Struktur und die Performanzebene jeweils um einige Prozentpunkte erhöht

Einstellungen zu Politik und Demokratie 54

Wertorientierungen (Autoritarismus und die Präferenz Freiheit versus Gleichheit/Sicherheit); das Verhältnis zur Politik (Eigenkompetenzzuschreibung und Chancen der Einflussnahme auf das Regierungshandeln).

Anders als 2005 werden hier aus Gründen der Anschaulichkeit nicht sämtliche Zusammenhänge dokumentiert, sondern die relative Erklärungskraft der jeweiligen Variablengruppen ist anhand der Breite der Pfeile in Abbildung 21 veranschaulicht. Diese bestimmt sich danach, wie groß die zusätzliche Erklärungskraft ist, wenn die jeweilige Variablengruppe am Ende in die Regression eingeführt wird. Im Vergleich zum Vorjahr stechen zunächst zwei Befunde hervor. Zum einen ist die Varianzaufklärung (ablesbar am Wert von R2) für die Struktur- und die Performanzebene jeweils um einige Prozentpunkte erhöht. Die Demokratiezufriedenheit und die Unterstützung der demokratischen Verfassungsordnung lassen sich also mit den verwendeten Faktoren erkennbar besser erklären als 2005. Zum anderen findet sich die oben formulierte Erwartung bestätigt, dass die Unterschiede in der Erklärung der drei Objekte der Demokratieunterstützung etwas abgenommen haben. Mithin ähneln sich die Gründe für prodemokratische Orientierungen auf allen drei Ebenen immer mehr.

Freilich sind die früheren Unterschiede ganz offensichtlich nicht eingeebnet (vgl. Abb. 21).

So haben die Wertorientierungen einen starken Einfluss auf die Unterstützung der Demokratie als Staatsidee ­ faktisch ist der Autoritarismus der zweitstärkste einzelne Erklärungsfaktor ­, während sie nur schwach auf die Demokratiezufriedenheit und die Unterstützung der Verfassungsordnung wirken. Sozialstrukturelle Faktoren gewinnen an Bedeutung, je näher man den Wurzeln des Demokratie-Baums kommt. Je älter die Befragten sind und je höher ihre formale Bildung ist, desto positiver bewerten sie die Demokratie als Staatsidee. Bei der Demokratie als Verfassungssystem gilt dieser Zusammenhang nur noch für das Alter; für die Demokratiezufriedenheit sind sozialstrukturelle Faktoren bedeutungslos.

26 Im Unterschied zum Vorjahr sind folgende Variablen nicht berücksichtigt: Konfession (2005 ohne Erklärungskraft); politisches Interesse; Hedonismus, Materialismus, soziale Desorientierung und prosoziale Einstellungen (2006 nicht erhoben). Einstellungen zu Politik und Demokratie 55

Abb. Ganz offensichtlich weisen die sozioökonomischen Faktoren und die Gerechtigkeitsperzeptionen für alle drei Indikatoren der Demokratieunterstützung die höchste Erklärungskraft auf. Besonders stark wirken sie erwartungsgemäß auf die Demokratiezufriedenheit, aber auch auf den beiden anderen Ebenen tragen sie mehr zur Varianzaufklärung bei als jede andere Variablengruppe. Unter den drei Faktoren in dieser Gruppe haben der Index sozialer Deprivation und die Wahrnehmung der Gesellschaft als gerecht bzw. ungerecht die größte Erklärungskraft. Auf allen Ebenen gehören Einstellungen zu Politik und Demokratie 56 sie zu den drei erklärungsstärksten Variablen. Es sind demnach vor allem die relativen Wahrnehmungen der sozioökonomischen Verhältnisse, die die Unterstützung der Demokratie bestimmen: Je weniger depriviert die Befragten und für je gerechter sie die Gesellschaft halten, desto zufriedener sind sie mit der praktizierten Demokratie wie mit dem Verfassungssystem und desto mehr sind sie davon überzeugt, dass die Demokratie die beste Staatsidee darstellt.

3. Schlussstrich unter den Unrechtsstaat? Ambivalenter Rückblick auf die DDR

Nach vier Jahrzehnten des Sozialismus in den Farben der DDR drängt sich für Thüringen wie für die übrigen ostdeutschen Bundesländer die Frage geradezu auf, ob sich die im vormundschaftlichen Staat und in der Organisationsgesellschaft DDR erworbenen Einstellungs- und Verhaltensmuster auch gut anderthalb Jahrzehnte nach dem Untergang des real existierenden Sozialismus noch als prägend erweisen ­ und inwiefern sie die Akzeptanz der neuen Gesellschaftsordnung erschweren. Aus der Forschung zu Systemumbrüchen und Demokratisierungsprozessen ist bekannt, dass sich zwar innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit neue Verfassungen schreiben und eine Reihe neuer Institutionen schaffen lassen, dass aber für die Herausbildung einer Staatsbürgerkultur längere Zeiträume, mitunter Generationen zu veranschlagen sind ­ wenn sie überhaupt gelingt (überblicksartig Merkel 1999: 146, 164-169). Die westdeutschen Erfahrungen der Nachkriegszeit illustrieren diesen Befund: Trotz einer raschen Demokratisierung der Verfassungsordnung und der intermediären Strukturen sind die mentalen Prägungen durch das nationalsozialistische Regime erst allmählich ­ und begünstigt durch die Steigerung des Lebensniveaus und den Aufbau des Wohlfahrtsstaats ­ überwunden worden.

Vor diesem Hintergrund interessiert im besonderen Maße, wie stark die Bindungen der Thüringer an das alte Regime, die untergegangene DDR, 16 Jahre nach der deutschen Vereinigung noch sind (vgl. bereits Edinger / Hallermann 2004: 161-164). Nicht nur in der sozialwissenschaftlichen Forschung, sondern mindestens ebenso sehr in Politik und Publizistik ist die Haltung zur DDR immer wieder im Zusammenhang mit der Frage nach der inneren Einheit diskutiert worden (Falter / Gabriel / Rattinger 2000; Gabriel / Falter / Rattinger 2005). Strittig ist dabei nicht nur, in welchem Ausmaß Bindungen an die DDR fortbestehen oder gar eine DDR-Nostalgie neu entsteht, sondern wie derartige Einstellungen zustande kommen und welche Wirkungen sie haben (pars pro toto Neller 2005). Die Auseinandersetzung mit der retrospektiven Bewertung der DDR und anderen damit verknüpften Fragen (z.B. Einheitsbewertung, Einstellungen zum Sozialismus, Umgang mit Stasi-Opfern) geschieht hier anhand von vier Leitfragen:

(1) Wie verbreitet sind DDR-freundliche Einstellungen oder gar eine DDR-Nostalgie in Thüringen, und welche Merkmale weisen die DDR-Nostalgiker auf?

(2) Wie wirken sich derartige Orientierungen auf die Einstellungen zum heutigen Umgang mit der DDR aus? Welche Einstellungen bestehen überhaupt in Thüringen zum Umgang mit dem Erbe des SED-Regimes? Wie werden dessen ideologische Grundlagen beurteilt?

(3) Wodurch erklärt sich die Affinität zur DDR und welche Wirkungen entfaltet sie im neuen demokratischen System?