Unzureichende Betäubung von Schlachttieren

Nach Einschätzung von Experten werden zwischen 5 und 20 v.H. der in Deutschland jährlich geschlachteten vier Millionen Rinder nicht ausreichend betäubt. Dies kann dazu führen, dass die Tiere ihre Tötung, also den Kehlschnitt und das Entbluten, im schlimmsten Fall sogar ihre weitere Zerlegung bei vollem Bewusstsein miterleben. Durch das Verbot des Einsatzes des so genannten Rückenmarkzerstörers aus seuchenrechtlichen Gründen durch die EU-Kommission hat sich diese Situation verschärft.

Bei Geflügel soll der Anteil der Tiere, die vor dem Entblutungsschnitt und dem anschließenden Brühbad wieder wach werden, noch höher sein.

Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie viele Tiere, unterteilt nach Tierarten, werden jährlich in Hessen geschlachtet?

Ausweislich der Statistiken des Hessischen Statistischen Landesamtes wurden in Hessen geschlachtet:

Frage 2. Wie werden die Tiere jeweils geschlachtet?

Frage 3. Welche Betäubungsmethoden werden bei welchen Tieren verwendet?

Es kommen nur zulässige Betäubungsverfahren gemäß Anlage 3 der Tierschutz-Schlachtverordnung zum Einsatz. Die Tötung der Schlachttiere erfolgt nach Betäubung durch Blutentzug in der gemäß Anlage 2 der Verordnung festgelegten Zeit. Kann die Landesregierung garantieren, dass bei allen Tieren eine ausreichende Betäubung stattfindet, die bis zur Tötung bzw. bis zur Zerlegung anhält?

In der Tierschutzschlacht-Verordnung sind solche Betäubungsverfahren festgeschrieben, die für die Tötung/Schlachtung der jeweiligen Tierarten geeignet sind und die bei korrekter Durchführung und Einhaltung der Höchstdauer zwischen Betäubung und Entbluteschnitt bis zum Tod der Tiere anhalten.

Mit der Zerlegung der Schlachttiere darf erst begonnen werden, wenn keine Bewegungen der Tiere mehr wahrzunehmen sind.

Nach Kenntnis der Landesregierung werden beim Schlachten von Tieren nur zulässige Betäubungsverfahren angewandt. Die Veterinärverwaltung kann aber nicht jeden einzelnen Schlachtvorgang hinsichtlich der oben genannten Kriterien überwachen, um unvorhersehbaren Zwischenfällen, systembedingten Mängeln oder menschlichem Fehlverhalten ad hoc gegenzusteuern.

Frage 5. In welchen Intervallen und durch wen werden die jeweiligen Betäubungsgeräte überprüft?

Die Betäubungsgeräte werden in regelmäßigen Abständen (1 bis 2 Jahre) von Bediensteten der Staatlichen Ämter für Lebensmittelüberwachung, Tierschutz und Veterinärwesen (Amtstierärzte, Tiergesundheitsaufseher, Fleischkontrolleure) überprüft, im Bedarfsfall auch öfter.

Folgende Prüfverfahren kommen zur Anwendung:

- Elektrozangen: mit Zangenprüfgeräten bzw. automatischen Aufzeichnungen,

- Bolzenschussgerät: Prüfung der Nachweise über Gerätewartungen gemäß TÜV-Vorgabenprüfung der Verwendung der geeigneten Munition,

- CO2-Betäubung: Prüfung der permanenten Aufzeichnungen.

Frage 6. Über welche Ausbildung verfügt das jeweilige Schlachthofpersonal?

Das in Schlachtbetrieben tätige Personal verfügt über eine nachgewiesene Ausbildung im Metzgerhandwerk oder hat sonst seine Sachkunde nach § 4 der Tierschutzschlacht-Verordnung nachgewiesen.

Frage 7. Sind die Schlachter bzw. Kopfschlächter ausreichend geschult, um Fehlbetäubungen ausschließen zu können?

Trotz ausreichender Sachkunde des Schlachtpersonals sind Fehlbetäubungen auch bei ausreichender Schulung aus den nachfolgenden Gründen nicht gänzlich auszuschließen:

- Widersetzlichkeit der Tiere,

- menschliches Fehlverhalten,

- Verkettung unglücklicher Umstände.

Frage 8. Im Gießener Schlachthof wurden vor einiger Zeit Videokameras installiert, die es ermöglichen, die ordnungsgemäße Betäubung und Schlachtung der Tiere zu dokumentieren. Auch können so Fehlbetäubungen und Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und die Tierschutzschlacht-Verordnung aufgezeichnet und geahndet werden.

Welche Erfahrungen wurden in Gießen mit Videokameras gemacht?

Mit der im Schlachthof Gießen im Rahmen eines Eigenkontrollsystems freiwillig installierten Video-Überwachungskamera wurden wegen des hohen positiven psychologischen Effektes auf das Personal gute Erfahrungen gemacht.

Die Video-Bänder werden stichprobenartig auch vom zuständigen Staatlichen Amt für Lebensmittelüberwachung, Tierschutz und Veterinärwesen ausgewertet, um mit dem Schlachtbetrieb grundsätzliche Problembereiche abzuarbeiten.

Frage 9. Wie beurteilt die Landesregierung die Installation von Videokameras an den tierschutzrelevanten Bereichen in allen hessischen Schlachthöfen?

Die Landesregierung begrüßt die Videoüberwachung als Eigenkontrollmaßnahme ausdrücklich.

Frage 10. Hält die Landesregierung die Betäubung und Schlachtung von Tieren im Akkord mit dem Tierschutzgedanken für vereinbar?

Auch beim Schlachten im Akkord sind die Normen der einzuhalten.

Frage 11. Hält die Landesregierung eine Novellierung der Tierschutzschlacht-Verordnung für erforderlich?

Wenn ja, in welchen Bereichen?

Die Landesregierung hält eine Überarbeitung der für erforderlich.

Sie hat deshalb dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft folgende Vorschläge unterbreitet:

- Anpassung der Anlage 3 zu § 13 Abs. 6 der Verordnung (Betäubungsarten und Betäubungsmodalitäten) an den Stand der Wissenschaft mit weitgehender Bevorzugung irreversibler Betäubungsarten,

- Aufnahme von Betäubungsmethoden für Strauße,

- Zulassungsvorschriften für Betäubungsgeräte einschließlich Vorgaben für regelmäßige Wartung und Funktionsprüfung,

- Einführung von Eigenkontrollsystemen in größeren Schlachtbetrieben,

- regelmäßige Nachschulung des Schlachtpersonals hinsichtlich des Umgangs mit Tieren, mit der Betäubung und dem Töten,

- Festlegung der Kriterien der Sachkunde für Personen, die betäubungslos schächten,

- Festlegung der zulässigen Fixationseinrichtungen für Rinder beim Schächten.