Immobilienwirtschaft

November 2006 hat folgenden Wortlaut:

Die Bezieher von Arbeitslosengeld II haben gemäß Zweitem Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Anspruch auf angemessenen Wohnraum. Die Kosten dafür sind von den Kommunen zu tragen, die in eigener Verantwortung darüber entscheiden, was als angemessener Wohnraum gilt. Die derzeitigen Vorschriften der Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte sind sehr differenziert in Umfang und Ausgestaltung. Dies hat zur Folge, dass gleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt und entschieden werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie haben sich die Mietschulden seit Inkrafttreten von Hartz IV entwickelt (bitte Einzelaufstellung nach Landkreisen und kreisfreien Städten)?

2. In welchen Landkreisen und kreisfreien Städten werden Abtretungserklärungen für die Kosten der Unterkunft zu Gunsten der Vermieter von Anfang an akzeptiert und in welchen Kommunen erst, wenn Mietschulden angelaufen sind?

3. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass in den Fällen der Kürzungen der Unterkunftskosten sowie der Umzugsanordnung wegen unangemessener Kosten der Unterkunft in der Regel keinerlei Information gegenüber dem Vermieter erfolgt?

4. Ist der Landesregierung bekannt, dass im Falle eines angeordneten Umzuges wegen unangemessener Kosten der Unterkunft die Wohnung oftmals ohne Einhaltung der Kündigungsfrist von den Mietern verlassen und die Mietzahlung durch die kommunalen Träger eingestellt wird? Wenn ja, wie beurteilt die Landesregierung diese Situation und auf welcher rechtlichen Grundlage beruht dieses Vorgehen?

5. Welche Landkreise und kreisfreien Städte haben ihre Verwaltungsvorschriften hinsichtlich der Betriebskosten entsprechend den rapiden Preissteigerungen angepasst?

6. Wie erfolgen die Überprüfung und die Feststellung der Angemessenheit der Betriebs- und Heizkosten?

7. Ist der Landesregierung bekannt, dass die in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften festgelegten angemessenen Miethöhen tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt nicht zu realisieren sind? Wenn ja, um welche Verwaltungsvorschriften welcher Landkreise bzw. kreisfreier Städte handelt es sich und welche Auffassung vertritt die Landesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit in dieser Thematik?

19. Januar 2007

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 8. Januar 2007 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Zur Entwicklung der Mietschulden seit dem Inkrafttreten von Hartz IV liegen keine statistischen Erhebungen der Landkreise und kreisfreien Städte, die Träger der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sind, vor.

Die Mehrzahl der Landkreise und kreisfreien Städte geht jedoch von keinem Anwachsen der Mietschulden seit dem Inkrafttreten von Hartz IV aus. Nur einzelne kommunale Träger sehen einen Anstieg (Landkreise Altenburger Land, Greiz, Ilm-Kreis, Sonneberg sowie die kreisfreie Stadt Gera), andere einen Rückgang (Landkreise Eichsfeld, Saalfeld-Rudolstadt, Sömmerda sowie die kreisfreien Städte Erfurt und Suhl).

Der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. hat ermittelt, dass es im Zusammenhang mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II bisher zu keinem signifikanten Anstieg der Mietschulden gekommen ist (Quelle: Daten und Fakten 2006 der unternehmerischen Wohnungswirtschaft Thüringen, www.vtw.de).

Zu 2.: Gemäß § 22 Abs. 4 SGB II sollen die Kosten für Unterkunft und Heizung von dem kommunalen Träger an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch den Hilfebedürftigen nicht sichergestellt ist. Diese Regelung wird von den für die Durchführung des SGB II zuständigen Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) und den zugelassenen kommunalen Trägern (Optionskommunen Landkreis Eichsfeld und Stadt Jena) konsequent umgesetzt.

Freiwillige schriftliche Abtretungen der Leistungsempfänger werden von den ARGEn und den Optionskommunen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Vorlage akzeptiert.

Zu 3.: Unter Berücksichtigung der Bestimmungen zum Schutz von Sozialdaten darf eine Information des Vermieters durch die ARGEn und Optionskommunen zu leistungsrelevanten Daten grundsätzlich nicht vorgenommen werden.

Zwischen den kommunalen Trägern der Leistungen für Unterkunft und Heizung und den Vermietern besteht kein Rechtsverhältnis, welches eine Informationspflicht begründen könnte.

Zu 4.: Das SGB II sieht die Anordnung von Umzügen nicht vor. Die Entscheidung über einen Umzug und den Umzugszeitpunkt liegt beim Hilfebedürftigen bzw. der Bedarfsgemeinschaft. In der Regel bleibt dem Hilfebedürftigen bzw. der Bedarfsgemeinschaft unter Berücksichtigung der 6-Monatsfrist des § 22 Abs. 1 SGB II genügend Zeit die Kündigungsfrist einzuhalten.

In den ARGEn sind Einzelfälle bekannt, in denen Mieter die angemietete Wohnung ohne Kündigung oder vor Ablauf der Kündigungsfrist verlassen haben und in eine neue Wohnung gezogen sind. Ansprüche die dem Vermieter aus Vertragsverletzungen des Mieters entstehen, können vom Vermieter nur privatrechtlich geltend gemacht werden.

Zu 5.: Grundsätzlich werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die so genannten Unterkunftsrichtlinien der Landkreise und kreisfreien Städte stellen handlungsleitende Empfehlungen für die Sachbearbeitung dar. Sie benennen Orientierungsgrößen für die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung. Ein Überschreiten der in den Unterkunftsrichtlinien genannten Orientierungsgrößen darf nicht zur pauschalen Kürzung der Leistung durch den Leistungsträger führen. Hier ist in der Regel zunächst eine Prüfung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzellfalls vorzunehmen.

Durch die Landkreise Altenburger Land, Eichsfeld, Gotha, Greiz, Hildburghausen, Kyffhäuserkreis, Nordhausen, Saale-Orla-Kreis, Saalfeld-Rudolstadt, Schmalkalden-Meiningen, Sömmerda, Sonneberg und die kreisfreien Städte Gera und Suhl erfolgte zwischenzeitlich bereits eine Anpassung der Orientierungsgrößen.

In den Landkreisen Wartburgkreis, Saale-Holzland-Kreis und Ilm-Kreis sowie in den kreisfreien Städten Eisenach, Erfurt und Weimar ist nach Auskunft der kommunalen Träger eine Anpassung der Unterkunftsrichtlinien Anfang 2007 vorgesehen.

Zu 6.: Für die Bestimmung der Angemessenheit der Betriebs- und Heizkosten werden Kriterien wie die Größe der Wohnung und die Anzahl der Personen der Bedarfsgemeinschaft herangezogen. Insbesondere die Bestimmung der Angemessenheit der Heizkosten ist von zahlreichen weiteren Faktoren abhängig. Hier sind z.B. Baudaten, wie Geschosshöhe, Zuschnitt der Räume, Stand der Wärmedämmung, Alter des Gebäudes, Zustand der Heizanlage zu berücksichtigen. Hinzu treten subjektive Faktoren, wie sie z. B. bei älteren oder erkrankten Menschen eine Rolle spielen.

Zu 7.: Die Landkreise und kreisfreien Städte schätzen ein, dass die in den Unterkunftsrichtlinien genannten Orientierungswerte auch auf dem Wohnungsmarkt zu realisieren sind. Bei Einraumwohnungen können zeit- und gebietsweise Engpässe auftreten. Die Lage am örtlichen Wohnungsmarkt ist bei der Entscheidung zur Angemessenheit der Unterkunftskosten jeweils zu berücksichtigen.