Woher rührt das ab 2002 für das Klinikum der FSU Jena festgestellte

Thüringer Landtag - 4. Dezember 2004 hat folgenden Wortlaut:

Am Klinikum der FSU Jena herrscht eine große Unklarheit über die künftige Entwicklung des Hauses. Eine interministerielle Arbeitsgruppe erarbeitet zurzeit ohne Einbindung der Beschäftigten bzw. deren Vertreter neue Konzepte für das Klinikum. Als ein zentrales Argument für die Notwendigkeit neuer Konzepte wird die Wirtschaftlichkeit des Klinikums genannt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Woher rührt das ab 2002 für das Klinikum der FSU Jena festgestellte Bilanzdefizit?

2. Weshalb wurden vom Management des Klinikums und von der Landesregierung unterschiedliche Zahlen für den Jahresabschluss 2003 veröffentlicht? Welche Bilanz ist nun gültig?

3. Welche Kliniken des Universitätsklinikums arbeiten warum defizitär?

4. Welche Maßnahmen wurden in den einzelnen Kliniken und im Klinikum unternommen, um das Defizit auszugleichen bzw. zu verringern? Gab es weitere Vorschläge aus dem Klinikum, die als nicht geeignet eingestuft wurden?

5. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Klinikums können wegen der bestehenden Rechtsform nicht umgesetzt werden?

6. Weshalb konnte nicht mit allen Klinikdirektoren eine Budgetvereinbarung getroffen werden?

7. Weshalb wurden bisher keine Chefarztverträge mit den Leitern der Kliniken abgeschlossen?

8. Gibt es Fälle, in denen Assistenz- und Oberärzte Leistungen innerhalb ihrer Arbeitszeit erbringen und Klinikdirektoren diese dann mittels Privatliquidation abrechnen und wenn ja, wie geht die Landesregierung als Aufsichtsbehörde damit um?

9. Wie hoch ist der vom Ministerium zugewiesene Anteil von Betten für Privatbehandlung und wie hoch ist der Anteil an dafür tatsächlich genutzten Betten?

10.Wie hoch ist der Investitionsaufwand (einschließlich Umbaumaßnahmen) für die Betten der Privatliquidation im Vergleich zu Investitionen im Behandlungsbereich?

22. März 2005 11.Wie hoch ist der Anteil der Entschädigung aus Privatliquidation nach einzelnen Kliniken bzw. nach Abteilungsleitern?

12.Wie hoch sind die Kosten für die Inbetriebnahme des 1. Bauabschnitts (inklusive der zusätzlichen Maßnahmen und des Umzugs 2004) und wie wurden die Kosten finanziert?

13.Wie gestaltete sich die Personalkostenentwicklung in den einzelnen Leitungsbereichen der Verwaltung des Klinikums von 2001 bis 2004?

14.Welchen konkreten Auftrag hat die interministerielle Arbeitsgruppe und weshalb ist der Personalrat des Klinikums nicht in die Arbeitsgruppe eingebunden?

Das Thüringer Kultusministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 9. März 2005 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Ein Universitätsklinikum wird im Wesentlichen aus den Erlösen für Krankenhausleistungen und aus dem Landeszuschuss für Lehre und Forschung finanziert. Die Vergütung im stationären Bereich berücksichtigt seit Jahren entsprechend den Festlegungen des Bundesgesetzgebers Personalkostensteigerungen nur in Höhe der Grundlohnsummensteigerung, um die Beitragsstabilität zu garantieren. Die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) verbindlich festgestellte Grundlohnsummensteigerung ist erheblich niedriger als z. B. die im Bundesangestelltentarifvertrag vereinbarten Tarifsteigerungen. Für die Budgetentwicklung im Jahr 2005 stellt das BMGS für die neuen Bundesländer erstmals sogar einen Rückgang der Einkommensentwicklung und damit der Beitragseinnahmen für die Gesetzliche Krankenversicherung fest, da der Grundlohn im vergangenen Zeitraum um 0,6 Prozent sank. Vor diesem Hintergrund resultiert das Defizit des Klinikums vor allem aus der Entwicklung der Personalkosten, zumal auch der Landeszuschuss für Lehre und Forschung seit 1997 weitgehend konstant blieb. Die Auswirkungen aus den Tarifabschlüssen für die etwa 4 000 Beschäftigten im Öffentlichen Dienst des Klinikums der Jena verursachten in den vergangenen Jahren Mehrausgaben zwischen fünf und sieben Millionen Euro jährlich.

