Gesundheitsmodernisierungsgesetz

Seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz gibt es seit Januar 2004 die als Rechtsverordnung erlassene Wirtschaftlichkeitsprüfungsverordnung. Seitdem gibt es in Thüringen nur noch einen gemeinsamen Prüfungsausschuss und als Widerspruchsinstanz den Beschwerdeausschuss

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie ist die (namentliche) Zusammensetzung des gemeinsamen Prüfungsausschusses?

2. Wie oft und aus welchem Anlass ist der Prüfungsausschuss seit In-Kraft-Treten der Rechtsverordnung von Januar 2004 bis Juni 2005 zusammengekommen und hat beraten?

3. Welche Ergebnisse bzw. Maßnahmen mit welchem Erfolg hat der Prüfungsausschuss seitdem aufzuweisen?

4. In wie vielen Fällen, die der Prüfungsausschuss behandelte, wurden Vorprüfungen durch einen Prüfungsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung in Thüringen vorgenommen?

5. Nach welchen Kriterien werden von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses die Abrechnungs- und Verordnungsdaten des Arztes bewertet? Welche fachlichen Qualifikationen besitzen die Vertreter der Krankenkassen zur Bewertung dieser Daten?

6. Wie viele Prüfungen der Wirtschaftlichkeit wurden nach Rentnerfallkosten durchgeführt?

7. Mit welcher Häufigkeit werden welche Prüfungsmethoden in Thüringen angewendet? Wie oft wird dabei die Prüfung von Sprechstundenbedarf vorgenommen?

8. Mit welcher Häufigkeit und mit welcher Begründung werden welche Prüfungsarten - Zufälligkeits-(Stichproben-)Prüfung, Plausibilitätsprüfung - angewendet und mit welchem Ergebnis?

9. Wie viele Arztpraxen in Thüringen weisen Praxisbesonderheiten auf? Welche Begründung gibt es für die Praxisbesonderheiten?

10. Gab es Praxisbescheide, die wegen ihres Begründungsmangels als rechtswidrig aufzuheben waren?

11. Wie oft wurde im oben genannten Zeitraum der Beschwerdeausschuss tätig und mit welchem Ergebnis?

12. Wie und in welchem Bereich der zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Landes wurde die Aufsicht über den Prüfungs- und Beschwerdeausschuss vorgenommen? Musste die Aufsichtsbehörde aus formalen oder anderen Gründen tätig werden?

13. Gab oder gibt es in Thüringen Klagen vor dem Sozialgericht, weil der Beschwerdeausschuss dem Widerspruch nicht oder nicht vollständig abhelfen konnte?

Das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 9. November 2005 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Die Beantwortung der Fragen erfolgt auf der Basis von Stellungnahmen der Krankenkassen bzw. ihrer Verbände sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT) und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Thüringen (KZV).

Zu 1.: Die gemeinsamen Prüfungsausschüsse sind paritätisch mit jeweils drei Vertretern der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung besetzt. Den Vorsitz der Ausschüsse führt jeweils ein unparteiischer Vorsitzender. Die namentliche Benennung der Vertreter ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht angezeigt.

Zu 2.: Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen ist von Januar 2004 bis Juni 2005 zu 69 Beratungen zusammengekommen. Als Anlass der Beratungen wurden zum einen Beschlussfassung über die Einleitung der Prüfung von Amts wegen nach Auswertung der entsprechenden Daten, zum anderen die Durchführung von Prüfverfahren angegeben.

Der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen ist im gesamten Zeitraum zu 124 Sitzungen zusammengetreten. Inhalt der Prüfungen waren konservierend-chirurgische Quartalsabrechnungen, Abrechnungen von systematischen Parodontalbehandlungen, Quartalsverordnungen von Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen von Arzneimitteln.

Zu 3.: Nach Mitteilung der KVT beschließt der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen sowohl Beratungsmaßnahmen als auch honorarwirksame Kürzungsmaßnahmen. Die Regresse fließen bei Honorarprüfungsmaßnahmen in die vertragsärztliche Gesamtvergütung zurück; bei Verordnungsprüfungen werden sie an die beteiligten Krankenkassen zurückgezahlt.

