Wie die vorausgegangenen Analysen belegt haben spielt das Alter für die DDRAffinität keine nennenswerte Rolle

Einstellungen zu Politik und Demokratie 66 bestätigt. Fügt man die DDR-Affinität in die Erklärungsmodelle der Demokratieunterstützung ein (vgl. oben Abb. 21), so trägt sie zum Verständnis der Demokratiezufriedenheit nur wenig bei. Für die Unterstützung der Demokratie als Staatsidee und auch für die Zufriedenheit mit der demokratischen Verfassungsordnung ist sie jedoch nach der sozioökonomischen Deprivation der zweitstärkste Erklärungsfaktor. Demnach werden gerade die Fundamente des demokratischen Staatswesens durch die DDR-Nostalgiker in Frage gestellt. Aus der Perspektive des demokratischen Verfassungsstaats (zum Begriff Dicke 2000) und im Interesse einer erfolgreichen demokratischen Konsolidierung Thüringens wie der übrigen neuen Länder ist es also keinesfalls gleichgültig, wie sich die Bürger zum alten Regime positionieren.

(4) Wie die vorausgegangenen Analysen belegt haben, spielt das Alter für die DDR-Affinität keine nennenswerte Rolle. Dieser Sachverhalt ist vor allem mit Blick auf die junge Generation ebenso erstaunlich wie erklärungsbedürftig. Wie ist es möglich, dass Befragte, die die meiste Zeit ihres Lebens im vereinigten Deutschland verbracht haben und die die DDR kaum aus eigenem Erleben kennen, in gleichem Maße DDR-Nostalgie entwickeln wie die älteren Kohorten? Woraus speisen sich die DDR-Wahrnehmungen dieser Befragten, wo doch die eigenen Lebenserfahrungen als Quelle weitgehend entfallen?

Hinsichtlich der Quellen des DDR-Bilds bestätigt sich zunächst die Erwartung, dass das eigene Erleben kaum eine Rolle spielt (vgl. Abb. 26). Nicht einmal jeder dritte Befragte unter 30 Jahren sieht sein Bild der DDR dadurch (sehr) stark beeinflusst; jeder Fünfte in dieser Altersgruppe verneint jeglichen Einfluss. Ein stärkerer Einfluss wird den Medien, den Freunden und der Schule zugeschrieben. Für alle diese Quellen gilt allerdings, dass diejenigen, die ihnen einen (sehr) starken Einfluss auf die eigenen Vorstellungen von der DDR zuschreiben, in der Minderheit sind. Die stärksten Prägungen in ihrer Wahrnehmung der DDR erfahren die jungen Thüringer offensichtlich im Elternhaus: Fast drei Viertel charakterisieren den Einfluss der Eltern auf ihr DDR-Bild als (sehr) stark.

Abb. Mehr als die Hälfte von ihnen charakterisiert die Thematisierung der DDR im Elternhaus31 als neutral. Immerhin 28 Prozent bezeichnen sie als positiv, während nur eine kleine Minderheit von sieben Prozent angibt, von den Eltern ein negatives DDR-Bild vermittelt bekommen zu haben. Die Einschätzung der im Elternhaus üblichen Thematisierung der DDR ist dabei unabhängig davon, wie wichtig das Elternhaus für die eigene Einschätzung der DDR gehalten wird. Lässt sich schon aus den Selbstauskünften der Heranwachsenden auf ein eher freundliches DDR-Bild in ihren Elternhäusern schließen, so spricht der Zusammenhang mit der DDR-Affinität eine noch deutlichere Sprache. Der Anteil der DDR-Nostalgiker steigt nämlich, je höher der Einfluss des Elternhauses eingestuft wird. Die Unterschiede sind frappierend: Gilt der Einfluss der Eltern auf das eigene DDR-Bild als gering, weist nur jeder Zehnte eine große Nähe zur DDR auf; unter denen, die einen sehr starken Einfluss berichten, ist es mehr als die Hälfte.

Einen ähnlich deutlichen Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Einfluss auf das eigene DDR-Bild und der Affinität zum untergegangenen SED-Regime gibt es ansonsten nur noch bei einer weiteren Quelle: dem Freundeskreis. Auch hier fällt die Bewertung der DDR umso positiver aus, je größer der Einfluss der Freunde auf das eigene DDR-Bild ist. Für Medien, eigenes Erleben und die Schule sind die Zusammenhänge schwächer. Allerdings dürfte aus bildungspolitischer Sicht nachdenklich stimmen, dass etwa ein Drittel der Heranwachsenden angibt, in der Schule sei die DDR überwiegend positiv dargestellt worden, aber nur jeder Zehnte von der Vermittlung eines negativen DDR-Bilds berichtet (neutral: 43%; wurde kaum thematisiert: 15%). Für die Schule gilt in abgeschwächter Form, was auch für das Elternhaus zu konstatieren ist: Das dort gepflegte DDR-Bild wird von den Heranwachsenden weitgehend reproduziert, wobei der Zusammenhang umso stärker ist, je größer der von den jungen Befragten vermutete Einfluss auf die eigene DDR-Bewertung eingeschätzt wird.

