Disziplinarverfahren

Staatssekretäre sind politische Beamte, für die abgesehen von der Möglichkeit, jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt zu werden, das allgemeine Beamtenrecht gilt. Ministerpräsident Althaus hat ausweislich der Pressemitteilung 204/05 der Thüringer Staatskanzlei den Wutanfall von Staatssekretär Baldus, der in eine Geburtstagsfeier eingedrungen, mit einer Flasche und einem Aschenbecher geworfen sowie eine Stereoanlage attackiert haben soll, scharf missbilligt. Der Ministerpräsident fügte hinzu, dass eine Neubewertung der Angelegenheit notwendig werde, falls Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein von der Einlassung des Staatssekretärs abweichendes Bild von den Abläufen ergeben würde.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Ministerpräsident Althaus verpflichtet ist, unabhängig von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ein Disziplinarverfahren gegen Staatssekretär Baldus einzuleiten und den Vorfall in diesem Verfahren aufklären zu lassen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Findet auf politische Beamte wie Staatssekretäre das Disziplinarrecht Anwendung?

2. In wie vielen Fällen wurde seit dem 1. Januar 2002 in der Landesregierung wegen außerdienstlichen Fehlverhaltens gegen Beamte und Richter ein Disziplinarverfahren eingeleitet (Anonymisierte Aufstellung nach Besoldungsgruppe, Behörde im Geschäftsbereich des Innenministeriums getrennt nach Polizei und sonstigen Beamten, nach Deliktgruppen wie Sachbeschädigung, Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Trunkenheit am Steuer usw.)?

3. Besteht eine gesetzliche Verpflichtung, wenn der Verdacht eines Dienstvergehens vorliegt, gegen politische Beamte ein Disziplinarverfahren einzuleiten? Wenn ja, weshalb wurde gegen Staatssekretär Baldus noch kein Disziplinarverfahren eingeleitet?

4. Welche Sanktionen sind vorgesehen, wenn Dienstvorgesetzte kein Disziplinarverfahren einleiten, obwohl sie dazu verpflichtet sind?

5. Wie will die Landesregierung im Zusammenhang mit den gegenüber Staatssekretär Baldus erhobenen Vorwürfen weiter verfahren?

Das Thüringer Justizministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 24. Januar 2006 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: ja.

Zu 2.: Im Geschäftsbereich des Thüringer Innenministeriums wurde seit dem 1. Januar 2002 in folgenden Fällen wegen außerdienstlichen Fehlverhaltens gegen Beamte ein Disziplinarverfahren eingeleitet: Nachgeordneter Polizeibereich (betroffen sind die Polizeidirektionen Gera, Gotha, Jena, Nordhausen, Saalfeld und Suhl sowie Landeskriminalamt und Bildungszentrum der Thüringer Polizei):

· einer wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruchs durch einen Beamten des gehobenen Dienstes,

· einer wegen des Verdachts der Urkundenfälschung durch einen Beamten des mittleren Dienstes,

· zwei wegen des Verdachts schuldhaft verursachter außerdienstlicher Verkehrsunfälle durch einen Beamten des höheren und einen Beamten des mittleren Dienstes,

· einer wegen des Verdachts der Unterschlagung durch einen Beamten des mittleren Dienstes,

· fünf wegen des Verdachts der Körperverletzung durch vier Beamte des gehobenen und einen Beamten des mittleren Dienstes,

· 16 wegen des Verdachts des Diebstahls durch Beamte des mittleren Dienstes.

Betroffen sind bis auf eine Ausnahme nur Polizeivollzugsbeamte. Die Disziplinarverfahren sind zum Teil noch nicht abgeschlossen bzw. endeten mit der Einstellung der Verfahren.

Auf die jeweilige Zuordnung der personalführenden Dienststelle zum Pflichtverstoß sowie die Angabe der konkreten Besoldungsgruppe wurde wegen der Möglichkeit des Rückschlusses auf die konkrete Person verzichtet.

Übriger Geschäftsbereich des Thüringer Innenministeriums:

· ein Disziplinarverfahren gegen einen Beamten A 13 wegen des Verdachts der Trunkenheit im Verkehr.

Der Verdacht hat sich in diesem Verfahren, ebenso wie in einem parallel geführten Strafverfahren, nicht bestätigt.

Zu 3.: Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Thüringer Disziplinargesetzes hat der Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn konkrete Anhaltspunkte bekannt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen.

Aufgrund des Ergebnisses der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Herrn Staatssekretär Baldus lagen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Insoweit verweise ich auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 587 des Abgeordneten Gentzel (SPD) - Gründe der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Staatssekretär Baldus -.

Zu 4.: Dies könnte bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 22 Abs. 1 des Thüringer Disziplinargesetzes gegen den Dienstvorgesetzten führen.

Zu 5.: Insoweit verweise ich auf die Beantwortung der Frage 3.