaltung ist die Konkretisierung der Dienstaufgaben im Bereich der Lehre und die individuelle Überprüfung der Erfüllung dieser Aufgabe durch den einzelnen Hochschullehrer.

Die derzeit durchgeführten Auslastungsberechnungen für ausgewählte Fächer sind demgegenüber im Rahmen der Kapazitätsberechnung im Hinblick auf Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz durchzuführen, um ei-ne notwendige Begründung und Absicherung von Zulassungsbeschränkungen auf der Grundlage der der Kapazität zu erhalten.

Auf Grund seiner Prüfungsfeststellungen hat der Rechnungshof das Ministerium aufgefordert, die Einhaltung der Lehrverpflichtung künftig genauer zu überwachen, gravierende Abweichungen nicht zuzulassen und keinesfalls eine Unterschreitung der Mindestlehrverpflichtung hinzunehmen. Außerdem solle die Nachweisführung gegenüber dem Ministerium vervollständigt werden.

Ergänzend hatte der Rechnungshof mitgeteilt, dass eine Orientierung allein an der Einhaltung der Lehrverpflichtung zu Fehlschlüssen führen könne. Beispielsweise wäre es nicht sinnvoll gewesen, die an einer Fachhochschule festgestellte Untererfüllung der Lehrverpflichtung in einem Fachbereich auszugleichen; die Studiennachfrage sei hier gar nicht vorhanden gewesen. In einem anderen Fall wäre es verfehlt gewesen, einen von den Lehrstunden her überlasteten Fachbereich personell aufzustocken und damit zu entlasten; das Lehrangebot in diesem Fachbereich sei ohnehin überdimensioniert gewesen.

Der Rechnungshof regte deshalb an, die von einer Fachhochschule vorgenommene Auslastungsberechnung für die Lehrkapazität einzelner Fachbereiche an allen Fachhochschulen einzuführen.

Diese Berechnung stellte das zu leistende Lehrdeputat, also das Lehrangebot je Fachbereich, der Lehrnachfrage durch die Studierenden, also dem Lehrbedarf, gegenüber. Nach Auffassung des Rechnungshofs kann nur so die jeweilige Lehrverpflichtung auf den erforderlichen Lehrbedarf abgestimmt werden. Die Berichterstattung zur Erfüllung der Lehrverpflichtungsverordnung gegenüber dem Ministerium sollte sich nach der Forderung des Rechnungshofs demzufolge auch auf Angaben zur Lehrnachfrage durch die Studierenden erstrecken.

Bemerkungen des Rechnungshofs Stellungnahme der Landesregierung

Das Ministerium hat hinsichtlich der Einhaltung der Lehrverpflichtungsverordnung die Feststellungen des Rechnungshofs als möglicherweise nicht repräsentativ in Frage gestellt. Der Rechnungshof habe gerade zwei Studienjahre herausgegriffen, in denen ein Ausgleich durch vorherige oder nachfolgende Überlast erfolgt sei.

Die vom Rechnungshof festgestellten Überschreitungen von Pflichtstunden seien zwischenzeitlich einerseits durch die Besetzung von Professorenstellen abgebaut worden, zum anderen habe sich in einzelnen Fachbereichen die Zahl der Studierenden verringert. Weiterhin seien aus freien Kapazitäten neue Studiengänge geschaffen worden, um Unterschreitungen des Lehrdeputats zu vermeiden. Die kritisierte Unterlast einer Fachhochschule sei auf einen regelrechten Einbruch der Studierendenzahlen in den 90er Jahren zurückzuführen. Durch die glücklicherweise wieder starken Zuwachsraten in den betroffenen Studiengängen habe sich die Auslastung wieder deutlich erhöht.

Der Auffassung des Rechnungshofs, die Einhaltung der Lehrverpflichtung sei genauer zu überwachen, stimme das Ministerium zu, ebenso wie der vorgeschlagenen Änderung der Nachweisführung über das Ausgleichen von Mehr- und Minderstunden.

Der Vorschlag des Rechnungshofs, Auslastungsberechnungen durchzuführen, wurde dagegen vom Ministerium als ungeeignet bezeichnet.

