Opferentschädigungsgesetz (OEG)

Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und für Sport sowie dem Minister der Justiz wie folgt:

Frage 1. Wie viele Opfer (prozentual und absolut), bezogen auf die Zahl der jährlichen Gewalttaten, stellten im Land Hessen in den Jahren 1999 und 2000 einen Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz?

Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz wurden beantragt im Jahr 1999 von 706 Personen und im Jahr 2000 von 733 Personen.

Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden in Hessen im Bereich der Gewaltkriminalität in den Jahren 1999 12.990 Fälle mit insgesamt 15.279 Opfern und 2000 12.646 Fälle mit insgesamt 14.977 Opfern registriert.

Im Jahre 1999 stellten also 4,62 v.H. der Opfer von Gewalttaten einen Antrag nach dem OEG; im Jahre 2000 waren es 4,89 v.H. Ob eine Identität zwischen den Opfern nach dem Opferentschädigungsgesetz und denen nach der PKS vorliegt, ist nicht bekannt.

Unter Gewaltkriminalität werden in der PKS, um Aussagen zu Straftaten unter Anwendung direkter körperlicher Gewalt machen zu können, folgende - bei den einzelnen Straftatengruppen bereits gezählte - Delikte zusammengefasst:

- Mord,

- Totschlag und Tötung auf Verlangen,

- Vergewaltigung und besonders schwere Fälle der sexuellen Nötigung,

- Raub,

- Körperverletzung mit tödlichem Ausgang,

- gefährliche und schwere Körperverletzung,

- erpresserischer Menschenraub,

- Geiselnahme,

- Angriff auf den Luftverkehr.

Der Unterschied zwischen den registrierten Fällen und der Anzahl der Opfer ist darauf zurückzuführen, dass in manchen Fällen mit einer Tathandlung mehrere Personen verletzt wurden.

Frage 2. Wie viele Antragsteller werden als Opfer anerkannt (prozentual und absolut)?

Den 706 Antragstellungen nach dem OEG im Jahre 1999 standen 77 Anerkennungen als Geschädigte gegenüber; das sind 10,91 v.H.

In 34 Fällen erfolgte eine Anerkennung als Hinterbliebene/Hinterbliebener; das sind 4,82 v.H.

Im Jahre 2000 betrug die Quote der Anerkennungen als Geschädigte 10,23 v.H. (75 Fälle bei 733 Anträgen).

Als Hinterbliebene waren elf Personen, also 1,5 v.H., anzuerkennen.

Frage 3. In wie vielen Fällen werden in Hessen Rentenleistungen aufgrund erheblicher körperlicher und seelischer Schäden gewährt?

Am 31. Dezember 2000 betrug die Gesamtzahl der Fälle, in denen in Hessen laufende Rentenleistungen nach dem OEG gewährt werden, 806.

Frage 4. In wie vielen Fällen kam es zur Ablehnung des Antrages?

Im Jahre 1999 wurde in 306 Fällen der Antrag auf Leistungen nach dem OEG abgelehnt.

Im Jahre 2000 wurden 305 ablehnende Bescheide erteilt.

Frage 5. Wie viel Prozent der Anerkennungen entfielen auf die Erstattung von Heil- und Krankenbehandlungskosten, die in aller Regel schon durch die Krankenkassen übernommen wurden und dorthin zurückfließen?

Im Jahre 1999 betrug der Anteil der Anerkennungen, die auf die Erstattung von Heil- und Krankenbehandlungskosten entfielen, 59,77 v.H.

Im Jahre 2000 waren es nur 41,88 v.H.

Frage 6. In wie viel Prozent aller erledigten Anträge bescheinigten die Versorgungsämter bleibende Verletzungsfolgen, die zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 25 v.H. führen?

Im Jahre 1999 wurde in 8,42 v.H. aller erledigten Anträge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 25 v.H. anerkannt.

Im Jahre 2000 betrug der Anteil dieser Anerkennungen 9,78 v.H.

Frage 7. Wie viele Personen erhielten 1999 und 2000 eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz?

