Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz

Gemäß § 3 Abs. 1 Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz ist der Jugendhilfeausschuss (JHA) ein beschließender Ausschuss im Sinne der Thüringer Kommunalordnung Gemäß § 4 Abs. 5 gelten für die nicht der Vertretungskörperschaft angehörenden stimmberechtigten Mitglieder und ihre Stellvertreter die Vorschriften über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Vertretungskörperschaft entsprechend.

Der § 5 benennt gesetzlich vorgeschriebene beratende Mitglieder im JHA. Weitere sachkundige Männer und Frauen können durch die Satzung bestimmt werden.

Gemäß § 23 Abs. 4 wurden vom Gesetzgeber Kriterien eingeführt, die sicherstellen sollen, dass eine Interessenskollision der Gemeinderatsmitglieder durch eine Verquickung von Amt und Mandat ausgeschlossen ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Gilt § 23 Abs. 4 auch für beratende/beschließende Mitglieder des JHA?

2. (bei Verneinung 1.) Ist der Landesregierung bekannt, dass durch die gesetzlichen Regelungen des § 5 beratende Mitglieder (der Leiter der Verwaltung des Jugendamtes, die für die Jugendarbeit zuständige Fachkraft des Jugendamtes) durch die Verbindung, dass sie einerseits Bedienstete der Gebietskörperschaft sind aber gleichzeitig beratende Mitglieder des JHA, es zu Interessenskollisionen kommt, die der Gesetzgeber durch § 23 Abs. 4 gerade ausschließen wollte? Plant die Landesregierung hier eine Klarstellung, um dies auszuschließen?

3. (bei Verneinung 1.) Die gleiche Interessenskollision kann im JHA auftreten, soweit ein Bediensteter der Gebietskörperschaft ein Ehrenamt bzw. ein politisches Amt angenommen hat und als solcher Vertreter im JHA ist (z.B. Schulelternsprecher - als beratendes Mitglied, soweit es die Satzung bestimmt bzw. beschließendes Mitglied - gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 Ist diese Interessenskollision aus Sicht der Landesregierung gewollt oder durch gesetzliche Änderungen auszuschließen?

4. Ist durch die Erweiterung des § 5 Abs. 3 weitere sachkundige Frauen und Männer eine beliebige Erweiterung des Personenkreises in das Ermessen des Satzungsgebers gestellt, oder sieht die Landesregierung hier Grenzen?

5. Kann durch die Verbindung von § 5 Abs. 1 und § 5 Abs. 3 der Satzungsgeber bestimmen, dass beispielsweise auch zwei Vertreter einer Kirche Mitglieder des JHA werden?

6. Durch § 4 Abs. 5 ist bestimmt, dass die nicht der Vertretungskörperschaft angehörenden beschließenden Mitglieder in der Regel ihren Wohnsitz oder ihr Arbeitsfeld im Bereich des örtlichen Trägers haben sollen. Andererseits werden die Mitglieder im Gemeinderat gewählt. Welche Voraussetzungen müssen insofern abgeprüft werden, damit es nicht zu einer rechtswidrigen Wahl kommt?

7. Wird den beratenden Mitgliedern des JHA im JHA ein formelles Antragsrecht auf Einbringen von Beschlussvorlagen zugebilligt?

Das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 16. Dezember 2006 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Der Jugendhilfeausschuss ist gemäß § 3 Abs. 1 des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes ein beschließender Ausschuss im Sinne der Kommunalverfassung. Damit finden die für beschließende Ausschüsse nach § 26 der Thüringer Kommunalordnung geltenden Bestimmungen auch auf den Jugendhilfeausschuss Anwendung, sofern nicht speziellere Regelungen, beispielsweise des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes, entgegenstehen. Die personelle Zusammensetzung der Jugendhilfeausschüsse ist in den §§ 4, 5 geregelt. Diese speziellen Jugendhilferegelungen gehen den Regelungen der Thüringer Kommunalordnung vor, somit gilt die Unvereinbarkeitsbestimmung des § 23 Abs. 4 nicht für Mitglieder des Jugendhilfeausschusses.

