Landesregierung

Thüringer Landtag - 4. Juli 2004 hat folgenden Wortlaut:

Auf der Grundlage des § 5 Abs. 3 der Thüringer Kommunalordnung hat die Stadt Ilmenau zahlreiche Straßen im Stadtgebiet und in den Ortsteilen umbenennen müssen. In der Folge müssen betroffene Bürger eine Umadressierung in personenbezogenen Dokumenten vornehmen lassen.

Während die Stadt Ilmenau diese Umadressierung entgeltfrei für die Bürger durchführt, erhebt das Landratsamt des Ilm-Kreises für die Umadressierung von Fahrerlaubnisdokumenten eine Verwaltungsgebühr, die zu Unverständnis bei den betroffenen Bürgern führt.

Die Bürger vertreten die Auffassung, dass die Stadt Ilmenau, der Landkreis oder das Land die Kosten für die Umadressierung tragen müssten, weil die Umadressierung eine Folge der Neufassung der Thüringer Kommunalordnung und insofern nicht durch die Bürger zu verantworten ist.

Der Landkreis verweist auf landes- und bundesrechtliche Regelungen, die eine zwingende Erhebung von Verwaltungsgebühren für derartige Umadressierungen vorschreiben, ohne dass der Behörde hier ein Ermessen eingeräumt ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie wird begründet, dass Bürger, die von der Umbenennung von Straßen betroffen sind, für die Umadressierung personenbezogener Dokumente selbst die Kosten zu tragen haben?

2. Gibt es landesrechtliche Regelungen, die Bestimmungen zum Kostenträger für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umbenennung von Straßen enthalten? Wenn ja, welche? Wenn nein, weshalb wurde auf solche landesrechtlichen Regelungen verzichtet?

3. Haben Gemeinden im Zusammenhang mit notwendigen Straßenumbenennungen infolge der Neuregelung in § 5 Abs. 3 einen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Land, in Anwendung des Konnexitätsprinzips und wie wird diese Auffassung begründet?

4. Haben Bürger, die von Straßenumbenennungen betroffen sind, einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Gemeinde und wie wird diese Auffassung begründet?

8. September 2004

Drucksache 4/87 Thüringer Landtag - 4. Wahlperiode

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 30. August 2004 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Grundlage für die Änderung von Führerschein- und Fahrzeugdokumenten, die nach der Vorbemerkung Gegenstand der Fragestellung sind, bilden Vorschriften des Bundesrechts.

Im Einzelnen stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:

1. Fahrerlaubnisrecht

Nach Anlage 8, Muster 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) besteht weder eine rechtliche Verpflichtung noch eine Möglichkeit, auf dem Führerschein eine Anschrift aufzubringen. Somit besteht auch keine Möglichkeit oder Notwendigkeit, bei Straßenumbenennungen die Anschrift im Führerscheindokument ändern zu lassen.

Bei noch im Umlauf befindlichen alten Führerscheindokumenten (graue Vordrucke), bei denen unter Umständen die Anschrift vorhanden ist, besteht keine rechtliche Notwendigkeit zur Änderung der Anschrift. Diese Dokumente sind weiterhin gültig.

2. Zulassungsrecht § 27 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung besagt, dass die Angaben in den Fahrzeugdokumenten den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen müssen. Nach Absatz 1 a sind Änderungen zur Anschrift der Zulassungsbehörde unverzüglich zu melden. Hierfür sind folgende Gebühren nach der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr zu erheben: Gebühren-Nr. 125: 0,50 Euro Berichtigung der Erfassungsunterlagen für das Zentrale Fahrzeugregister... zur Abführung an das Kraftfahrt-Bundesamt Gebühren-Nr. 225: 10,20 Euro Ausfertigung, Ersatz oder Änderung der nationalen oder internationalen Fahrzeugpapiere oder ­bescheinigungen wegen Änderung persönlicher oder technischer Daten oder Unbrauchbarkeit oder Verlust...

Für eine Erstattung dieser Kosten in Fällen, in denen die Gemeinde die Adressenänderung verursacht hat, besteht keine Rechtsgrundlage.

Zu 2.: Es gibt keine solchen landesrechtlichen Regelungen. Hierfür besteht auch keine Notwendigkeit. Da Straßenumbenennungen mit wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Anlieger verbunden sind, sind die Interessen der Anlieger an der Beibehaltung des bisherigen Straßennamens und das öffentliche Interesse an der Unterscheidbarkeit von Straßen anhand des Straßennamens gegeneinander abzuwägen. Bei gleichlautenden Straßennamen innerhalb derselben Gemeinde überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der Unterscheidbarkeit. In diesem Fall werden die Anlieger nicht in ihren über Artikel 14 GG (Eigentum, Erbrecht, Enteignung) geschützten Rechten beeinträchtigt. Es handelt sich bei den Kosten der Adressenänderung um Nachteile, die der Bürger hinnehmen muss, weil auf den Fortbestand des Straßennamens kein Anspruch besteht.

Zu 3.: Die Gemeinden haben im Zusammenhang mit Straßenumbenennungen keinen Kostenerstattungsanspruch gegen das Land in Anwendung des Konnexitätsprinzips. Das so genannte Konnexitätsprinzip ist in Artikel 93 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen enthalten. Danach ist ein angemessener finanzieller Ausgleich zu schaffen, wenn die Übertragung staatlicher Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung zu einer Mehrbelastung der Gemeinden und Gemeindeverbände führt. Durch § 5 Abs. 3 Satz 2 der bestimmt, dass gleichlautende Bezeichnungen innerhalb derselben Gemeinde unzulässig sind, wird jedoch keine neue staatliche Aufgabe zur Erfüllung nach Weisung (Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises) übertragen, für die neue Finanzmittel bereitzustellen wären.

Die Änderung von Straßennamen ist eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe. Nach Artikel 93 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen sorgt das Land dafür, dass die kommunalen Träger der Selbstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen können. Für die Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben (Aufgaben des eigenen Wirkungskreises) erhalten die Gemeinden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs Finanzmittel.

Zu 4.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.