Die Finanzierung der nach § 117 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Hochschulambulanzen richtet sich nach § 120 Abs. 3 SGB V. Der gesetzlich vorgesehene Wegfall des bisherigen Abschlags von 20 vom Hundert für Forschung und Lehre wird von den Krankenkassenverbänden wegen der gleichzeitigen gesetzlichen Festlegung einer Beitragssatzstabilität nicht umgesetzt. Zudem kann die Vergütung pauschaliert und quartalsweise pro Behandlungsfall festgelegt werden, unabhängig von der Zahl und dem Umfang der tatsächlichen Behandlungen innerhalb eines Quartals. Die ambulanten Behandlungen der Patienten werden daher nicht kostendeckend vergütet. Trotz zwischenzeitlicher Rationalisierungsund Optimierungsbemühungen beträgt das jährliche Defizit der ärztlichen und zahnärztlichen Hochschulambulanzen immer noch ca. elf Millionen Euro.

Zu 2.: Es liegt Ihnen als Veröffentlichung meine Antwort auf Ihre Anfrage vom September 2004 - Drucksache 4/178 vor. Gültig ist allein die vom Wirtschaftsprüfer testierte Jahresabschlussbilanz, aus der ich zitiert habe.

Zu 3.: Diese Fragestellung suggeriert, dass sich das Universitätsklinikum Jena aus defizitär und profitabel arbeitenden, voneinander getrennten Einrichtungen zusammensetzt. ist nicht sachgerecht. Zudem gibt es Kliniken, die für sich genommen momentan ein positives Jahresergebnis ausweisen, ohne optimal aufgestellt zu sein. Das Ergebnis kann sich zudem von einem Tag zum anderen ändern, z. B. durch eine Neukalkulation der Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups [DRG]). Demgegenüber kann ein angeblich defizitär arbeitendes klinisch-theoretisches Institut für die Leistungserbringung des Universitätsklinikums unabdingbar sein.

Von den Krankenkassen werden nicht die Leistungen einer einzelnen Klinik vergütet, sondern die Behandlungen der kranken Versicherten. Eine stationäre Krankenbehandlung erfordert in den allermeisten Fällen das Zusammenwirken verschiedenster Fachdisziplinen. Insofern kann nur das Gesamtbetriebsergebnis eines Krankenhauses bewertet werden und nicht die Leistung einer einzelnen Klinik.

Erst wenn sich die gerade eingeführten DRG in vielen Jahren in der Praxis bewährt haben, ist ein Vergleich zwischen denselben Fachdisziplinen verschiedener Krankenhäuser möglich, der für eine Bewertung einer einzelnen Klinik unabdingbar ist.

Zu 4.: Im Bereich der Krankenversorgung wird die Erlösverbesserung durch eine Leistungssteigerung angestrebt.

Die Inbetriebnahme des 1. Bauabschnitts des Klinikumneubaus im vergangenen Jahr hat die Attraktivität des Universitätsklinikums Jena für Patienten deutlich erhöht. Gleichzeitig erfolgt durch einen sparsameren Ressourceneinsatz eine Kostendämpfung.

Auch die Medizinische Fakultät hat ihrerseits in den vergangenen Jahren durch die Schließung bzw. Zusammenlegung von sieben Instituten im Forschungsbereich hierzu einen Konsolidierungsbeitrag geleistet.

Die Steuerung der Kliniken erfolgt seit 2004 über ein Führungs- und Steuerungssystem im Sinne eines Vollkostenansatzes. Einsparungen werden über Bonusmodelle unterstützt.

Dem Thüringer Kultusministerium liegen keine Vorschläge des Klinikumsvorstandes vor, die nicht umgesetzt werden können.

Zu 5.: Eine Rechtsformänderung allein bewirkt keine Umsetzung von Maßnahmen. Sie kann aber mit einer Neuorganisation der Entscheidungsgremien und mit einer straffen Kompetenzzuordnung verbunden sein. Dies kann im Ergebnis zu einer schnelleren und effektiveren Entscheidungsfindung führen und somit die Wirtschaftlichkeit des Klinikums stärken.

Zu 6.: Der Klinikumsvorstand schloss mit denjenigen Einrichtungen keine Budgetvereinbarungen ab, in denen aufgrund der anstehenden Neuberufungen inhaltliche Neuausrichtungen zu erwarten sind und somit realistische Zielvorgaben nicht möglich waren. Dieses Vorgehen ist im Sinne einer Übergangsregelung zu sehen.

