Wohnen

August 2006 hat folgenden Wortlaut:

In Dorfgebieten kann es immer wieder zu Interessenskonflikten zwischen der Wohnbebauung und emissionsträchtiger Landwirtschaft kommen. Diese Nutzungsarten unterschiedlicher Schutzwürdigkeit sind daher von vornherein mit besonderen Pflichten zur Rücksichtnahme belastet. Die Verwaltungspraxis im Bauordnungsrecht ist in Thüringen differenziert.

So erfolgt teilweise eine Genehmigungserteilung zur Wohnbebauung in unmittelbarer Nähe zum landwirtschaftlichen Betrieb, wenn der Bauherr einen Verzicht auf Abwehransprüche gegen Emissionen eines benachbarten landwirtschaftlichen Betriebes erklärt bzw. eine Duldungsverpflichtung eingeht.

Ich frage die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen und mit welcher Begründung ist eine Genehmigung zur Wohnbebauung aufgrund eines solchen Verzichtes bzw. einer solchen Duldungsverpflichtung erteilt worden (bitte Einzelaufstellung nach zuständigen Behörden ab dem Jahre 1999)?

2. Mit welchen verwaltungs- und grundbuchrechtlichen Instrumenten wurde in den in Frage 1 nachgefragten Fällen der Verzicht bzw. die Duldungsverpflichtung erklärt?

3. In wie vielen Fällen und mit welcher Begründung wurde eine solche Erklärung nicht akzeptiert mit der Folge einer negativen Bescheidung des Bauantrages (bitte Einzelaufstellung nach zuständigen Behörden ab dem Jahre 1999)?

4. Ist aus Sicht der Landesregierung ein Verzicht auf immissionsschutzrechtliche Abwehransprüche bzw. die Verpflichtung zur Duldung von landwirtschaftlichen Emissionen ein taugliches Mittel zur Konfliktbewältigung? Und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

5. Welches Ermessen haben die Bauordnungsbehörden bei der Erteilung von Baugenehmigungen unter den in der Einleitung dargestellten Rahmenbedingungen?

Das Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 wie folgt beantwortet: Vorbemerkungen:

Die Frage, welche Immissionen landwirtschaftlicher oder sonstiger Art durch die Nutzer einer schutzwürdigen Bebauung zu dulden sind, ist auch eine Frage des öffentlichen Rechts. Immissionsschutz ist durch den Staat zu gewährleisten und daher einer Disposition durch Private entzogen. Ob die geltenden Immissionsschutzbestimmungen eingehalten werden, ist schließlich auch eine Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens, die ebenfalls einer privaten Disposition entzogen ist.

23. Oktober 2006

Aus diesen Gründen kann eine Erklärung eines Privaten in Form einer Grunddienstbarkeit, einer Baulast oder in sonstiger Weise nicht dazu führen, dass ein ohne diese Erklärung unzulässiges Bauvorhaben zulässig wird. Eine gleichwohl abgegebene Erklärung stellt damit vorrangig ein psychologisches Hemmnis dar, gegen bestimmte Vorhaben vorzugehen. Sie erleichtert in Zweifelsfällen die Entscheidungsfindung der Bauaufsichtsbehörde ohne tatsächlich die Beurteilungsgrundlage zu verändern.

Zu 1.: Bei einer Nachfrage bei den Bauaufsichtsbehörden haben das Landratsamt Apolda, das Landratsamt Sömmerda und die Stadt Jena gemeldet, dass nach Abgabe einer Verzichtserklärung jeweils in einem Fall eine Baugenehmigung für eine Wohnbebauung erteilt wurde.

Die Erklärungen haben im Sinne der Vorbemerkungen die Entscheidung der jeweiligen Bauaufsichtsbehörde erleichtert.

Zu 2.: Es wurde lediglich eine schriftliche Erklärung gegenüber der jeweiligen Bauaufsichtsbehörde abgegeben.

Eine Sicherung ist nicht erfolgt.

Zu 3.: Da eine entsprechende Erklärung wie ausgeführt keine rechtliche Bedeutung hat, kann ein Nichtakzeptieren auch kein Grund für die Ablehnung eines Bauantrags sein.

Zu 4.: Der Verzicht ist kein taugliches Mittel. Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen.

Zu 5.: Die Entscheidung, ob ein Bauvorhaben unzulässigen Immissionen ausgesetzt ist, ist eine Rechtsfrage, die keinen Ermessensspielraum, sondern allenfalls einen Beurteilungsspielraum beinhaltet. Rechtlich irrelevante Erklärungen dürfen bei der Beurteilung keine Rolle spielen.