Danach fuhr man zum Hotel AVALON Königspark in Königslutter in dem die Tagungsstätte vorbereitet worden

Der diesjährige Kongress begann mit einer Besichtigung der zum Teil noch als Gedenkstätte erhaltenen Grenzübergangsstelle an der Autobahn A2 zwischen Helmstedt und Marienborn.

Danach fuhr man zum Hotel AVALON Königspark in Königslutter, in dem die Tagungsstätte vorbereitet worden war.

Zur Eröffnung des Treffens waren beide Ministerpräsidenten, Christian Wulff aus Niedersachsen und Prof. Dr. Wolfgang Böhmer aus Sachsen-Anhalt, angereist.

Gerhard Kilian, Landrat des Landkreises Helmstedt und Ottmar Lippelt als Bürgermeister der Stadt Königslutter beteiligten sich ebenfalls mit Grußworten an der Eröffnung der Veranstaltung im AVALON Hotelpark Königshof.

Christian Wulff ging in seinem Grußwort darauf ein, dass es Aufgabe aller Länder sei, sich an der Geschichtsaufarbeitung zu beteiligen. Dies dürfe nicht nur auf den Osten Deutschlands beschränkt bleiben. Auch die Westdeutschen seien vom Unrecht an der innerdeutschen Grenze und an der Berliner Mauer betroffen gewesen. Niedersachsen hatte die längste innerdeutsche Grenze. In der Erfassungsstelle Salzgitter wurden zahlreiche Vorgänge dokumentiert, die sich an der Grenze ereigneten. Die Unterlagen wurden nach der Wiedervereinigung der Staatsanwaltschaft II beim Berliner Landgericht zur Verfügung gestellt. Wulff erinnerte auch an die nunmehr 57 Jahre zurückliegende Berlin-Blockade und an den Tod von Oskar Brüsewitz vor 30 Jahren. Zeitzeugenerinnerungen, Gedenkstätten wie Marienborn und Bergen-Belsen sowie die Aufnahme von Themen aus beiden deutschen Diktaturen in den Unterricht der 9. und 10. Klassen seien dringend geboten. In diesem Zusammenhang verwies er auf in Niedersachsen ansässige Verfolgte, wie Wolfgang Becker und Alexander Bauersfeld, die als Zeitzeugen angefragt werden können.

Wolfgang Böhmer stellte fest, dass in der Aufarbeitung der deutschen Diktaturgeschichte eine geteilte Wahrnehmung in Ost und West vorhanden ist. Schon deshalb sei es gut, eine solche Tagung wie diese auch einmal im Westen durchzuführen. Immerhin habe 1989 eine gewaltlose Revolution stattgefunden. Wäre man nach Lenins Revolutionstheorie vorgegangen, hätte zuerst die herrschende Klasse liquidiert werden müssen, dass dies nicht erfolgt sei, habe seinen Preis. Auch sollten immer beide Diktaturen betrachtet werden. Es gebe Orte, wie zum Beispiel den Roten Ochsen in Halle an dem beide Diktaturen Spuren hinterlassen haben. Somit könne man auch vergleichen, nicht aber relativieren. Das Eintreten für eine bessere (besser im Sinne von gerechterer) Gesellschaft sei immer auch bei den nachfolgenden Generationen vorhanden. Ob die DDR dabei wirklich als die bessere Alternative abschneide, wie es manche Eltern ihren Kindern vermitteln wollen, sei schon zu hinterfragen. Schon deshalb sei es notwendig, vielfältige Möglichkeiten und Orte zu schaffen, an denen sich nachfolgende Generationen selbst informieren und ein Bild über das Leben in der Diktatur machen können. Allein nach dem Filmstart in den Kinos. Das Leben der Anderen seien in Magdeburg 20% mehr Anträge auf Einsichtnahme in die Stasi-Akten gestellt worden. Auch er selbst habe inzwischen Einsicht in seine OPK genommen.

Zu einem 3. SED Unrechtbereinigungsgesetz gebe es die Dreiländerinitiative von Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Es sei dabei vor allem wichtig, dass die Verbände sich untereinander auf ein einheitliches Vorgehen verständigten.

Landrat Kilian erinnerte an die Gegend als Zonenrandgebiet und Leuchtturm der Freiheit. In den Grenzmuseen, darunter auch im Zonengrenzmuseum Helmstedt Glück auf wird an die Zeit der getrennten Landschaften erinnert. Auch sei hier der Begriff Grenzkunst dafür geprägt worden.

