Das Gebäude wurde bis vor zwei Jahren als Gefängnis genutzt

Thüringer Landtag - 4. Oktober 2004 hat folgenden Wortlaut:

Für das ehemalige Polizei- und Stasi-Gefängnis in der Andreasstraße Erfurt ist ein Abrissantrag gestellt worden.

Das Gebäude wurde bis vor zwei Jahren als Gefängnis genutzt. An seiner Stelle soll nun ein Parkplatz für die der Polizeibediensteten entstehen.

Daher frage ich die Landesregierung:

1. Wie ist der Verfahrensstand des Abrissantrags für die Landesliegenschaft Haftanstalt Andreasstraße?

2. Welche möglichen Nutzungen des Gebäudes wurden geprüft?

3. Welchen Stellenwert hat das Gebäude im Gedenken an die SED-Diktatur? Gibt es für das Gedenken an die zweite Diktatur ein übergreifendes Konzept?

4. Welche Firma wird mit dem zu erstellenden Statik-Gutachten beauftragt? Hat die gleiche Firma schon andere Prüfaufträge des Landes ausgeführt? Welche mit welchem Ergebnis?

5. Wann werden die Mittel dafür zur Verfügung stehen? Wann wird das Ergebnis erwartet?

6. Wann wird mit der endgültigen Entscheidung über den Abrissantrag gerechnet?

Das Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 16. November 2004 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Mit der Aufgabe bzw. Schließung der ehemaligen Justizvollzugsanstalt (JVA) Erfurt, Andreasstraße, im Jahre 2002 wurde die Liegenschaft in das Planungskonzept der Polizeimaßnahmen für die Unterbringung der Polizeidirektion Erfurt, der Polizeistation Domplatzwache und der Kriminalpolizeiinspektion Erfurt für die Möglichkeit einer Verwendung des landeseigenen Grundstücks als Parkfläche für Dienstfahrzeuge sowie für Stellplätze der Bediensteten der Polizeidienststellen und des Landgerichts einbezogen.

Zu 1.: Das Staatsbauamt Erfurt hat im Rahmen der Untersuchungen (Belegung, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit) über die Neustrukturierung der Polizeidienststellen in der Andreasstraße aufgezeigt, dass das ehemalige Justizvollzugsgebäude aufgrund seiner baulichen Beschaffenheit und der Gebäudestruktur dem Bedarf und den Nutzeranforderungen der Polizei nicht annähernd entspricht.

Diese Aussage gilt auch für die gleichwertige büroartige Nutzung jeglicher Art.

Zu 3.: Ein Teil des Gebäudes der ehemaligen JVA Erfurt wurde bis 1989 auch durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR genutzt. An diese Nutzung knüpfen sich Erinnerungen an die SED-Diktatur, die Anlass für die Anregung zur Errichtung einer Gedenkstätte waren.

Eine nachvollziehbare dieser Teilnutzung zuzuschreibende architektonische Spezifik des Bauwerks, die das Gebäude für die Errichtung einer Gedenkstätte besonders geeignet erscheinen ließe, ist jedoch nicht vorhanden.

Der Freistaat Thüringen konzentriert seine Bemühungen deshalb auch weiterhin auf den nutzungsgerechten Ausbau des Torhauses der ehemaligen Haftanstalt am Amthordurchgang in Gera als exemplarische Gedenkstätte.

Für die Nachnutzung des Gebäudes als Gedenkstätte an die SED-Diktatur gibt es bisher kein Nutzungsbzw. Finanzierungskonzept. Gleichwohl gibt es Bemühungen des Thüringer Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR im Zusammenhang mit der Gesellschaft für Zeitgeschichte e. V. eine Nutzung des Gebäudes der ehemaligen JVA als Gedenkstätte voranzubringen.

Für eine gleichfalls diskutierte kulturelle Nutzung des Gebäudes liegt ebenfalls bisher weder ein Nutzungs-, Finanzierungs- noch ein Betreiberkonzept vor.

Zu 4.: Das Staatsbauamt Erfurt beabsichtigt, nach Freigabe der Haushaltsmittel das Statikbüro KSI (Kabalan + Sprungala Ingenieure/Weimar) mit einem entsprechenden Gutachten zu beauftragen. Referenzen erwarb das Büro bei der Prüfung der Standsicherheit des Altbaus des Dienstgebäudes der Polizei in der Andreasstraße/Erfurt mit dem Ergebnis der behutsamen Sicherung des Baubestands durch Anpassung der Nutzungsanforderungen.

Das Statikbüro verfügt über umfangreiche Erfahrung im Umgang mit historischer Bausubstanz und deren Ertüchtigung für heutige Nutzungsanforderungen. Als weitere Referenzen - speziell zu Objekten mit schwierigen statisch-konstruktiven Bedingungen in Altbauten können benannt werden:

- Polizeiinspektion Bad Langensalza, Umbau und Sanierung Dienstgebäude fertig gestellt: Dezember 2000.

- Justizzentrum Erfurt als Dienstgebäude fertig gestellt: Jahr 2000

- Polizeiverwaltungsamt Erfurt, Hohenwindenstraße 10 - Teilabrisskonzeption und Umbau Eingangsbereiche und Schaffung von Büroräumen im Hauptgebäude fertig gestellt: Jahr 2002

Zu 5.: Die Haushaltsmittel stehen erst nach Aufhebung der haushaltswirtschaflichen Sperre zu Verfügung. Bis wann die Ergebnisse des Statikgutachtens vorliegen werden, ist vor diesem Hintergrund nicht einzuschätzen.

Zu 6.: Mit einer Entscheidung des Genehmigungsverfahrens wird nach Abwägung der Interessenlagen (Nutzer, Stadt Erfurt, Denkmalschutz) im Verlauf des Jahres 2005 gerechnet.

Trautvetter Minister.