Wie die KVT mitteilte, sind im Bereich der Honorarprüfungen seit dem 1. Januar 2004 ca. 880 Prüfverfahren durchgeführt worden, die in ca. 80 Prozent Kürzungsmaßnahmen zum Inhalt hatten. Bei der Verordnungsprüfung sind ca. 1 500 Prüfverfahren durchgeführt worden, die in ca. 70 Prozent zu einem Regress führten.

Etwa die Hälfte davon betraf Einzelfallprüfungen.

Es fanden ca. 180 Heilmittelprüfungen statt. Dabei wurde in ca. 70 Prozent der Fälle eine Regressmaßnahme beschlossen.

Die KZV teilte mit, dass durch den Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen im Jahr 2004 im konservierend-chirurgischen Leistungsbereich in 190 Fällen auf eine Kürzung, in 45 Fällen auf eine Beratung, in elf Fällen auf einen Hinweis und in 39 Fällen auf beanstandungsfrei erkannt wurde. In 33 Fällen wurden Prüfanträge aufgrund der sachverhaltserklärenden Stellungnahme des Zahnarztes durch die Krankenkassen zurückgenommen. 23 Entscheidungen sind durch Widerspruch angegriffen worden.

Im Leistungsbereich der systematischen Parodontalbehandlung wurden im Jahr 2004 durch den Prüfungsausschuss in 133 Fällen auf eine Kürzung, in drei Fällen auf eine Beratung, in drei Fällen auf einen Hinweis und in 72 Fällen auf beanstandungsfrei erkannt. In 34 Fällen wurden Prüfungsanträge aufgrund der sachverhaltserklärenden Stellungnahme des Zahnarztes durch die Krankenkassen zurückgenommen. Fünf Entscheidungen sind durch Widerspruch angegriffen worden.

Bezüglich der Prüfung von Verordnungen von Sprechstundenbedarf erkannte in 2004 der Prüfungsausschuss in 190 Fällen auf eine Kürzung, in 45 Fällen auf eine Beratung, in elf Fällen auf einen Hinweis und in 39 Fällen auf beanstandungsfrei. In 33 Fällen wurden Prüfanträge aufgrund der sachverhaltserklärenden Stellungnahme des Zahnarztes durch die Krankenkassen zurückgenommen. 23 Entscheidungen sind durch Widerspruch angegriffen worden.

Im Jahr 2004 wurden 14 Einzelverordnungen von Arzneimitteln geprüft und belastet. Hiergegen wurden keine Widersprüche erhoben.

Zu 4.: Von der KVT wurden keine Vorprüfungen vorgenommen.

Die KZV teilte mit, dass eine so genannte Vorauswahl stattfindet. Hierbei werden die statistischen Unterlagen von Vertretern der Krankenkassen und der Zahnärzte dahin gehend überprüft, ob sich ggf. vorhandene Auffälligkeiten bereits aus der Gesamtschau heraus klären lassen.

Der Prüfungsausschuss beauftragt in Vorbereitung jeder Sitzung ein Mitglied des Ausschusses, welches Zahnarzt sein muss, mit der Aufgabe des Berichterstatters. Dieser bereitet für den Ausschuss die zu bewertenden Fachfragen vor, die durch den gesamten Ausschuss mit dem zu prüfenden Zahnarzt in dem Prüfgespräch zu besprechen sind.

Zu 5.: Nach Mitteilung der KVT findet eine Prüfung eines Arztes statt, wenn der statistische Vergleich mit den Kollegen der Fachgruppe Anlass für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gibt (Prüfung nach Richtgrößen und Durchschnittswerteprüfung) oder ein Antrag gestellt wird (Prüfung im Einzelfall). Ein weiterer Prüfanlass kann die zufällige Auswahl im Rahmen der Stichprobenprüfung sein.

Nach Mitteilung der KZV entscheidet der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen auf der Grundlage der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Prüfmethode. Hierbei sind die statistische Vergleichswertmethode, die repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung und die Einzelfallprüfung in ihren jeweiligen Ausgestaltungen zulässig.