Bürgermeister Lippelt wurde 1953 in Chemnitz geboren, stammt also aus der DDR. Er stellte kurz die Stadt Königslutter vor: 16.500 Einwohner, Kernstadt und 17 Ortsteile. Eini25 ge Probleme gebe es noch in der wirtschaftlichen Entwicklung des ehemaligen Zonenrandgebietes. Man sei aber auf gutem Wege. Er lud die Veranstaltungsteilnehmer am Nachmittag zu einem Besuch des Dom-Museums und zu einem kleinen Empfang in das Museum für mechanische Musikinstrumente ein.

Den Hauptvortrag hielt Dr. Ehrhart Neubert zum Thema des Kongresses. Einleitend erwähnte er seine erste Begegnung mit Königslutter, als er im November 1989 auf der Fahrt nach Braunschweig mit seinen Kindern in Königslutter den in der Kirchengemeinde angebotenen Kaffee und Kuchen genoss.

Das Thema beinhalte einige Tücken. Geschichte sei ja schließlich eine nachträgliche Interpretation historischer Vorgänge, die vor allem auf wahrheitsgemäßer Darstellung beruhe.

Der Prozess der Wahrheitsfindung aber sei auch heute noch nicht abgeschlossen.

Ausgehend von der 1989 plötzlich eintretenden Wiedervereinigung Deutschlands gab es bei vorhandenen mentalen Unterschieden eine Art gegenläufige Verarbeitung. Mit einem Mal waren alte Normen über den Haufen geworfen worden, Verträge, Politik waren obsolet, eine Neuorientierung musste einsetzen. Es gab Täuschung, Selbsttäuschung, Überrumpelung im Osten und eine Art Flickenteppichpolitik im Westen. Freiheit, Wiederherstellung des Rechts, Rechtsstaatlichkeit waren Prämissen, Wandel und Wiedervereinigung jedoch wurden weniger aus sich selbst heraus begriffen. Eigentlich hätte es mehr Erneuerung geben müssen, vielfach ist es jedoch bei Angleichung an Althergebrachtes aus dem Westen geblieben. Im Zusammenhang von Sprache und Macht erläuterte er die 89iger Revolution auch als eine Sprachrevolte, beginnend aus dem Öffnungsraum der Kirchen heraus auf die Straßen und Plätze der Städte, Losungen auf der einen Seite, Sprachlosigkeit verbunden mit Machtverfall auf der anderen. Auf Grund der bis zu den Wahlen bestehenden Doppelherrschaft alter und neuer Machtinhaber gab es Dialog und Runde Tische, die die Zeit bis zur Volkskammerwahl am 18. März 1990 prägten. Verwirrung und Unsicherheit teilweise auch Chaos, wie beim Turmbau zu Babel, die Ereignisse jagten sich gegenseitig. Eine historische Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt gestalte sich immer noch schwierig.

Die Vorträge und die Diskussionen der Kongressteilnehmer wurden in Abweichung vom bisherigen Prinzip besser gebündelt, indem folgendes Prinzip gewählt worden war:

1. Impulsvortrag mit theoretischem Hintergrund

2. Impulsvortrag mit praktischem Hintergrund

3. Diskussion über die Inhalte beider Vorträge, Ergänzungen, eigene Tätigkeiten und Erfahrungen.

Der Sonnabend begann mit den Vorträgen zur juristischen Aufarbeitung.

Herr Dr. Grasemann, der ehemalige Leiter der Erfassungsstelle Salzgitter, begann seinen Vortrag mit einigen Zahlen. So wurden insgesamt 62.000 Ermittlungsverfahren wegen SED-Unrecht durchgeführt. Etwa 43.000 Verfahren gab es gegen Richter und Staatsanwälte der DDR wegen Rechtbeugung und Totschlag. Davon wurden jedoch viele wieder eingestellt. Zum einen wegen des so genannten Rückwirkungsverbotes (Art. 102/2 GG). Die Tat muss strafbar sein am Tage ihres Begehens, d.h. sowohl nach dem Strafrecht der DDR als auch nach dem Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland. Andererseits waren die Maßnahmen der Staatssicherheit zumeist keine Straftatbestände, weil sie nach DDR-Recht eben nicht strafbar waren. Rechtsbeugung hingegen lag nur vor, wenn

a) ein Gesetz zur Anwendung kam, das nicht passte bzw. erst passend gemacht werden musste;

b) das Gesetz zwar anwendbar war, es jedoch zu exzessiv gehandhabt wurde;

c) Vorgaben durch politische Gremien gemacht wurden, um zu einem politisch gewünschten Ergebnis zu kommen.

An diesen Hindernissen der juristischen Verfolgung von DDR-Unrecht sind viele Strafverfahren oft schon im Vorfeld gescheitert, so dass die meisten Ermittlungsverfahren nicht zu Anklagen führten.

