Gesetz
Gesetz zur Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes und des Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetzes
A. Problem und Regelungsbedürfnis Untersuchungsausschüsse sind das weitreichendste Kontrollinstrument des Parlaments gegenüber der Regierung. Da die Mehrheitsfraktion
- so zeigt die politische Praxis - vor allem eine regierungstragende Funktion einnimmt, ist es vor allem Sache der Opposition, die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung auszuüben.
Ausgehend von diesen Tatsachen dient ein Untersuchungsausschussgesetz dazu, die Wahrnahme der demokratischen Kontrollfunktion des Parlaments so weitgehend wie möglich zu sichern - gerade für die (oppositionelle) Minderheit im Parlament. Die Durchsetzung des Kontrollrechts wird vor allem durch die entsprechende Ausgestaltung der Verfahrensvorschriften gewährleistet, insbesondere durch Schaffung wirksamer Minderheitenrechte.
Untersuchungsausschüsse üben ihre Kontrollfunktion vor allem dadurch aus, dass ihnen ermöglicht wird, die zur Untersuchung gestellten Sachverhalte mit Instrumentarien aufzuklären und zu bewerten, die mit dem Vorgehen eines Gerichts bei der Sachverhaltsermittlung zu vergleichen sind. Daher sind die Regelungen zur Beweisaufnahme und deren Ausgestaltung faktisch das Kernstück eines Untersuchungsausschussgesetzes.
Da es bei Thematiken der Untersuchungsausschüsse in den meisten Fällen um den Nachweis von Fehlern der Regierung bei ihrem politischen Handeln geht, liegt es nahe, für die Ausgestaltung des einem Gerichtsverfahren ähnlichen Vorgehens des Ausschusses Regelungen und Strukturen des Strafprozesses heranzuziehen und gegebenenfalls zu modifizieren. Zu berücksichtigen ist, dass das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss - anders als ein (übliches) Strafverfahren - in einem politisierten Umfeld und mit sich politisch konträr gegenüberstehenden Beteiligten stattfindet. Es geht in einem Untersuchungsausschuss nicht um den Nachweis strafrechtlicher Verantwortlichkeit und ihrer Sanktionierung, sondern um die Aufklärung von Sachverhalten, deren politische Bewertung und die Feststellung der politischen Verantwortlichkeit.
Im Hinblick auf diese Funktion kann das Untersuchungsinstrumentarium des Untersuchungsausschusses flexibler gestaltet werden als im Strafprozess.
Ein Untersuchungsausschuss erfüllt seine Kontrollfunktion schließlich über die Veröffentlichung seiner Untersuchungsergebnisse und dadurch, dass die Öffentlichkeit über den Abschlussbericht hinaus die Möglichkeit hat, sich über die Vorgänge im und die Ergebnisse des Ausschusses aus dessen Unterlagen zu informieren. Hier kommt letztlich die demokratische Kontrolle der Regierung und auch des Parlaments durch die gesellschaftliche Öffentlichkeit zum Tragen. Wichtig ist daher, inwieweit der Abschlussbericht die tatsächlichen Ergebnisse der Arbeit des Untersuchungsausschusses, den Verfahrensverlauf, der zu diesen Ergebnissen geführt hat, widerspiegelt und der kritischen bzw. oppositionellen Minderheit die Möglichkeit gibt, ihre Sichtweise auf die Dinge in umfassender Darstellung in den Abschlussbericht einzubringen.
Misst man das in Thüringen geltende und zur Konkretisierung des Artikels 64 der Verfassung des Freistaats Thüringen erlassene Untersuchungsausschußgesetz an den oben die sich aus eben dieser Verfassungsnorm und dem Demokratieprinzip ergeben, so muss man auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Untersuchungsausschüssen der vergangenen Wahlperioden zu dem Ergebnis kommen, dass das Gesetz in wichtigen Punkten nicht den Anforderungen genügt. An nicht wenigen Normen des Gesetzes lässt sich ablesen, dass gerade die Rechte der Opposition im geltenden Gesetz nicht in dem Maße ausgestaltet sind, wie dies Artikel 64 der Verfassung des Freistaats Thüringen nahe legt.
Diese Tendenz des geltenden Gesetzes widerspricht nicht zuletzt dem Artikel 59 der Verfassung des Freistaats Thüringen, der die besondere Bedeutung der Opposition für eine funktionierende Demokratie und das Recht auf Chancengleichheit festschreibt. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sind bei der Ausgestaltung der Normen des Untersuchungsausschussgesetzes deutlicher zu berücksichtigen.
Hinzu kommt, dass Dritte, deren Belange von Untersuchungsausschüssen berührt werden können, z. B. Unternehmen und Unternehmer, die mit der staatlichen Ebene in Kontakt stehen oder an denen der Freistaat sogar beteiligt ist, nach geltendem Recht Schutzrechte zur Verfügung haben, die in diesem Umfang zum Schutz ihrer Interessen gar nicht notwendig sind, die die Kontrollrechte des Parlaments aber spürbar einschränken.
B. Lösung:
Das geltende Thüringer Untersuchungsausschußgesetz muss daher so novelliert werden, dass seine bisherige Tendenz, eher ein Schutzinstrument der Regierung zu sein, so verändert wird, dass es zu einem wirksamen Kontrollwerkzeug des Parlaments - insbesondere der Opposition als Minderheit - gegenüber der Regierung wird, nicht zuletzt durch eine weitgehend ungehinderte und unabhängige Sachverhaltsaufklärung.
Zur Stärkung der Rechte von Untersuchungsausschüssen, insbesondere solcher auf Grundlage eines Minderheitenantrags, sind unter anderem folgende Änderungen notwendig:
- Festlegung und mögliche Ausweitung des Untersuchungsauftrags müssen vor allem bei einem von einer Parlaments-Minderheit beantragten Ausschuss der Beeinflussung durch die (regierungstragende) Mehrheit weitgehend entzogen werden;
- die Einsetzung eines Unterausschusses zur Vorbereitung der Sachverhaltsaufklärung oder zur Beweisaufnahme muss Minderheitenrecht werden;
- auch im Thüringer Untersuchungsausschußgesetz muss das Institut des unabhängigen Ermittlungsbeauftragten eingeführt und als Minderheitenrecht ausgestaltet werden;
- die Rechte fraktionsloser Abgeordneter werden gestärkt;
- Katalog und Reichweite für die Zulassung von Beweisanträgen und die Herausgabe von Akten sowie der Gründe für der Öffentlichkeit werden auf das notwendige Maß beschränkt;
- im Hinblick auf Untersuchungsausschüsse, deren Untersuchungsgegenstände auch privatwirtschaftliche Sachverhalte berühren, wird der bisher geltende Betroffenen-Status auf das notwendige Maß zurückgeführt;
- der Entwurf des Abschlussberichts wird von einem paritätisch besetzten Unterausschuss verfasst. Die Ausschuss-Minderheit erhält das Recht zu einem umfassenden geschlossenen Sondervotum (alternativer Abschlussbericht).
- Der Öffentlichkeit, z. B. Universitäten und Journalisten, wird ein leichterer Zugang zu den Unterlagen von Untersuchungsausschüssen verschafft. Mehrkosten im Vergleich zur bisherigen Gesetzeslage könnten durch für einen Ermittlungsbeauftragten entstehen. Die Höhe dieser Mehrkosten lässt sich wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Ermittlungsaufträge im konkreten Einzelfall an dieser Stelle noch nicht beziffern.