Im Jahre 1999 wurden in Hessen in 111 Fällen Rentenleistungen bewilligt.

Im Jahre 2000 waren es 86 Fälle, in denen Rentenleistungen bewilligt wurden.

Frage 8. In wie vielen Fällen wurden Betroffene von staatlichen Stellen auf das Opferentschädigungsgesetz hingewiesen, und erfolgt überhaupt ein Hinweis von staatlichen Stellen auf die Möglichkeiten des Opferentschädigungsgesetzes?

Eine zahlenmäßige Erfassung der Fälle, in denen Geschädigte bei Anzeigenaufnahme durch die Polizei auf die Möglichkeiten des OEG hingewiesen werden, erfolgt nicht.

Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind jedoch Inhalt der polizeilichen Aus- und Fortbildung, sodass jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte über deren Anwendung Kenntnis hat. Darüber hinaus sind Opferschutz und Opferbetreuung in den letzten Jahren immer mehr in das Bewusstsein der Polizei gerückt. Opfern werden deswegen - insbesondere in Fällen von Gewaltkriminalität - die verschiedenen Möglichkeiten der Betreuung sowie der Versorgung grundsätzlich aufgezeigt.

Bei der polizeilichen Vernehmung von Geschädigten erfolgt regelmäßig der Hinweis auf regionale und überregionale Opferhilfeeinrichtungen. Zusätzlich werden bei Bedarf Broschüren dieser Einrichtungen ausgehändigt.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das Modellprojekt Pro Opfer beim Polizeipräsidium Südhessen. Unter wissenschaftlicher Begleitung durch das psychologische Institut der Technischen Universität Darmstadt und das Bundeskriminalamt erfolgt dort eine Intensivierung der Opferbetreuung, unter anderem durch die Schaffung von so genannten Opferkontaktbeamten. Bei Bedarf erfolgt nach Anzeigeerstattung auch eine persönliche Betreuung.

Das Hessische Landeskriminalamt hat in Zusammenarbeit mit anderen Behörden zudem einen Opferleitfaden entwickelt, der die polizeiliche Opferbetreuung konzeptionell darstellt und demnächst an alle Polizeidienststellen herausgegeben wird.

Frage 9. Wie steht die Landesregierung zu der Aufnahme einer entsprechenden Passage in das polizeiliche Anzeigenformular?

Das Anzeigenformular enthält auf der Seite 1 bereits einen Passus zum Opferschutzgesetz, wo die Aushändigung des vom Hessischen Ministerium der Justiz herausgegebenen und bei den Polizeidienststellen vorgehaltenen Merkblatts über Rechte von Verletzten und Geschädigten in Strafverfahren an die Geschädigten vermerkt wird.

Dieses Merkblatt enthält in Abschnitt III Abs. 2 unter Bezugnahme auf das OEG den Hinweis auf die Möglichkeit, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung - nach Antrag bei dem zuständigen Amt für Versorgung und Soziales - Versorgung zu erhalten.

Die Aufnahme eines weiteren Hinweises erscheint nicht zweckmäßig, da auf dem Anzeigenformular nur begrenzter Raum zur Verfügung steht und die Anwendung des OEG nur für eine eingeschränkte Anzahl von Anzeigeerstattern in Betracht kommt.

Durch die Aushändigung des Merkblattes wird die geschädigte Person zudem in die Lage versetzt, sich außerhalb der belastenden Situation unmittelbar nach einer Straftat gegen die eigene Person in Ruhe über eventuelle Ansprüche zu informieren.

Frage 10. Befürwortet die Landesregierung gegebenenfalls, dass eine Weiterleitung eines Durchschlags an das Versorgungsamt erfolgt?

Die Weiterleitung eines Durchschlags des polizeilichen Anzeigenformulars an das Versorgungsamt erscheint wenig sinnvoll. Der Kreis der Anspruchsberechtigten lässt sich von der Polizei nicht ohne weiteres festlegen. Erforderlich werdende Detailregelungen würden erhöhten Verwaltungsaufwand verursachen.