Zu 2.: Da der Leiter der Verwaltung des Jugendamtes und die Fachkraft des Jugendamtes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 3 nur beratend tätig sind, liegt ein Fall von Interessenkollision nicht vor.

Zu 3.: Da sich der Jugendhilfeausschuss im Gegensatz zum Gemeinderat nur mit einem eng beschränkten Aufgabenbereich gemeindlicher Tätigkeiten befasst, dürfte es kaum zu einer Interessenkollision (Fall der Selbstkontrolle) kommen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass nach der dem Grundgesetz zugrunde liegenden Konzeption auch nicht jede sich abzeichnende Möglichkeit von Interessenkollisionen innerhalb des öffentlichen Dienstes den Gesetzgeber befugt oder verpflichtet, entsprechende Regelungen zu treffen. Eine Gesetzesänderung wird daher nicht angestrebt.

Zu 4.: Die Anzahl der weiteren sachkundigen Frauen und Männer, die nach § 5 Abs. 3 in Verbindung mit der Satzung des Jugendamtes dem Jugendhilfeausschuss als beratende Mitglieder angehören können, ist gesetzlich nicht begrenzt. Soweit der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe der Ansicht ist, dass eine solche Begrenzung erforderlich ist, kann er dies im Rahmen der Satzung nach §§ 2, 5 Abs. 3 selbst bestimmen. Eine landesrechtliche Regelung ist insoweit nicht erforderlich.

Zu 5.: Nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 bis 8 sind jeweils ein Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche sowie der jüdischen Kulturgemeinde in den Jugendhilfeausschuss zu entsenden. Darüber hinaus kann die Satzung des Jugendamtes nach § 5 Abs. 3 Satz 1 bestimmen, dass in Ergänzung, das heißt zusätzlich, zu § 5 Abs. 2 Nr. 6 bis 8 weitere beratende Mitglieder entsandt werden.

Folglich könnten auch zwei Vertreter einer Kirche dem Jugendhilfeausschuss angehören - allerdings nicht zu Lasten anderer entsendungsberechtigter Institutionen.

Zu 6.: Die Wählbarkeit der stimmberechtigten Mitglieder des Jugendhilfeausschusses richtet sich entsprechend § 4 Abs. 5 Satz 1 nach Kommunalverfassungsrecht, das heißt nach der Thüringer Kommunalordnung und dem Thüringer Kommunalwahlgesetz soweit nicht spezielle jugendhilferechtliche Regelungen dem entgegenstehen. Eine solche abweichende Regelung enthält § 4 Abs. 5 Satz 2 Danach ist für die nicht der Vertretungskörperschaft angehörenden stimmberechtigten Mitglieder und deren Vertreter nicht erforderlich, dass sie zwingend ihren Wohnsitz im Bereich des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe haben; es reicht vielmehr, dass sie in der Regel ihren Wohnsitz oder ihr Arbeitsfeld im Bereich des örtlichen Trägers haben. Bei der Wahl der nicht der Vertretungskörperschaft ange hörigen stimmberechtigten Mitglieder müssen daher die Voraussetzungen des aktiven und passiven Wahlrechts vorliegen (§ 10 Abs. 2, § 93 Abs. 2 i. V. m. §§ 1, 12 Außerdem sind die Vorschriften über die ehrenamtliche Tätigkeit (§§ 12, 93 zu beachten, insbesondere darf die Bewerbung um ein Ehrenamt sowie dessen Annahme und Ausübung nicht behindert werden. Ferner müssen die in § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 3 benannten Voraussetzungen vorliegen, das heißt, es müssen in der Jugendhilfe erfahrene Personen sein bzw. es muss seitens des Jugendamtes darauf hingewirkt worden sein, dass ein abgestimmter Vorschlag der im Bereich des Jugendamtes tätigen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe eingereicht worden ist.

Den beratenden Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses steht Rede- und Mitberatungsrecht zu.