Landesregierung

Es stellt sich die Frage, ob im Vollzug des gemeinsamen Erlasses des Ministers für Wirtschaft und Verkehr und des Innenministers zur Zuteilung von Tarn- und Wechselkennzeichen und Anordnung von Übermittlungssperren vom 20. Mai 1994 die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ausreichend sichergestellt ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die rechtliche Zulässigkeit der Verweigerung der Halterauskunft an die Strafverfolgungs- bzw. Verkehrsbehörden, wenn es sich um Verkehrsverstöße mit Kraftfahrzeugen mit Wechsel- und Tarnkennzeichen handelt?

2. Wie wird in der Praxis verfahren und welche Behörden sind für die Auskunft zu Halteranfragen bei Wechsel- und Tarnkennzeichen zuständig?

3. Wie viele Halteranfragen wegen Verkehrsverstößen zu Wechsel- und Tarnkennzeichen sind seit dem 1. Januar 2002 gestellt worden und um welche Verkehrsverstöße handelte es sich (bitte allgemeine Beschreibung ohne Zeit und Ortsangabe)?

4. Wie viele dieser Halteranfragen sind nicht oder nicht rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfristen erteilt worden und um welche Verkehrsverstöße handelte es sich (bitte allgemeine Beschreibung ohne Ortsangabe)?

5. In wie vielen und welchen Fällen ist infolge der Übermittlungssperre die Verfolgung von Straftaten und Verkehrsordnungswidrigkeiten einschließlich Verwarnungsgelder seit dem 1. Januar 2002 unterblieben bzw. erschwert worden (bitte allgemeine Beschreibung ohne Zeit- und Ortsangabe)?

6. Wie viele Halteranfragen zu Wechsel- und Tarnkennzeichen seit dem 1. Januar 2002 betreffen Mitglieder der Landesregierung und in welchem Umfang wurden sie beantwortet?

7. Welche Verkehrsverstöße liegen den Halteranfragen zu Frage 6 zugrunde und wie sind sie geahndet worden (bitte allgemeine Beschreibung ohne Zeit- und Ortsangabe)?

8. In wie vielen Fällen sind Verkehrsverstöße von Mitgliedern der Landesregierung mit Wechsel- und Tarnkennzeichen seit dem 1. Januar 2002 nicht verfolgt und geahndet worden und um welche Verkehrsverstöße ging es (bitte allgemeine Beschreibung ohne Zeit- und Ortsangabe)?

23. August 2006

Das Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 18. August 2006 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die rechtliche Zulässigkeit der Anordnung von Übermittlungssperren regelt sich nach § 41 Abs. 1 und 2

Straßenverkehrsgesetz Danach ist die Übermittlungssperre in den Fahrzeugregistern zulässig, wenn erhebliche öffentliche Interessen der Offenbarung der Halterdaten entgegenstehen oder der betreffende Halter glaubhaft macht, dass durch die Übermittlung seine schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt würden.

Die Übermittlung von Daten trotz bestehender Sperre ist nach § 41 Abs. 3 im Einzelfall zulässig, wenn an der Kenntnis der gesperrten Daten ein überwiegendes öffentliches Interesse, insbesondere zur Verfolgung von Straftaten besteht. Dies gilt auch bei Kraftfahrzeugen mit Tarn- und Wechselkennzeichen.

Im Gemeinsamen Erlass des Ministers für Wirtschaft und Verkehr und des Innenministers zur Zuteilung von Tarn- und Wechselkennzeichen und Anordnung von Übermittlungssperren vom 1. Oktober 1994 Nr. 43/1994, S. 2723) sind hierzu unter Nummer 7 nähere Regelungen getroffen.

Zu 2.: Die Verfahrensweise richtet sich nach den Vorschriften des der Fahrzeugregisterverordnung (FRV) und nach Nummer 7. des in der Antwort zur Frage 1 genannten gemeinsamen Erlasses.

