Darlehen

Die Mutter des gemeinsamen Kindes erstrebte von ihm die Zahlung von Unterhalt. Da sie sich über die Höhe des ihr bzw. ihrem Kind zustehenden Betrages im Unklaren war, ließ sie sich durch das zuständige Jugendamt beraten. Dieses war gern bereit, der Mutter zu helfen. Es schrieb einen Brief an den Petenten, den unterhaltspflichtigen Vater des Kindes, in dem er zur Zahlung von Unterhalt in der vom Jugendamt errechneten Höhe aufgefordert wurde. Der von ihm geforderte Zahlbetrag war jedoch derartig hoch, dass er ihn angesichts seines momentan nur relativ geringen Einkommens weder nachvollziehen noch bezahlen konnte. Er bat daher den Bürgerbeauftragten, ihn in dieser für ihn nicht überschaubaren Situation zu beraten.

Da es sich hierbei um eine zivilrechtliche Angelegenheit handelte, konnte und wollte der Bürgerbeauftragte sich nicht in das Rechtsverhältnis zwischen Petent und Kind einschalten. Er sagte aber Klärung zu, wie das Jugendamt auf den auffällig hohen Betrag gekommen war.

Bei der Prüfung des Sachverhaltes stellte sich heraus, dass offenbar ohne überhaupt das Einkommen des Petenten zu ermitteln, geschweige denn es zu berücksichtigen die Regelbedarfsverordnung bei der Berechnung des Kindesunterhalts heran gezogen worden war. An Stelle dessen hätte jedoch die vom Oberlandesgericht Jena entwickelte Thüringer Tabelle für den Kindesunterhalt zu Grunde gelegt werden müssen. Diese stellt auf das konkrete Einkommen des Unterhaltspflichtigen ab.

Auf Hinweis des Bürgerbeauftragten ließ der Landrat die Vorgehensweise seines Jugendamtes überprüfen und kam zu dem selben Ergebnis.

Der Landrat bedankte sich für den Hinweis und stellte klar, dass die Verwaltungspraxis innerhalb des Jugendamtes umgestellt würde. Dem Petenten wurde sodann auf der Grundlage der Richtlinien des Oberlandesgerichtes der unter Berücksichtigung seines Einkommens zu zahlende Unterhalt vom Jugendamt berechnet.

Wer kontrolliert den Herzschrittmacher?

Die Trägerin eines Herzschrittmachers beklagte sich darüber, dass die turnusmäßige Kontrolle ihres Gerätes seit kurzem nicht mehr wie bisher von einem dazu ermächtigten Arzt im nahen Kreiskrankenhaus durchgeführt werden dürfe. Zuständig sei jetzt ein Arzt in einer weiter entfernten Stadt. Dies mache lange und gerade für ältere, erkrankte Menschen beschwerliche Wege nötig. Nach erfolglosen Vorsprachen bei Bürgermeister, Krankenkasse und Ärztekammer bat sie den Bürgerbeauftragten, sich dieser Angelegenheit anzunehmen.

Das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit teilte auf Nachfrage mit, dass kraft Rechtslage die ambulante Versorgung durch niedergelassene Fachkollegen der Versorgung durch Krankenhausärzte vorgehe. Zwar liege die Größe des jeweils zu versorgenden und entsprechend zu beurteilenden Gebietes fest, nicht aber die konkrete Lage des

Ortes der Versorgung innerhalb des so genannten Bedarfsplanungsgebietes.

Gerade bei hoch spezialisierten Leistungen folge hieraus ein mitunter hoher Aufwand für die Patienten. Dies wurde der Petentin erläutert, verbunden mit dem Hinweis, dass die von ihr beklagte Situation die Folge einer bundesrechtlichen Regelung (Bedarfsplanungs-Richtlinien Ärzte) ist. Wollte sie hier eine Änderung erreichen, wurde ihr geraten, sich an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu wenden.

Geborgtes Geld gleich Darlehen?

In einer sozialrechtlichen Angelegenheit wandte sich Herr S. an den Bürgerbeauftragten.

Er schilderte, sein Sohn beziehe seit Mai 2003 aus seiner selbstständigen Tätigkeit kein Einkommen mehr und erhalte auch kein Arbeitslosengeld. Deshalb habe sein Sohn mit ihm im August 2003 eine schriftliche Vereinbarung getroffen, der zufolge der Vater für den Sohn die laufenden Ausgaben für Miete und Versicherungen übernimmt und das Geld später bei wiedergekehrter finanzieller Leistungsfähigkeit des Sohnes zurückerhält.