Zu 7.: Der Klinikumsvorstand und das Thüringer Kultusministerium haben mit neun Hochschullehrern Vertragsverhandlungen begonnen, davon konnte bisher eine erfolgreich abgeschlossen werden.

Zu 8.: Gemäß § 13 Abs. 1 der Thüringer Hochschulnebentätigkeitsverordnung gilt für Leiter mit Aufgaben in der Krankenversorgung die Behandlung von stationären Privatpatienten als allgemein genehmigt, soweit hierfür von der obersten Dienstbehörde Krankenbetten zur Verfügung gestellt werden.

Die persönliche Beratung, Untersuchung oder Behandlung der Privatpatienten muss grundsätzlich von dem Leiter der Einrichtung selbst erbracht werden. Nachgeordnete Ärzte dürfen nur unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung herangezogen werden. Eine Vertretung durch einen anderen Arzt ist nur zulässig bei Verhinderung wegen Urlaub, Krankheit oder auswärtiger Dienstaufgaben (§ 13 Abs. 3 Die Inanspruchnahme des Personals gilt den Leitern der mit Aufgaben in der Krankenversorgung nach § 100 eingerichteten Abteilungen als allgemein genehmigt, soweit dienstliche Interessen nicht beeinträchtigt werden (§ 20 Abs. 4 Für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherren hat der Abteilungsleiter ein angemessenes Entgelt (Kostenerstattung und Vorteilsausgleich) zu entrichten (§ 21 Abs. 1 Mit diesem Entgelt werden die Kosten für die Inanspruchnahme von Personal innerhalb derer Arbeitszeiten gegenüber dem Klinikum abgegolten.

Zu 9.: Gemäß § 20 Abs. 4 wird die Zahl der Krankenbetten, die für die Privatbehandlung in Anspruch genommen werden dürfen, von der obersten Dienstbehörde bestimmt; sie soll zehn vom Hundert der Gesamtbettenzahl der Klinik nicht überschreiten. In diesem Rahmen können in den einzelnen Abteilungen bis zu 15 vom Hundert der belegten Betten in Anspruch genommen werden. Die Vom-Hundert-Sätze nach den vorgenannten Sätzen beziehen sich auf die durchschnittliche Belegung im Kalenderjahr.

Der Anteil der dafür tatsächlich genutzten Betten beträgt beim Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena derzeit 1,54 Prozent der Gesamtbettenkapazität, eine Beschränkung durch die oberste Dienstbehörde ist daher derzeit nicht notwendig.

Zu 10.: Der Investitionsaufwand für Betten der Privatliquidation unterscheidet sich nicht vom sonstigen Investitionsaufwand pro Bett. Zugrunde zu legen sind 60 Quadratmeter pro Bett (ohne Forschungsflächen). Eine weitere Differenzierung liegt nicht vor.

Zu 11.: Der Anteil der Entschädigung aus der Behandlung von Patienten mit der Wahlleistung Arzt, das heißt, der Vorteilsausgleich und das Nutzungsentgelt sind gemäß Bundespflegesatzverordnung und der Thüringer Hochschulnebentätigkeitsverordnung wie folgt geregelt: Vorteilsausgleich: 15 Prozent der Einnahmen, Nutzungsentgelt: 20 Prozent für Einnahmen aus ärztlichen Leistungen bzw. 40 Prozent bei Einnahmen bei technischen Leistungen.

Zu 12.: Die Kosten betrugen 2 458 113 Euro, die Finanzierung erfolgte ohne zusätzlich bereitgestellte Mittel aus dem Wirtschaftsplan des Klinikums.

Zu 13.: Der Anteil der Verwaltungsbereiche an den gesamten Personalkosten des Geschäftsbereichs Jena entwickelte sich in den Jahren 2001 bis 2004 wie folgt:

Der Anstieg im Jahr 2002 resultierte aus der Übernahme von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Zentralen Gehaltsstelle des Freistaats Thüringen durch das Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Diesem Verwaltungspersonal obliegen auch die Verwaltungsaufgaben für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Zahnmedizin, der Rechtsmedizin und der Erfurter Arbeitsgruppen; deren Personalkosten wurden nicht berücksichtigt. Sobald konkrete Umsetzungsmöglichkeiten erkennbar sind, wird der Personalrat des Klinikums der Friedrich-Schiller-Universität Jena in die Entscheidungsfindung eingebunden.