Gemäß Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) ist die statistische Vergleichswertmethode Regelprüfmethode. Hierbei wird die Abrechnungsstatistik des zu prüfenden Zahnarztes in das Verhältnis zur Vergleichsgruppe gestellt. Nach Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Einsparungen wird der unwirtschaftliche Mehraufwand ermittelt und eine angemessene Prüfungsmaßnahme festgelegt.

Zur Überprüfung des sich hiernach nach statistisch-mathematischen Grundsätzen ermittelten Ergebnisses wird im Wege einer Gegenprobe eine aussagefähige Anzahl von nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Einzelfällen besprochen. Soweit sich das statistische Ergebnis nicht oder nur relativ bestätigt, ist dies in der Entscheidung zu berücksichtigen.

Nach Auskunft der Krankenkassen werden in die Prüfungsausschüsse Mitarbeiter entsandt, die über vertiefte Kenntnisse der Regelwerke für die vertragsärztliche/vertragszahnärztliche Versorgung, Berufserfahrung im Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung, Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung und in der Regel über langjährige Erfahrung in der Wirtschaftlichkeitsprüfung verfügen. Außerdem hat die überwiegende Zahl dieser Mitarbeiter eine akademische Ausbildung.

Zu 6.: Nach Kenntnis der Landesregierung wurden keine speziellen Rentnerfallkostenprüfungen durchgeführt.

Zu 7.: Die seit 2004 vom Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen angewandten Prüfmethoden sind:

· Richtgrößenprüfungen ca. 15 Prozent der Verfahren

· Einzelfallprüfungen ca. 35 Prozent

· Prüfungen nach Durchschnittswerten ca. 50 Prozent

Aufgrund fehlender Daten werden derzeit keine Durchschnittsprüfungen im Bereich Sprechstundenbedarf durchgeführt; dem Prüfungsausschuss liegen 30 Einzelfallprüfanträge vor.

Nach Mitteilung der KZV erfolgt hinsichtlich der Prüfmethoden keine statistische Erfassung. Grundsätzlich wird im Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen und beim Sprechstundenbedarf die statistische Vergleichsmethode; im Bereich Parodontologie und Einzelverordnung die Einzelfallprüfung angewendet. Es wurden 308 Sprechstundenbedarfsverordnungen aufgrund der Gegenüberstellung von Komplementärleistungen zum Verordnungsumfang des Jahres 2004 geprüft.

Zu 8.: Stichprobenprüfungen wurden in Thüringen (noch) nicht durchgeführt. Plausibilitätsprüfungen fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Prüfungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen; hierfür ist die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen zuständig. Im kassenzahnärztlichen Bereich erfolgt eine Prüfung nach Durchschnittswerten sowie Einzelfallprüfungen.

Zu 9.: Entsprechende Daten liegen nicht vor, weil über Praxisbesonderheiten keine Statistiken zu führen sind.

Vom 1. Januar 2004 bis zum 30. Juni 2005 hat der Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenkassen 26 mal getagt. Es wurden ca. 600 Verfahren abgeschlossen, wobei es sich etwa zu 65 Prozent um Vergleichsabschlüsse handelte.

Der Beschwerdeausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen hat im Zeitraum 1. Januar 2004 bis 28. September 2005 54 Widersprüche gegen Entscheidungen des Prüfungsausschusses behandelt. Hiervon wurden bisher 44 Fälle beschieden. In drei Fällen blieb es bei der Entscheidung des Prüfungsausschusses. In zehn Fällen wurden die Maßnahmen gemildert bzw. in elf Fällen erweitert. In 20 Fällen wurde der Widerspruch zurückgenommen. In acht Fällen wurde Klage beim Sozialgericht erhoben.

Zu 12.: Die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse erstellen jährlich eine Übersicht über die Zahl der durchgeführten Beratungen und Prüfungen sowie die von ihnen festgesetzten Maßnahmen und legen diese der Aufsichtsbehörde vor. Für eine (weiter gehende) aufsichtsrechtliche Befassung bestand kein Anlass.

Zu 13.: Derzeit sind 81 Verfahren von Ärzten bzw. 27 Verfahren von Zahnärzten anhängig.