Landesregierung

Abberufung des Bürgerbeauftragten Dr. Karsten Wilsdorf gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Thüringer Bürgerbeauftragtengesetz Der Landtag beruft den Thüringer Bürgerbeauftragten, Herrn Dr. Karsten Wilsdorf, aus seinem Amt ab.

Begründung:

Die Zeitung Freies Wort berichtete in ihrer Ausgabe vom 18. Januar 2006, dass der Thüringer Ministerpräsident wenige Tage vor der Landtagswahl am 13. Juni 2004 die Patenschaft für das sechste Kind einer Familie aus Rippershausen übernahm und in einem persönlichen Besuch der Mutter des Kindes Blumen und Geldgeschenk überreichte.

Am 21. Januar 2006 berichtete die Zeitung Freies Wort, eine Bürgerin habe den Bürgerbeauftragten des Freistaats Thüringen, Dr. Karsten Wilsdorf, bereits im Juli 2004 in einem Gespräch in Erfurt darüber informiert, dass die Mutter der besagten Rippershäuser Familie eine Größe in der rechten Szene sei. In diesem Gespräch übergab die Bürgerin dem Bürgerbeauftragten ein Flugblatt mit entsprechenden Vorwürfen.

Der Bürgerbeauftragte, so die Zeitung, teilte der Frau mit, dass es ihm nicht möglich sei zu helfen, weil er die ganze Geschichte ja nicht nachprüfen könne. Auch eine entsprechende Mitteilung des Bürgerbeauftragten über den Sachverhalt an den Ministerpräsidenten unterblieb.

Mit Datum vom 23. Januar 2006 übersandte der Bürgerbeauftragte Dr. Wilsdorf dem Chefredakteur der Zeitung Freies Wort ein Schreiben, in dem er auf den geschilderten Sachverhalt einging, darüber hinaus aber weitere persönliche Angaben über die Frau und das Datum ihres Besuchs in seiner Behörde machte, die bisher nicht in der Presse und in der Öffentlichkeit bekannt waren. Ferner übersandte er das genannte Flugblatt, das ihm die Frau bei ihrem Besuch überbrachte.

Mit einem Schreiben vom 25. Januar 2006 wandte sich der Bürgerbeauftragte an Abgeordnete des Thüringer Landtags. Dieses Schreiben ist mit dem Schreiben an den Chefredakteur der Zeitung Freies Wort mit Ausnahme des letzten Absatzes identisch.

Der Bürgerbeauftragte Dr. Wilsdorf ist aufgrund dieser Verfehlungen nicht mehr in der Lage, sein Amt objektiv und zum Wohle der Thüringer Bürgerinnen und Bürger wahrzunehmen:

1. Der Bürgerbeauftragte hat durch sein Handeln jegliches Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verspielt, mit den ihm überlassenen Informationen vertraulich umzugehen und ihre Wünsche, Anliegen und Vorschläge zweckmäßig zu erledigen. Er hat damit gezeigt, seiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein.

16. Februar 2006

2. Der Bürgerbeauftragte hat durch sein Unterlassen des Freistaats Thüringen und seiner Landesregierung schweren Schaden zugefügt. Durch seine Erklärung, nicht zuständig zu sein und durch seine Weigerung, die erlangten Informationen zur Prüfung an den Ministerpräsidenten weiterzuleiten, konnte der Eindruck entstehen, dass Thüringen und seine Landesregierung rechtsextremes Gedankengut dulden oder sogar belohnen. Zugleich wurde durch das Unterlassen des Bürgerbeauftragten couragiertes Handeln von Menschen gegen rechtsextremes Gedankengut missachtet.

3. Ferner hat der Bürgerbeauftragte mit seinem Brief an den Chefredakteur der Zeitung Freies Wort gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Auch der Einwand des Bürgerbeauftragten, er sei aufgrund anonymer Quellen nicht in der Lage gewesen, tätig zu werden, überzeugt nicht. Denn schließlich saß dem Bürgerbeauftragten persönlich eine Bürgerin mit einem konkreten Anliegen gegenüber, das in seiner Behörde aktenkundig gemacht und mit einem Aktenzeichen versehen worden ist.

Aus den genannten Gründen ist der Bürgerbeauftragte durch den Landtag aus seinem Amt abzuberufen.

Für die Fraktion: Matschie