Im Falle einer Auskunftssperre erhalten die Anfragenden, d.h. die jeweiligen Verfolgungsbehörden für Verkehrsordnungswidrigkeiten, vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) nur den Zwischenbescheid Auskunft folgt.

Die Auskunftsersuchen werden vom KBA an die das Kennzeichen ausgebende Kfz-Zulassungsbehörde weitergeleitet. Nach Feststellung der Fahrzeug- und Halterdaten werden die Anfragen gemäß § 15 Abs. 3 FRV an das Thüringer Landesverwaltungsamt, außer bei Fahrzeugen der Polizeibehörden und des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz weitergeleitet.

Vor einer Entscheidung darüber, ob dem Auskunftsbegehren stattgegeben werden kann, ist dem Betroffenen gemäß § 41 Abs. 3 Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Hierzu bittet das Landesverwaltungsamt bei der jeweiligen Verfolgungsbehörde um Mitteilung der begangenen Ordnungswidrigkeit bzw. des Rechtsverstoßes. Liegt nach Übersendung des Tatvorwurfs im Rahmen der Anhörung die Stellungnahme des Kennzeicheninhabers vor, wird diese vom Landesverwaltungsamt geprüft. Überwiegt das die Übermittlungssperre begründende öffentliche Interesse oder sind die schutzwürdigen Belange des Betroffenen als vorrangig anzusehen, bedarf es der Entscheidung der obersten Landesbehörde, ob und inwieweit an der Übermittlungssperre festzuhalten ist (§ 41 Abs. 3 Über das jeweilige Ergebnis wird die anfragende Stelle schriftlich benachrichtigt.

Soweit nicht an der Übermittlungssperre festgehalten wird, werden die Daten der Verfolgungsbehörde übermittelt. Der betroffene Fahrzeugführer trägt die Verantwortung für den ihm zum Vorwurf gemachten Verkehrsverstoß.

Die Aufgaben des Landesverwaltungsamtes bei Auskunftsersuchen werden für die Fahrzeuge der Polizeibehörden durch das Thüringer Polizeiverwaltungsamt (TPVA) wahrgenommen. Das Verfahren verläuft analog.

Das TPVA übt eine Doppelfunktion bei der Ahndung und Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im Freistaat Thüringen aus. Zum einen als zentrale Verfolgungsbehörde (Abteilung 3 - Zentrale Bußgeldstelle/ZBS) aller polizeilich festgestellten Verkehrsordnungswidrigkeiten und zum anderen als zentrale Zulassungsstelle (Abteilung 2 - Beschaffungsangelegenheiten) der für die Behörden und Einrichtungen der Thüringer Polizei zugelassenen Dienstkraftfahrzeuge.

Das erhält die Mitteilung über die Halteranfrage durch die zuständige Kfz-Zulassungsbehörde, welche das gesperrte Kennzeichen an das ausgegeben hat. Sodann wird geprüft, welcher Mitarbeiter das entsprechende Kennzeichen genutzt hat. Dieser wird verpflichtet, kurzfristig schriftlich zu dem Vorfall Stellung zu nehmen und dabei insbesondere auch darzustellen, warum sich der Verstoß gegen die in der konkreten Situation angesichts des Einsatzes nicht vermeiden ließ. Die Stellungnahme wird durch den Vorgesetzten geprüft und dem zuständigen Abteilungsleiter vorgelegt, der wiederum entscheidet, ob aus Sicht des entweder ein Fall des § 46 Abs. 2 vorliegt oder aber das Interesse an der Aufrechterhaltung der Sperre das Interesse an der Datenübermittlung überwiegt.

Zu 3.: Seit dem 1. Januar 2002 gingen im Thüringer Landesverwaltungsamt insgesamt 514 Auskunftsersuchen zu Kennzeichen mit einem Auskunftssperrvermerk ein. Dies sind auch Anfragen aus anderen Ländern. Sie betreffen sowohl Halter aus Thüringen als auch Halter aus anderen Ländern. Im gingen seit dem 1. Januar 2003 (Zahlen für 2002 liegen nicht vor) 129 Auskunftsersuchen zu Kennzeichen mit einem Auskunftssperrvermerk ein.

