Definition von Mittelstand in Deutschland und in der Europäischen Union
Im Rahmen der empirischen Wirtschaftsforschung werden Unternehmensgrößenklassen und damit korrespondierende Begriffe wie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Großunternehmen üblicherweise an Hand quantitativer Kriterien eingegrenzt. Die qualitativen Merkmale des Begriffs Mittelstand, also die Leitung des Unternehmens durch den Eigentümer oder ein Mitglied der Eigentümerfamilie, sind mit Hilfe der amtlichen Statistik schwierig zu erfassen. Deshalb erfolgt auch in diesem Mittelstandsbericht die Abgrenzung kleiner und mittlerer Unternehmen von Großunternehmen anhand quantitativer, von der amtlichen Statistik vorgegebener Kriterien, d. h. über die Größenmerkmale Beschäftigung und Umsatz.
In der Bundesrepublik Deutschland werden basierend auf der Definition des Bonn Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten oder weniger als 50 Mill. Jahresumsatz zum Mittelstand gezählt (vgl. Übersicht 1).
Übersicht 1: Quantitative Kriterien der in Deutschland gebräuchlichen Mittelstandsdefinition Unternehmensgröße Beschäftigte Umsatz/Jahr klein bis 9 bis unter 1 Mill.
Im Rahmen der Politik der Europäischen Union (EU) werden dagegen nur Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten als KMU bezeichnet (vgl. Übersicht 2). Da die EU maßgebliche Regeln für eine wettbewerbsverträgliche Wirtschaftsförderung innerhalb des europäischen Binnenmarktes erlässt, kommt dieser europäischen KMU-Definition auch für die deutsche Wirtschaftspolitik immer größere Bedeutung zu.
Nachrangig werden in der EU-Definition Grenzen für die Umsatz- und Bilanzsumme genannt, wobei die Überschreitung eines dieser beiden Kriterien der Zuordnung zur entsprechenden Größe nicht entgegensteht. Qualitative Merkmale von KMU sind allerdings gleichfalls Bestandteil der EU-Definition. Unternehmen, die zu mehr als 25 % im Eigentum einer Unter1 Die Daten für Deutschland werden vom Bonn ständig aktualisiert und sind im Internet unter www.ifm-bonn.org abrufbar. nehmensgruppierung, z. B. eines Konzerns, stehen, werden nicht als KMU eingeordnet. Damit wird auch in dieser Definition berücksichtigt, dass sich das Besondere mittelständischer Unternehmen nicht allein über quantitative Abgrenzungsmerkmale identifizieren lässt.
Qualitative, also sozioökonomische Aspekte wie die Eigentums- und Leitungsstruktur spielen bei der Darstellung des Mittelstands eine große Rolle. Für die Mehrzahl mittelständischer Unternehmen gilt, dass ihnen nur eine Person als Eigentümer leitend, planend und kontrollierend vorsteht. Die Einheit von Eigentum und Leitung, d. h. die enge Verbindung zwischen der wirtschaftlichen Existenz der leitenden Person und der des Unternehmens sowie die Verantwortlichkeit der Führungsperson für alle unternehmensrelevanten Entscheidungen und Vorgänge, ist Wesensmerkmal des Mittelstands. Aus dieser Struktur heraus entwickeln sich in mittelständischen Unternehmen im Gegensatz zu Großunternehmen persönlichere Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Führung, die sich nicht nur auf die Art der Organisation und die Kompetenzaufteilung auswirken, sondern auch auf Entgeltstrukturen und Marktstrategien.
Die wirtschaftliche Unabhängigkeit stellt ein bedeutendes konstitutives Merkmal des Mittelstands dar. Zwar führt beispielsweise die Tendenz, kleine Einheiten als Profitcenter auszugliedern, zu einer kleinteiligen Wirtschaftsstruktur; die entscheidende Führungsverantwortung liegt aber bei Konzernverbünden und i. d. R. nicht bei den Töchtern. Die kleinen örtlichen Untereinheiten, z. B. Betriebstätten oder Betriebe (zu den Begriffen siehe Kasten), agieren zwar wie kleine oder mittlere Unternehmen, entsprechen aber aufgrund der gegebenen Eigentumsverhältnisse mit den folglich eingeschränkten Entscheidungskompetenzen des Managements eher nicht dem Bild des klassischen Mittelstands.