Eine solche Berechnung widerspräche auch der wissenschaftspolitischen Zielstellung des Landes, ein ausgewogenes und vielfältiges Lehrangebot zu gewährleisten und die Profilbildung der Hochschulen zu unterstützen. Zum Lehrangebot gehöre insbesondere ein umfangreiches Wahlfachangebot für eine mögliche Spezialisierung der Studierenden sowie das Angebot von Randfächern, die im Gegensatz zu Massenstudiengängen möglicherweise von einer geringeren Anzahl von Studierenden belegt würden. Die Hochschulen seien verpflichtet, das in den Studien- und Prüfungsordnungen verankerte Lehrangebot zur Verfügung zu stellen, unabhängig davon, ob eine Lehrveranstaltung von 20 oder 100 Studierenden besucht werde.

Der Einwand des Ministeriums, die Erhebungsergebnisse seien möglicherweise nicht repräsentativ, weil vorherige oder spätere Überlasten womöglich ausgleichende Wirkung gehabt hätten, ist unzutreffend. Die Prüfungsergebnisse sind zwar nicht über den geprüften Zeitraum hinaus repräsentativ, Fehlbewertungen durch vorherige Überlasten hat der Rechnungshof jedoch durch den Umfang seiner Erhebungen ­ ausgedehnt auf frühere Semester ­ ausgeschlossen. Auch im Nachhinein konnten die Abweichungen bei dem gegebenen Volumen praktisch nicht ausgeglichen werden.

Unabhängig davon ist entscheidend, dass das mögliche Ausgleichen von Lehrverpflichtungen im Durchschnitt von zwei aufeinander folgenden Studienjahren lediglich für einzelne Professoren (auch für Professoren untereinander) gilt. Dies kann sich keinesfalls so auswirken, dass ganze Fachbereiche oder eine Fachhochschule insgesamt vier Semester nacheinander ihre Lehrverpflichtung nicht erfüllen. Wie das Ministerium selbst auch richtig darstellt, war die über Jahre andauernde Nichteinhaltung des Lehrdeputats an einer Fachhochschule auf den Rückgang der Studierendenzahlen ab Anfang der 90er Jahre zurückzuführen, nicht etwa auf vorherige Überlasten.

In seiner Stellungnahme zum Entwurf dieses Bemerkungsbeitrags machte das Ministerium geltend, dass dem Rechnungshof keine vollständige Datenbasis vorgelegen habe, denn bei einer der Fachhochschulen sei eine unvollständige Nachweisführung festgestellt worden.

Zudem sei der Rechnungshof auf die gegen eine Auslastungsberechnung sprechende Argumentation des Ministeriums nicht eingegangen.

Die vom Rechnungshof festgestellte Nichterfüllung der Lehrverpflichtungen lässt sich nicht durch den Hinweis des Ministeriums auf einen anderweitig festgestellten Mangel entkräften. Die Aussagen des Rechnungshofs sind durch die Sammelmeldungen der Hochschulen an das Ministerium belegt. Das Ministerium wird gebeten, den Ursachen für die lückenhafte Nachweisführung verstärkt nachzugehen, diese abzustellen und künftig auf einer vollständigen Nachweisführung durch die Hochschulen zu bestehen.

Die Empfehlung des Rechnungshofs zur Einführung einer Auslastungsberechnung beruht auf dem Zusammenhang von Angebot Bemerkungen des Rechnungshofs Stellungnahme der Landesregierung und Nachfrage auch im Bereich der Lehre. Der Rechnungshof bleibt hin-sichtlich der Einführung von Auslastungsberechnungen der Auffassung, dass erst diese die angestrebte Profilbildung der Hochschulen ermöglichen. Der hierdurch bewirkte zweckgerechte Einsatz der Lehrkapazität ergibt den finanziellen Spielraum auch für ein vielfältiges Lehrangebot. Wie vom Rechnungshof an Beispielen dargestellt, kann die bloße Berücksichtigung des Kriteriums Erfüllung der Lehrverpflichtung zu Fehlschlüssen führen. Der Rechnungshof fordert deshalb, neben der Durchsetzung der Lehrverpflichtungsverordnung künftig auch der jeweiligen Lehrnachfrage Rechnung zu tragen.