Versicherung

§ 8 zu erhalten. Dagegen können z. B. verfolgte Schüler überhaupt keine Entschädigungsleistungen erhalten.

Die Erfahrungen aus den Beratungsgesprächen zu den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen lassen eine Lösung zur Linderung der sozialen Nachteile aus der nichtstrafrechtlichen Verfolgung bei der Novellierung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes als möglich erscheinen. Notwendig ist die Novellierung auf Grund der unstrittigen Verlängerung der Fristen zur Antragstellung auf Rehabilitierung. Dabei könnte für die nichtstrafrechtlich politisch Verfolgten, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind, der § 8 für bisher nicht leistungsberechtigte Gruppen geöffnet werden (verfolgte Schüler, u. a.) und der Zahlbetrag einheitlich auf 150 Euro festgelegt werden. Die Novellierung sollte im Sinne einer Entschädigung weiterhin berücksichtigen, dass die Verfolgungszeiten auf mindestens 24 Monate herabgesetzt werden und die Bedürftigkeitsgrenzen der im Dritten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz entsprechen.

Die Begründung im Gesetzentwurf, der von den Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Bundesrat eingebracht wurde (BR-Drs. 425/04) Die bisherigen fiskalisch motivierten Überlegungen, die einer angemessenen Würdigung bislang entgegengestanden haben, lassen sich angesichts der vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Entscheidungen vom 28. April 1999 zu Fragen der Überleitung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands und der Umsetzung dieser Entscheidungen durch die Bundesregierung im 2. AAÜG-Änderungsgesetz nicht länger aufrechterhalten., sollte auch Leitlinie eines Dritten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes sein.

1.11 Aus der Beratung

1. Persönliche Aufarbeitung, Reise in die Vergangenheit

Nach dem seine Frau plötzlich verstarb, ging Herr T. vorzeitig in Rente. Das Leben änderte sich für ihn. Und da war noch etwas offen, was er 1965 hinter sich gelassen hatte. Über Bulgarien und die Türkei war es ihm gelungen, in die BRD zu kommen. Nach seiner Ankunft in Nordrhein-Westfalen, wo er seither lebte, erfuhr er bald, dass es besser war, nicht von seiner DDR-Vergangenheit zu sprechen. Schon gar nicht davon, dass er einmal vor Gericht stand und verurteilt worden war; wegen eines Republikfluchtversuches. Nur seine Frau und seine beiden Kinder wussten davon. Nach 1990 kamen von seinen Kindern, die interessiert so manchen Bericht über das Leben in der DDR fragend aufnahmen, manchmal skeptische Fragen zu seinem kurzen Haftaufenthalt. So entschloss er sich 2005 wieder nach Thüringen zu ziehen um u. a. die Zeit seiner gut fünf Wochen dauernden Untersuchungshaft aus dem Jahr 1962 zu beleuchten. In der Beratung der Landesbeauftragten im Landratsamt des Saale-Orla-Kreises bat Herr T. die Landesbeauftragte um Unterstützung. Tatsächlich ließen sich Unterlagen zum damaligen Geschehen in den Archiven auffinden. Die Ermittlungen wurden damals von der Abteilung der politischen Polizei in der Deutschen Volkspolizei geführt.

Der 19jährige Herr T. wohnte und lebte im Sommer 1962 bei seiner Großmutter. Er hatte die Lehre zum Chemiefacharbeiter erfolgreich beendet. Seine Eltern, ehemalige Inhaber einer Fotodrogerie, waren 1953 wegen Wirtschaftsvergehen verurteilt und nach Entlassung aus der Haft in die BRD geflüchtet. Ein um ein Jahr älterer Freund, der nach Einführung der Wehrpflicht im Januar 1962 zur Musterung im September erscheinen sollte, wollte keinen Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee leisten. Mit dem Segelboot des Freundes wollten sie über die Ostsee nach Dänemark. Am letzten Urlaubstag brachen sie in der Dunkelheit trotz starken Windes auf. Das Boot wurde an die Buhnen geschleudert und kenterte.

Durchnässt kamen sie in ein FDJ-Heim zum Übernachten. Dort wurden sie in der Nacht zum 2. September 1962 verhaftet. Herr T. war bis zum 9. Oktober 1962 in Untersuchungshaft. Er wurde vom Kreisgericht zu fünf Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Sein Freund, als Anstifter zur Tat ausgemacht, erhielt eine Strafe von 8 Monaten Gefängnis. Das Segelboot wurde nicht eingezogen, da dadurch dem Angeklagten... ein nicht zu vertretender nachteiliger materieller Schaden zugefügt wurde. Der Staatsanwalt war mit diesem milden Urteil nicht einverstanden und legte Protest beim Bezirksgericht ein.

Das Bezirksgericht bestätigte das Urteil des Kreisgerichtes.

Herr T. möchte nun auch die Hintergründe für die Verurteilung im Wirtschaftsstrafverfahren gegen seine Eltern aus dem Jahr 1953 in Erfahrung bringen.