Auch könnte damit die notwendige Akteneinsicht durch das Versorgungsamt nach Abschluss des Strafverfahrens nicht ersetzt werden.

Darüber hinaus könnte durch die automatische Weiterleitung eines Durchschlags des Anzeigenformulars bei Geschädigten der Eindruck entstehen, selbst bei dem Versorgungsamt nicht mehr initiativ werden zu müssen.

Eine solche Praxis kann daher nicht befürwortet werden.

Frage 11. Wie steht die Landesregierung zur Stärkung des Adhäsionsverfahrens, und wie kann gegebenenfalls eine Stärkung des so genannten Adhäsionsverfahrens ausgestaltet werden?

Vor allem mit Blick auf die Belange des Opferschutzes steht die Landesregierung Überlegungen zu einer Stärkung des Adhäsionsverfahrens grundsätzlich offen gegenüber. Im Übrigen bietet das Adhäsionsverfahren durch die gleichzeitige Entscheidung über Strafe und zivilrechtlichen Schadensausgleich die Möglichkeit einer besonders effizienten Erledigung gerichtlicher Verfahren.

Die Landesregierung hat daher den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung (Gesetz zur Stärkung der Verletztenrechte) (BT-Drucks. 14/4661) unterstützt. Die dem Deutschen Bundestag vorliegende Initiative schränkt die Möglichkeiten einer Ablehnung des Adhäsionsantrages insbesondere bei Tötungs-, Gewalt- und Sexualdelikten deutlich ein und sieht im Übrigen ergänzend zum Adhäsionsverfahren die Einführung eines sofort vollstreckbaren strafgerichtlichen Wiedergutmachungsvergleichs vor.

Soweit die Frage auch im Zusammenhang mit der Durchführung des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) gestellt worden sein sollte, ist festzustellen, dass aufgrund der in § 5 Abs. 1 OEG geregelten cessio legis ein Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. nicht möglich ist, da die Versorgungsverwaltung nicht Verletzter oder sein Erbe im Sinne des § 403 Abs. 1 wird.

Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes jedoch unbedenklich, da der diesbezügliche Zweck des Adhäsionsverfahrens - nämlich dem Geschädigten zu ersparen, seine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gegen den Täter in einem weiteren zeitraubenden und seelisch belastenden Verfahren vor dem Zivilgericht geltend machen und durchsetzen zu müssen - in dem Moment, in dem es allein Aufgabe der Versorgungsverwaltung ist, die auf den Kostenträger nach dem OEG übergegangenen Schadensersatzansprüche zu realisieren, obsolet geworden ist.

Frage 12. Wie kann erreicht werden, dass Opfern der ihnen gegen den Täter zustehende zivilrechtliche Anspruch aus dem Opferanspruchssicherungsgesetz (OASG) besser bekannt wird?

Durch das Opferanspruchssicherungsgesetz (OASG) erhält das Opfer mit Hilfe des Zivilrechts einen erhöhten Schutz dadurch, dass ein gesetzliches Pfandrecht zur Sicherung seiner Schadensersatzansprüche gegenüber dem Täter geschaffen wurde, falls dieser über die Medien seine Taten gewinnbringend vermarktet.

Hierbei handelt es sich - auch nach den bisherigen Erfahrungen - um wenige, allerdings hervorgehobene Einzelfälle, sodass eine generelle Regelung, z.B. der Hinweis auf einen derartigen Anspruch im Merkblatt für Opfer von Straftaten, wenig sachgerecht erscheint.

Daher wird es lediglich in jedem Einzelfall darauf ankommen, dass das Opfer rechtzeitig von der Möglichkeit, diesen Anspruch zu stellen, erfährt.

Hierbei können in Hessen z. B. die Opferhilfseinrichtungen wertvolle Unterstützung leisten. Darüber hinaus werden die Staatsanwaltschaften, sobald ihnen ein derartiger Einzelfall bekannt wird, die Opfer von Straftaten hierauf hinweisen.