Mithin wird den jungen Thüringern insbesondere im Elternhaus ein tendenziell positives DDR-Bild vermittelt, das dann in der peer group, also im Freundeskreis, noch einmal wechselseitig bekräftigt wird. In der Schule wird dieses Bild nicht etwa in Frage gestellt, sondern tendenziell bestätigt, allerdings hat die Schule weit geringeren Einfluss auf die Bewertung der DDR durch die Heranwachsenden. Etwa in dieser Weise wird man sich die Genese einer DDR-Nostalgie auch unter denjenigen vorstellen müssen, die den untergegangenen Staat aus eigener Erfahrung kaum kennen.

4. Kontinuität und Wandel rechtsextremer Einstellungen

Ein rechtsextremistischer Akt, der Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge im Frühjahr 2000, war seinerzeit wesentlicher Impuls für eine intensivere Befassung mit der politischen Kultur im Freistaat Thüringen. Folgerichtig setzte sich der erste THÜRINGEN-MONITOR ausführlich mit dem Rechtsextremismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen auseinander (TM 2000: 41-70, Anhang II). Die bleibende Aktualität der Auseinandersetzung mit dem Extremismus am rechten Rand ist in diesem Jahr durch eine Reihe von Vorkommnissen unterstrichen worden. Dazu gehören mehrere schwere Übergriffe gegen Ausländer unter anderem in Potsdam und Weimar, die zu einer bundesweiten Diskussion um so genannte No 31 Dass die DDR im Elternhaus nicht thematisiert wurde, kam nur bei jedem zwölften Befragten unter 30 Jahren vor und stellt somit eine zu vernachlässigende Ausnahme dar.

Einstellungen zu Politik und Demokratie 68

Go Areas für Menschen anderer Hautfarbe vor allem in Ostdeutschland führte, ebenso wie zuletzt der Einzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Erstmalig sind damit rechtsextreme Parteien in der Mehrzahl der ostdeutschen Landesparlamente vertreten

­ und lediglich im Thüringer Landtag hat es seit 1990 keine rechtsextreme Fraktion gegeben.

Der THÜRINGEN-MONITOR beschäftigt sich nicht in erster Linie mit diesen manifesten Formen des Rechtsextremismus wie der Wahl entsprechender Parteien und der fremdenfeindlichen Gewalt, sondern er bemüht sich um eine Analyse derjenigen Einstellungen, die dem rechtsextremen Handeln zugrunde liegen. Der Rechtsextremismus wird dabei als ein Einstellungssyndrom verstanden, das auf der Ungleichwertigkeit von Menschen basiert (so auch Stöss 2005: 59). Das rechtsextreme Weltbild ist dadurch charakterisiert, dass es Menschen je nach askriptiven Merkmalen wie Hautfarbe oder ethnischer Herkunft einen unterschiedlichen Wert zuspricht. Ein darauf aufbauendes Gesellschaftssystem muss zwangsläufig in Widerspruch zur demokratischen Ordnung geraten, da es deren Grundprinzipien wie Gleichheit und Menschenrechte in Frage stellt. Anders als mitunter in der Literatur suggeriert (Heitmeyer 1992), müssen sich rechtsextreme Einstellungen nicht in einem entsprechenden Handeln manifestieren. Sie können aber als eine notwendige Voraussetzung etwa für fremdenfeindliche Gewaltakte gelten ­ und sie schaffen bei entsprechender Verbreitung ein gesellschaftliches Klima, in dem rechtsextreme Parteien gedeihen können.

Um über die genauere Momentaufnahme des Jahres 2000 hinaus auch die Entwicklungslinien erfassen zu können, sind die rechtsextremen Einstellungen im Rahmen des THÜRINGENMONITORs seitdem kontinuierlich und unabhängig vom jährlich wechselnden Schwerpunktthema gemessen worden. Dazu dienen seit 2001 zehn Fragen, die dem Charakter des Rechtsextremismus als einem Einstellungssyndrom Rechnung tragen, indem sie insgesamt sechs verschiedene Dimensionen des Syndroms erfassen: Ausländerfeindlichkeit, Sozialdarwinismus, überstarken Nationalismus (Chauvinismus), Antisemitismus, die Unterstützung einer rechten Diktatur und die Verharmlosung des nationalsozialistischen Regimes (vgl. Tab. 10).

Die damit verknüpfte Annahme, dass die Dimensionen und letztlich alle zehn Statements untereinander eng zusammenhängen, findet sich wie schon im Vorjahr bestätigt: In allen Fällen ergeben sich höchst signifikante und zumeist auch starke Zusammenhänge. Am stärksten sind dabei die Beziehungen zwischen den ausländerfeindlichen und den nationalistischen Aussagen. Dass der Rechtsextremismus ein Syndrom miteinander verknüpfter Einstellungen darstellt, bedeutet freilich nicht, dass die einzelnen Teile dieses Syndroms gleich starke Unterstützung in der Bevölkerung finden. Wie Tabelle 10 veranschaulicht, finden zwei der drei ausländerfeindlichen Statements und die nationalistischen Aussagen breite Zustimmung. Die Dimensionen des Antisemitismus, der rechten Diktatur und der Verharmlosung des Nationalsozialismus werden demgegenüber vergleichsweise selten unterstützt.