Eine detaillierte Aufstellung der Verstöße liegt nicht vor. In der Masse handelt es sich aber um nachfolgende Verstöße: § 3 Nichtbeachtung der Höchstgeschwindigkeit innerhalb und außerhalb von Ortschaften, § 4 Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes, § 12 Parken auf Sonderparkplätzen oder Gehwegen, § 13 Parken ohne Parkuhr, § 37 Nichtbeachtung der Lichtzeichenanlage (Rotlichtverstoß), § 41 Nichtbeachtung von Verkehrszeichen.

Seit dem 1. Januar 2002 wurden durch das insgesamt 185 Anfragen auf Mitteilung des Tatvorwurfes an das TPVA/ZBS gerichtet.

Zu 4.: Nach Mitteilung der TPVA/ZBS trat bei 103 Verfahren eine Verfolgungsverjährung der Verkehrsordnungswidrigkeit, die vom TPVA/ZBS verfolgt wurden, ein, da die Halteranfrage nicht rechtzeitig beantwortet wurde. Dies betrifft Halter aus Thüringen und aus anderen Ländern.

Da das Thüringer Landesverwaltungsamt in aller Regel nicht über die Einstellung der Verfahren informiert wird, liegen dort keine Zahlen darüber vor, wie viele Verfahren aus Gründen der Verjährung eingestellt wurden.

Zu den Verkehrsverstößen, die den Halteranfragen zugrunde liegen, wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

Zu 5.: Die Übersicht zeigt, in wie vielen Verfahren das bzw. an Übermittlungssperren festgehalten hat. Hier sind auch Fahrzeuge von Behörden aus anderen Ländern erfasst.

In 19 dieser Fälle wurde der ZBS vom mitgeteilt, dass von dem betroffenen Fahrzeugführer berechtigt Sonder- und Wegerechte gemäß §§ 35 und 38 in Anspruch genommen worden sind. Diese Verfahren wurden folglich eingestellt.

Die Zulassungsstelle des TPVA teilte weiterhin mit, dass für den Polizeibereich seit dem 1. Januar 2002 insgesamt 1884 Verkehrsverstöße bei der Nutzung von Wechsel- und Tarnkennzeichen begangen worden sind. Etwa zwei Drittel dieser Verfahren wurden wegen berechtigter Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerecht nach §§ 35 und 38 durch die Verfolgungsbehörden eingestellt.

Das TPVA als für die Polizei zuständige verwaltende Zulassungsstelle gibt sich gegenüber allen anfragenden Verwaltungsbehörden als Halter zu erkennen. Alle anhängigen Verkehrsverstöße werden von ihm unverzüglich verfolgt und einer abschließenden Bearbeitung zugeführt.

Wegen des recht aufwändigen Verfahrens und den hiermit verbundenen Bearbeitungs- und Postlaufzeiten, insbesondere bei Fahrzeugen, die nicht den Polizeibehörden zuzuordnen sind, sind Verzögerungen und möglicherweise das Eintreten der Verjährung nicht immer auszuschließen. Hier bedarf es der Mitwirkung aller Beteiligten. In einem Rundschreiben im Jahr 2004 wurden daher die Kfz-Zulassungsbehörden und die Thüringer Ministerien gebeten, Auskunftsersuchen unverzüglich zu beantworten.

Zu den Verkehrsverstößen, die den Halteranfragen zugrunde liegen, wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

Bei der ZBS wurde bisher kein Mitglied der Landesregierung als verantwortlicher Fahrzeugführer im Rahmen von Auskunftsersuchen im Zusammenhang mit Tarn- und Wechselkennzeichen gemeldet.