Einige Urteile hat es dennoch gegeben z. B. wegen der Todesfälle an der Grenze, nicht nur gegen die Mauerschützen, auch gegen Schreibtischtäter, wie z. B. Krenz und Streletz. Auch Berghofer und Modrow erhielten Geld- oder Haftstrafen wegen Wahlfälschung. In 52 Fällen wurden Verfahren wegen Wirtschaftsverbrechen durchgeführt. Im Ergebnis könne man zwar feststellen: der Staat DDR hat tatsächlich Unrecht begangen. Von einer juristischen Aufarbeitung jedoch könne man kaum sprechen. Aufarbeitung könne mit nur juristischen Mitteln nicht geleistet werden, einige meinten auch, die Waage des Rechts in Deutschland sei falsch justiert.

Horst Schüler gab Einblicke in die Sicht der Opfer und kritisierte die Justizbehörden, die die Ergebnisse der friedlichen Revolution aufgeweicht haben, soweit, dass einige Tatbestände heute nicht einmal mehr benannt werden dürften. Diestel z. B. habe einmal geäußert: ... nur wer verurteilt ist, könne als Verbrecher bezeichnet werden.... Die Gründe seien vielfältig, so die Anfälligkeit der Intellektuellen für soziale Ideen, die Sucht nach Weltanschauung, Ahnungslosigkeit in Führungsgremien der demokratischen Parteien und die Sonderstellung der DDR im Verbund der ehemaligen sozialistischen Staaten, die DDR sei der bessere deutsche Staat gewesen. Folgen sind dann, dass Altkader sich wieder sicher fühlen und in Massen auftreten, ihre Taten leugnen und die Opfer verhöhnen.

Beide Vorträge waren Anlass zu reger Diskussion. Kritik wurde an der Anwendung des Rückwirkungsverbotes geübt, da es für Friedenszeiten gemacht sei und nicht beim Zusammenbruch einer Diktatur verwandt werden könne. Aber auch die Politik habe Fehler gemacht, insbesondere sei die Erklärung der SED zur verbrecherischen Institution nicht erfolgt. Das könne man immerhin auch im Nachgang heute noch tun.

In einer zweiten Runde referierten Stefan Trobisch-Lütge, Gegenwind und Jens vom Bürgerbüro über psychosoziale Aspekte bei der Aufarbeitung.

Heute habe man dem Umstand Rechnung zu tragen, dass viele PTS-Krankheitsverläufe chronifiziert werden. In einigen Fällen müssen wir leider feststellen, dass Retraumatisierungen eingesetzt haben und nicht nur die Folgen der Verfolgung, sonder bereits die Folgen der Folgen der Verfolgung Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf nehmen. Die Sicht der Betroffenen 12 Jahre nach der Vereinigung wird geprägt durch gesellschaftliche Ignoranz.

Während die Wahrnehmung der Verbrechen an den Menschen andauert, geht die Wahrnehmung der Schäden immer mehr verloren. Die Unausgereiftheit der Reha-Gesetze und die Ablehnung einer Opferrente führen in die Verbitterung der Opfer. Die wesentlichen Mängel wurden benannt, Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen. An anderer Stelle dieses Berichts wurde dazu bereits Weiteres ausgeführt.

Klaus Knabe, Pforzheim und Dr. Joachim Scherrieble, Gedenkstätte Marienborn, sprachen über erinnerungspolitische Aspekte der Aufarbeitung.

Klaus Knabe berichtete über seine museale Sammlung, die er 1990 begonnen hat aufzubauen. Zunächst auf einem Dachboden, bis 1998 stand sie in einer französischen Kaserne, danach in einer Wohnung, 2003 wurde die Ausstellung über 3 Etagen und 8 Räume erweitert.

Die Sammlung umfasst etwa 6000 Exponate, 4000 davon befinden sich in der Ausstellung.

Träger des Museums ist der Verein Gegen das Vergessen e.V., der 2000 gegründet wurde und heute aus 110 Mitgliedern (25 Aktiven, 70% West, 30% Ost,) besteht. Alle arbeiten ehrenamtlich. Acht Lehrer wurden vom Kultusministerium für pädagogische Arbeit zeitweilig abgestellt. Die Führungen dauern etwa 2,5 Stunden, zwei Zeitzeugen haben sich bereit erklärt, an Führungen auf Wunsch teilzunehmen bzw. diese durchzuführen. Über 6000 Besucher, 282 Schulklassen, ca. 200 Vereine haben das Museum bis heute besucht.