Gesetz

4. Wahlperiode zu Drucksache 4/588

25.02.

Beschluss gemäß § 60 Abs. 2 Thüringer Landeswahlgesetz

Der Landtag hat in seiner 13. Sitzung am 25. Februar 2005 folgenden Beschluss gefasst:

In der Wahlanfechtungssache der Bürgerlichen Sozialen Union - BSU -, Pfisterstraße 19, 96050 Bamberg, vertreten durch den Bundesvorsitzenden Dettleff W. Schilde und den ersten stellvertretenden Bundesvorsitzenden Richard M. Kneschke

- Az.: 1 215.3/04 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Thüringer Landtag am 13. Juni 2004 beschließt der Landtag:

Der Einspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Mit Schreiben vom 31. Juli 2004, beim Landtag eingegangen am 4. August 2004, hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Thüringer Landtag eingelegt.

Zur Begründung hat die Einspruchsführerin geltend gemacht, dass durch Angehörige der SPD Wahlplakataufsteller der BSU im Wahlkampf für die Landtagswahl in Thüringen entwendet worden seien und mit Wahlaufrufen für die SPD überklebt worden seien. Mit diesem Vorgehen sei der Wahlkampf der BSU nachhaltig beeinträchtigt und behindert worden. Die Wahlplakatierung der BSU mit 16 000 DIN A 2-Plakaten und weiteren 4 000 DINA3-Plakaten sei durch Wegnahme, Demolierung, Überklebung und Verunstaltung auf ein Minimalmaß reduziert gewesen; gut 400 Plakate seien demoliert und 80 Wahlplakate verunstaltet worden.

Zum Nachweis der Behinderungen wurden vier unterschiedliche Fotos vorgelegt, auf denen Wahlplakate der BSU zu sehen sind, die jeweils überklebt sind mit Wahlaufrufen unter der Überschrift Kreistagswahl am 27.06.2004 für einen Kandidaten der Liste der SPD, dessen Name mit dem Zusatz Bürgermeister in Schweickershausen zu lesen ist.

Weiterhin wurde vorgetragen, dass man am Tag des Kanzlerbesuches in Hildburghausen Jugendliche, kenntlich mit SPD-T-Shirts bei der Demolierung, Zerstörung und Mitnahme von BSU-Wahlplakaten beobachtet habe.

Die Einspruchsführerin beantragt, den Einspruch nach § 51 Abs. 1 des mit den Anfechtungsgründen nach § 54 Abs. 3 einzuleiten und die Anerkennung der Wahlbehinderung durch die SPD, und

3. März 2004 die Anerkennung auf das Mindestmaß der erzielten Wählerstimmen von 1,0 Prozent vom Hundert der für die Liste der BSU als anrechenbare gültige Stimmen zu befinden, damit die Grundsätze des § 18 des im Umfang der staatlichen Finanzierung als erfüllt zu betrachten ist. Entscheidungsgründe:

Nach § 57Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Thüringer Landeswahlgesetzes kann der Wahlprüfungsausschuss vor seiner Beschlussfassung von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Einspruch offensichtlich unbegründet ist. Ein Antrag ist dann offensichtlich unbegründet, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Gesichtspunkt erkennbar ist, der ihm zum Erfolg verhelfen kann. Dabei setzt die Beurteilung nicht voraus, dass die Unbegründetheit des Rechtsbehelfs auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein 89, 243, 250).

Der Wahlprüfungsausschuss des Thüringer Landtags kam nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass der Einspruch der BSU gegen das Ergebnis der Landtagswahl zum 4. Thüringer Landtag offensichtlich unbegründet ist und hat deshalb nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 durch einstimmigen Beschluss von einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Der Einspruch ist fristgerecht beim Thüringer Landtag eingegangen.

Zweifelhaft ist jedoch, ob der Einspruch von einem Einspruchsberechtigten im Sinne des § 53 eingelegt worden ist. Danach kann der Einspruch außer von Wahlberechtigten auch von jeder an der Wahl beteiligten Partei eingelegt werden.

Eingelegt wurde der Einspruch hier durch die Mitglieder des Bundesvorstands der Bürgerlichen Sozialen Union (BSU) mit Sitz in Bamberg, den Bundesvorsitzenden Dettleff W. Schilde und den ersten stellvertretenden Bundesvorsitzenden Richard M. Kneschke und nicht durch Mitglieder des Thüringer Landesvorstandes.

Demgegenüber wurde die Beteiligungsanzeige für die Wahl zum 4. Thüringer Landtag gemäß § 20 Abs. 2 Thüringer Landeswahlgesetz ebenso wie die gemäß § 29 Abs. 1 eingereichte Landesliste vom Landesvorsitzenden und von Mitgliedern des Landesvorstands des Thüringer Landesverbands der BSU unterzeichnet. Darüber hinaus hat auch der Bundesvorsitzende der BSU, Herr Schilde, die Beteiligungsanzeige und die Landesliste unterzeichnet, wobei seine Unterzeichnung auf der Landesliste wieder gestrichen wurde.