Parallel dazu bemühte sich der Sohn um die Bewilligung von Wohngeld. Der entsprechende Antrag wurde jedoch von der Wohngeldstelle der Stadt infolge zu hoher eigener Einkünfte abgelehnt, weil die Wohngeldstelle die Zahlungen des Vaters nicht als Darlehen, sondern als Einkommen ansah. Der Petent war dagegen der Meinung, dass hier ein Darlehen gewollt gewesen sei und auch tatsächlich vorliege, so dass die Zahlungen nicht als Einkünfte angerechnet werden dürften.

Der gegen den ablehnenden Wohngeldbescheid gerichtete Widerspruch lag nach nicht erfolgter Abhilfe auch bereits dem Thüringer Landesverwaltungsamt zur Entscheidung vor. Dieses teilte dem Bürgerbeauftragten auf Nachfrage mit, dass eine Zurückweisung des Widerspruches beabsichtigt sei. Als Begründung wurde angeführt, dass im gegebenen Fall kein Darlehen im Sinne des § 10 Wohngeldgesetz in Verbindung mit Nr. 10.21 der Wohngeldverwaltungsvorschrift vorliege. Die Voraussetzungen, die das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in § 488 für einen Darlehensvertrag vorschreibe, seien hier nicht gegeben. Insbesondere fehle es an einer verbindlichen Rückzahlungsklausel sowie der eindeutigen Bestimmung der Darlehenshöhe und der Laufzeit.

Der Bürgerbeauftragte hat sich dieser Sicht der Dinge nicht angeschlossen und vor Erlass des Widerspruchsbescheides seine gegenteilige Rechtsauffassung eingebracht. Dabei hat er zunächst darauf aufmerksam gemacht, dass die zivilrechtliche Wertung als Darlehen nicht zwingend davon abhängig sei, dass eine (zeitlich) verbindliche

Rückzahlungsvereinbarung vorliege. Dies ergebe sich schon aus dem Umkehrschluss zu § 488 Absatz 3 BGB. Dafür, dass die zu Grunde liegende Vereinbarung rechtlich als Darlehen angesehen werden könne, genüge der übereinstimmende Parteiwille zur Rückerstattung. In diesem Zusammenhang hat der Bürgerbeauftragte auf § 133 BGB verwiesen, wonach bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Zudem seien Verträge gemäß § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Auf den Fall bezogen bedeutete das, dass sich Vater und Sohn in ihrem jeweiligen rechtsgeschäftlichen Willen in Bezug auf die Sache einig waren: Herr S. senior wollte seinem Sohn zinslos übergangsweise Geld borgen, das Herr S. junior bei entsprechender Zahlungsunfähigkeit zurückerstatten wollte. Diese Zielsetzung entspricht der Rechtsfigur eines Darlehens.

Besonders deutlich wird dies auch daran, dass Herr S. senior selbst ein Darlehen aufgenommen hatte, um seinem Sohn finanziell behilflich sein zu können. Partner der hier zur Debatte stehenden Übereinkunft waren im Übrigen zwei Parteien, denen der Inhalt rechtlicher Normen (§ 488 BGB) und daraus resultierende formal-juristische Erfordernisse unbekannt waren und sind. Bei vernünftiger Betrachtung konnte von den Vertragspartnern deshalb nicht verlangt werden, dass sie einen aus formaljuristischer Sicht gleichsam mängelfreien Darlehensvertrag aufsetzen.

Vielmehr dürfte es im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in einem solchen Fall die Regel sein, dass gerade kein fester Rückzahlungstermin vereinbart wird, sondern dass die Tilgung bei Solvenz erfolgt.

Aus all dem aber folgt, dass der Umstand des Fehlens diverser formaljuristisch für notwendig gehaltener Inhalte den Parteien nicht zu ihrem Nachteil vorgehalten werden kann. Entscheidend war nach Ansicht des Bürgerbeauftragten, was hier übereinstimmend gewollt war. Dies jedoch war eindeutig ein Darlehen und es würde an der Sache vorbeigehen, zum Nachteil der Parteien mit Umständen zu argumentieren, von denen die Parteien bei lebensnaher Betrachtung nichts wissen und die sie deshalb auch nicht berücksichtigen konnten.

Dieser Argumentation des Bürgerbeauftragten hat sich das Thüringer Landesverwaltungsamt letztlich angeschlossen und hat auch unter Bezugnahme auf eine wenige Monate alte verwaltungsgerichtliche Entscheidung zu der hier zu entscheidenden Frage den ablehnenden Bescheid der Wohngeldstelle aufgehoben. Durch den Bürgerbeauftragten wurde damit erreicht, dass der Sohn des Petenten die erstrebten Zahlungen nun doch noch erhalten konnte.