Akustische Wohnraumüberwachung durch Verfassungsschutz

Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht, Umgehungen des Trennungsgebotes zu verhindern, wird die bisherige Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 5 nicht gerecht. Die Beobachtung und Bekämpfung von Kriminalität, auch in ihrer organisierten Form, gehört zu den klassischen Aufgaben der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 PAG, § 152 Durch die dem Landesamt für Verfassungsschutz zugewiesene Aufgabe, Bestrebungen und Tätigkeiten der organisierten Kriminalität zu beobachten (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 wird ein Aufgabenfeld eröffnet, das aber gerade in das Kernspektrum polizeilicher Aufgabenerfüllung hineinreicht. Dies verbietet 97

Verfassung des Freistaats Thüringen. Eine Beobachtung organisierter Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz ist nur zulässig, sofern diese Kriminalität zugleich eine Bedrohung für den Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt, nicht aber, wenn ein solcher Zusammenhang fehlt.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die durch die Aufgabenzuweisung des § 2 Abs. 1 Nr. 5 begründete Doppelzuständigkeit von Polizei und Geheimdienst regelmäßig zu Koordinierungsproblemen und Kompetenzrangeleien führt, die aus Gründen eines möglichst effektiven Rechtsgüterschutzes zu vermeiden sind. Und überdies lassen die Ausführungen in den Verfassungsschutzberichten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz für die Jahre 2003 und 2004 keine Gründe für die Annahme erkennen, dass die Beobachtung der organisierten Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz ein notwendiges und erfolgreiches Mittel der Kriminalitätsbekämpfung darstellt.

c) Buchstabe b und c (§ 2 Abs. 4, 5 und 6 Folgeänderungen)

Durch die Streichung der Aufgabe für das Landesamt für Verfassungsschutz, Erscheinungsformen organisierter Kriminalität zu beobachten, werden Folgeänderungen notwendig. Diese Folgeänderungen werden durch Artikel 2 Nr. 1. b und c geregelt.

2. Artikel 2 Nr. 2 (§ 7 a) Buchstabe a (§ 7 Abs. 1 Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln)

Die Anforderungen des Artikel 13 Abs. 4 GG sind auch beim Einsatz technischer Mittel zur Wohnraumüberwachung durch das Landesamt für Verfassungsschutz zu beachten. Danach darf dieses Instrument vom Verfassungsschutz nur genutzt werden im Falle einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr (vgl. dazu oben Begründung Artikel 1 Nr. 5). Hinter diesen Anforderungen bleibt indessen die Regelung in § 7 Abs. 1 Thüringer Verfassungsschutzgesetz zurück. Sie ist daher entsprechend an die Vorgaben des Grundgesetzes anzupassen.

b) Buchstabe b (§ 7 Abs. 1a Benachrichtigung der Parlamentarischen Kontrollkommission und Zustimmungsvorbehalt)

Falls das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz beabsichtigt, Abgeordnete mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten, ist die Parlamentarische Kontrollkommission zu benachrichtigen. Es steht sodann in ihrer Kompetenz, über die Durchführung der Beobachtung zu entscheiden. Diese Regelung ist angesichts der Vorfälle aus der Vergangenheit notwendig, um das freie Mandat der Abgeordneten und damit den parlamentarischen Bereich zu schützen.

c) Buchstabe c (§ 7 Abs. 9 Durch die Streichung der Aufgabe für das Landesamt für Verfassungsschutz, Erscheinungsformen organisierter Kriminalität zu beobachten, wird diese Folgeänderung notwendig.

3. Artikel 2 Nr. 3 (§ 8 a) Buchstabe a (Änderung des § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Durch die Streichung der Aufgabe für das Landesamt für Verfassungsschutz, Erscheinungsformen organisierter Kriminalität zu beobachten, wird diese Folgeänderung notwendig.

b) Buchstabe b (§ 8 Abs. 3 Speicherung von Daten über Abgeordnete)

Auch weiterhin kann das Landesamt für Verfassungsschutz bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Abgeordnete - sogar mit nachrichtendienstlichen Mitteln - überwachen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist. Eine Speicherung der durch das Landesamt für Verfassungsschutz gewonnenen Daten ist aber nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass der betroffene Abgeordnete Straftaten im Sinne der im G-10-Gesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat.