2. Keine Berücksichtigung von Haftarbeit in der Rente Herr S. war 1973 bis 1976 für insgesamt 30 Monate auf Grund einer Verurteilung wegen eines nichtpolitischen Tatbestandes in der Strafvollzugseinrichtung Brandenburg. Während seiner Haftzeit musste er für den VEB Burger Bekleidungswerk arbeiten. Bei Klärung seines Rentenkontos wollte er die Zeit seiner Haftarbeit in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt wissen. Von der JVA Brandenburg erhielt er die Mitteilung, dass die während der DDR zur Arbeit eingesetzten Gefangenen, wie Arbeitskräfte des jeweiligen Betriebes zu behandeln waren. Die Abrechnung der Arbeitsleistung sei gemäß den tariflichen Festlegungen des jeweiligen Wirtschaftszweiges erfolgt. Die Arbeitseinsatzbetriebe führten die Lohnsteuer direkt ab. Der Nettolohn zuzüglich des Arbeitgeberanteils der Sozialversicherung sei an die Strafvollzugseinrichtung überwiesen worden. Dort erfolgte auch die haushaltsmäßige Verbuchung, wobei der Sozialversicherungsanteil stets auf einem gesonderten Konto abzurechnen war. Bestätigt wurde auch, dass die Gefangenen weder den Nettolohn noch eine Vergütung für den einbehaltenen Sozialversicherungsbeitrag erhielten, sondern Leistungen nach der geltenden Vergütungsordnung. Über die einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge je Gefangener seien keine Unterlagen geführt worden. Auch ließe sich nicht nachweisen, dass von der Strafvollzugseinrichtung die Sozialversicherungsbeiträge an die Staatliche Versicherung abgeführt worden seien.

Der VEB Burger Bekleidungswerk wurde nach 1990 insolvent und aufgelöst. Von der DISOS Landesdepot Sachsen-Anhalt erhielt Herr S. für die Jahre seiner Haftarbeit von 1973 bis 1976 die sozialpflichtversicherten Entgelte, wie im VEB Burger Bekleidungswerk einstmals gebucht, bescheinigt. Die Rentenversicherung sieht für die Zeit der Haft die Anwartschaft für die Rentenversicherung gewahrt. Eine Berücksichtigung der von der DISOS bescheinigten sozialpflichtversicherten Entgelte lehnt sie ab, da Herr S. den Nachweis der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge an die Staatliche Versicherung nicht erbracht hat.

2. Historische Aufarbeitung, politische Bildung und Dieser Tätigkeitsbereich der Behörde umfasste innerhalb des Berichtszeitraumes wiederum ein sich gegenseitig ergänzendes Spektrum verschiedener Tätigkeitsinhalte wie Forschungsarbeit, Eigenbeiträge, Zeitzeugenarbeit, Sach-Auskünfte inklusive Recherchen, allgemeine öffentliche Bildungsangebote, Einzelberatungen, Publikationen, Vorträge, Tagungen, Lesungen, Ausstellungen, inhaltliche und technische Internet-Arbeit.

Veranstaltungen:

Auch im Jahr 2006 organisierte die Landesbeauftragte wieder eine Reihe von Vorträgen und Veranstaltungen. Da der wie in den Vorjahren einen begrenzten finanziellen Spielraum für Eigenveranstaltungen bot, kam es zu einer Reihe von Kooperationsveranstaltungen, bei denen die Behörde vorwiegend organisatorische und inhaltliche Arbeit leistete, während Autorenhonorare von der Landeszentrale für politische Bildung, der Konrad-Adenauer-Stiftung, den Jenaer Vereinen Paneuropa und Lesezeichen e.V. oder der Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen getragen wurden.

Die Konferenz der Landesbeauftragten, die Geschichtswerkstatt Jena, der Geraer Verein Gedenkstätte Amthordurchgang e. V., die Erfurter Gesellschaft für Zeitgeschichte e. V. und die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen mit ihren Thüringer Außenstellen waren wichtige Partner für gemeinsame Veranstaltungen in den Städten Thüringens bzw. auf Bundesebene. Die Autoren der Zeitzeugen aus Saalfeld und Jena sowie ehemalige politische Gefangene der Arbeitsgemeinschaft Gedenkstätte Andreasstraße wirkten engagiert und immer auch ein stückweit uneigennützig an weiteren Veranstaltungen mit. Dafür sei an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt.

Die Veranstaltungen gliedern sich in (teilfinanziert), Einschluss-II-Veranstaltungsreihe (überwiegend fremdfinanziert) sowie im Jahresverlauf in Thüringen (eigenfinanziert), Haftanstalts-Besucherführungen (Eigenleistungen, bei Zeitzeugenbeteiligung eigenfinanziert).

Der 10. Geteiltes Deutschland ­ Gemeinsame Geschichte

Vom 12. bis 14. Mai 2006 führten die Landesbeauftragten und die Stiftung Aufarbeitung gemeinsam mit dem Land Niedersachsen das 10. bundesweites Treffen mit den Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen in Königslutter durch. Niedersachsen hat bisher als einziges altes Bundesland eine Stelle im Innenministerium zur Beratung von Opfern der SED-Diktatur eingerichtet. Vertreter aus den Behörden der Landesbeauftragten von Sachsen-Anhalt und Thüringen hatten zuvor testweise Beratungstage in Hannover abgehalten.

Die Organisation des Verbandstreffens in Königslutter übernahm der im Juni 2005 ins Amt berufene Landesbeauftragte von Sachsen-Anhalt, Gerhard Ruden gemeinsam mit der im niedersächsischen Innenministerium für Beratungen tätigen Tina Scherweit, Mitarbeitern der Gedenkstätte Marienborn und des Hötenslebener Grenzdenkmals, das am Sonntag zu einer Kranzniederlegung von allen Kongressteilnehmern besucht wurde.