In einer regionalwirtschaftlichen Betrachtung entsteht das Problem, die ansässigen Unternehmen ihrem jeweiligen Unternehmenssitz zuzuordnen. Will man die Bedeutung des Mittelstands für ein Land, in diesem Falle für den Freistaat Thüringen, ermitteln, so können streng genommen nur eigenständige Unternehmen mit Sitz in Thüringen als Thüringer Mit6 telstand bezeichnet werden. Betriebe von Unternehmen mit Sitz in anderen Bundesländern können zwar zu einem mittelständischen Unternehmen gehören, aber eben nicht zu einem Thüringer mittelständischen Unternehmen. Deshalb orientiert sich die Abgrenzung des Thüringer Mittelstands im Regelfall auf den Hauptsitz des Unternehmens, soweit die amtliche Statistik dazu Aussagen ermöglicht.
Die Unterscheidung von Unternehmen und Betrieben, Betriebstätten und örtlichen Einheiten
Der Begriff Unternehmen bezeichnet eine organisatorische Einheit, die zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen in der Lage ist und hierfür über die ihr zufließenden Mittel frei verfügen kann. Die amtliche Statistik geht davon aus, dass das Unternehmen einer rechtlichen Einheit entspricht. Neben der Produktionseinheit verfügt ein Unternehmen über bestimmte Hilfseinheiten wie z. B. Vertrieb, Buchführung, Personalwesen etc.
Dagegen bezeichnen die oft synonym genutzten Begriffe örtliche Einheit, Betriebstätte oder Betrieb lediglich Unternehmensteile, die geographisch, z. B. durch das Grundstück, auf dem sie angesiedelt sind, abgegrenzt werden können. Ein Unternehmen kann aus mehreren örtlichen Einheiten bestehen, die innerhalb einer Gemeinde, aber auch in verschiedenen Gemeinden oder Bundesländern liegen können. Die örtliche Einheit kann sogar einem anderen Wirtschaftszweig zugeordnet sein als das Unternehmen. So würde beispielsweise die räumlich von der Produktionseinheit getrennte Vertriebseinheit eines Maschinenbauunternehmers als örtliche Einheit dem Wirtschaftszweig Großhandel zugeordnet und nicht, wie das Unternehmen insgesamt, dem Wirtschaftszweig Maschinenbau.
Besondere Probleme bereitet eine regionalisierte Darstellung von Merkmalen. Ist das Unternehmen Gegenstand der Statistik, werden alle Merkmale dem Unternehmen und damit dem Ort des Unternehmenssitzes zugeordnet. Im obengenannten Beispiel würden die Mitarbeiter der Vertriebseinheit als Beschäftigte des Maschinenbauunternehmens am Ort seines Hauptsitzes gezählt. Ist dagegen der Betrieb Gegenstand der Statistik, werden alle Merkmale dem Betrieb und dem Ort zugeordnet, an dem der Betrieb geographisch liegt. Eine Unternehmensstatistik sagt also etwas über die Entscheidungseinheit aus, während eine Betriebsstatistik die Wertschöpfung präziser lokalisiert.
Die nachfolgende Darstellung basiert im Wesentlichen auf der Mittelstands-Definition der EU, da diese zunehmend auch die Förderpolitik bestimmt. Hauptkriterium ist dabei die Zahl der Beschäftigten, wobei die amtliche Statistik nicht den geforderten Ausweis von Jahreseinheiten ohne Auszubildende ermöglicht. Beim Kriterium Umsatzgröße bestehen ebenfalls Darstellungsprobleme, da aufgrund von Geheimhaltungspflichten für kleinere Regionen nicht die benötigten Größenklassen ausgewiesen werden. Insbesondere bei branchenspezifischen Auswertungen kleinerer regionaler Einheiten treten Probleme auf, so dass in solchen Fällen teilweise nur Aussagen für Größenklassen gemacht werden können, die von der EUDefinition abweichen.