Damit wird verhindert, dass Informationen über Aktivitäten des Parlamentariers, die unterhalb dieser Grenze liegen, im Laufe der Zeit gesammelt werden, um ihn bei politischem Bedarf oder nach Anforderung durch die Regierung belasten zu können. Auch diese Regelung schützt die parlamentarische Tätigkeit des Abgeordneten und damit den parlamentarischen Bereich.Abgeordnete im Sinne dieser Vorschrift sind auch Europaabgeordnete, Bundestagsabgeordnete und Mitglieder anderer Landtage. Soweit ihre Aktivitäten in den Zuständigkeitsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz fallen, sollen ihre vom Landesamt für Verfassungsschutz gewonnenen Daten unterhalb der zuvor beschriebenen Grenze nicht gespeichert werden dürfen.

c) Buchstabe c (§ 8 Abs. 4 Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Folgeänderung, die durch die Einfügung des neuen § 8 Abs. 3 notwendig geworden ist.

4. Artikel 2 Nr. 4 (§ 8 a Kernbereichsschutz bei Überwachungsmaßnahmen des Landesamtes für Verfassungsschutz)

Die Pflicht, den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen, ist nicht auf bestimmte heimliche Überwachungsmaßnahmen beschränkt.

Sie gilt vielmehr aufgrund ihrer Verankerung in der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes bei allen heimlichen Überwachungsmaßnahmen des Staates, sofern diese Maßnahmen in ihrem Ausmaß und ihrer Intensität nach geeignet sind, in den Kernbereich privater Lebensgestaltung vorzudringen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 12. April 2005 - 2 582/01 vom 12. April 2005 - Global Positioning System, Rz. 56; Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 668/04 vom 27. Juli 2005 Präventive Telekommunikationsüberwachung, Rz. 161). Folglich ist diese Pflicht zur Vermeidung kernbereichsverletzender Maßnahmen auch vom Landesamt für Verfassungsschutz zu beachten. Daher sind auch in das Thüringer Verfassungsschutzgesetz kernbereichsschützende Regelungen aufzunehmen. Diese Regelungen sind materiell identisch mit den Regelungen in Artikel 1 Nr. 2. Es kann sonach hier auf die Begründung zu Artikel 1 Nr. 2 verwiesen werden.

5. Artikel 2 Nr. 5 (§ 11 a) Buchstabe a (§ 11 Abs. 1 Auskunftsanspruch) muss alle beim Landesamt für Verfassungsschutz gespeicherten Daten erfassen, ohne dass der Betroffene durch eine Art Selbstbezichtigung dem Landesamt für Verfassungsschutz Hinweise gibt.

Die Gründe für eine Versagung der begehrten Auskunft sind in Absatz 2 festgelegt; darüber hinaus muss das Informationsinteresse des Betroffenen immer überwiegen.

b) Buchstabe b (§ 11 Abs. 4 Ablehnung der Auskunftserteilung)

Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen, um die Ermessensentscheidung des Ablehnenden nachvollziehbar zu machen, insbesondere dann, wenn die Begründung gegenüber dem Auskunftssuchenden unterbleibt. Dies ist von besonderer Bedeutung für den Fall der Akteneinsicht durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz. Der in Satz 5 geregelte Fall ist von so hoher Relevanz, dass die Entscheidung den politisch Verantwortlichen überlassen werden muss. Es versteht sich dabei von selbst, dass durch Einschaltung des Landesbeauftragten für den Datenschutz der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz nicht ausgeschlossen oder reduziert wird.

6. Artikel 2 Nr. 6 (§ 14 a) Buchstabe a (Folgeänderung)

Durch die Streichung der Aufgabe für das Landesamt für Verfassungsschutz, Erscheinungsformen organisierter Kriminalität zu beobachten, wird diese Folgeänderung notwendig.

b) Buchstabe b (§ 14 Abs. 2 Übermittlung personenbezogener Daten von Abgeordneten)

Die Ausführungen zu Artikel 1 Nr. 6 erstrecken sich auch auf die hier getroffene Regelung zur Übermittlung personenbezogener Daten von Abgeordneten. Insoweit kann auf sie verwiesen werden.

c) Buchstabe c (§ 14 Abs. 3 bis 7 Es handelt sich um eine Folgeänderung, die durch die neue Übermittlungsvorschrift in § 14 Abs. 2 notwendig geworden ist.