Die Frage, ob für die an der Wahl beteiligte Partei im Sinne des § 53 auch die Mitglieder des Bundesvorstands der BSU einen zulässigen Einspruch als Einspruchsberechtigte einlegen können oder ob dies - entsprechend den Regelungen zur Beteiligungsanzeige und zur Einreichung der Landesliste - durch Mitglieder des Landesvorstands zu erfolgen hat, kann hier letztlich offen bleiben.

Denn selbst wenn man für die an der Wahl beteiligte Partei im Gegensatz zu den anderen möglichen Einspruchsführern nach § 53 (d. i. jeder Wahlberechtigte und jede Gruppe von Wahlberechtigten, neben den Einspruchsberechtigten kraft Amtes) auf die eigene Beteiligung und das Wahlrecht des Einspruchsführers im Lande als Voraus setzung für das Einspruchsrecht verzichten würde, wäre der Einspruch allenfalls zulässig. Der Einspruch wäre aber jedenfalls unbegründet.

Denn ein Einspruch ist nur dann begründet und führt nach § 54 Nr. 3, § 63 Nr. 3 zur Feststellung der Ungültigkeit der Wahl im betreffenden Wahlgebiet, wenn nach dem Vorbringen des Einspruchsführers ein Tatbestand erkennbar ist, der sich als Wahlfehler qualifizieren lässt und durch genügend substantiierte Tatsachen belegt ist 40, 11, 30; 48, 271, 276; 58, 175 f.; 59, 119, 123) und die Wahlrechtbestimmungen in einer Weise verletzt worden sind, die die Verteilung der Sitze im Landtag beeinflusst.

Die BSU hat geltend gemacht, durch das Handeln von Angehörigen der SPD in ihrem Wahlkampf behindert worden zu sein; SPD-Kandidaten und -Funktionäre hätten Wahlplakataufsteller der BSU entwendet und mit Wahlaussagen der SPD überklebt.

An konkreten Angaben wurden zum einen von der BSU dem Wahlprüfungsausschuss Fotos von vier Überklebungen mit einem Plakat für die Kreistagswahl eines SPD-Kandidaten aus Schweickershausen (Wahlkreis Hildburghausen I) vorgelegt. Zum anderen wurde vorgetragen, dass man am Tag des Kanzlerbesuches in Hildburghausen Jugendliche, kenntlich mit SPD-T-Shirts in Hildburghausen bei der Demolierung beobachtet habe.

Im Übrigen wird lediglich behauptet, dass man im gesamten Bundesland Thüringen abgerissene, zertretene, demolierte Plakate gefunden habe und man bei der am 30. Juni 2004 abgeschlossenen Rückholaktion - also zirka zwei Wochen nach der Landtagswahl am 13. Juni 2004 und nach der zwischenzeitlich durchgeführten Kommunalwahl - festgestellt habe, dass von einer Druckauflage von 16 000 Plakaten und nochmals 4 000 für Rückwände und Aufsteller mehr als die Hälfte der Aufsteller fehlten, gut 400 Plakate demoliert, 80 Wahlplakate verunstaltet worden seien. Konkretere Angaben zu den jeweiligen Orten und der jeweiligen Anzahl der Plakatzerstörungen bzw. -überklebungen fehlen hierfür ebenso, wie eine Glaubhaftmachung dahin gehend, dass die Zerstörungen vor der Landtagswahl erfolgten.

Auch eine Gegenwehr durch Inanspruchnahme staatlicher Hilfe in Form von polizeilichen Strafanzeigen wird zwar allgemein behauptet, aber weder hinsichtlich Ort, Zeit und Ausmaß noch hinsichtlich des Erfolgs der Maßnahmen näher belegt.

Selbst wenn man sowohl die von der BSU konkret belegten Plakatüberklebungen mit Wahlwerbung für den Kreistagskandidaten der SPD aus Schweickershausen als wahr unterstellen würde - obwohl der Betreffende in einer gegenüber dem Wahlprüfungssausschuss sowohl ein eigenes Handeln als auch die Kenntnis von derartigen Überklebungen bestritten hat - und auch die von der BSU vorgetragenen Angaben mehr als die Hälfte der Aufsteller fehlten, gut 400 Plakate (wurden) demoliert und 80 Wahlplakate verunstaltet als wahr unterstellen würde, läge damit immer noch kein ausreichender Sachvortrag für einen Wahlfehler im Sinne des § 54 Nr. 3 vor.

Denn nach der vom Bundesverfassungsgericht bestätigten 103, 111, 127 ff., 133) Rechtsprechung des Hamburgischen Verfassungsgerichts vom 26. November 1998 1999, 354, 355) - zur Behinderung des Wahlkampfes durch private Dritte in Form von Plakatzerstörungen - führt gesetzwidriges Handeln von Parteien, gesellschaftlichen Gruppen oder sonstigen Dritten nicht grundsätzlich zu Wahlfehlern.