Sozialhilfe

Kongress der Landesbeauftragten mit den Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen in Schwerin

Vom 12. bis zum 14. Mai 2000 fand in Schwerin das 4. Verbandstreffen der Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen mit den Landesbeauftragten statt. Die Veranstaltung trug den Titel Demokratie braucht Erinnerung. Im Mittelpunkt standen diesmal die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, aus denen Gastreferenten angereist waren. Sie standen Rede und Antwort über ihre Erfahrungen mit der Diktatur und dem heutiger Stand der Aufarbeitung. Zeitzeugenberichte, Tondokumente, ein Vortrag über das Grenzregime an der Ostsee verbunden mit einem stillen Gedenken an diejenigen, die ihr Leben ließen beim Versuch über die Ostsee zu flüchten, am Ostseestrand in Timmendorf waren wesentliche Eckpunkte der Veranstaltung. Breiten Raum nahmen auch die Diskussionen aus den Verbänden ein, insbesondere wird immer wieder die Unzufriedenheit der Opfer mit den bestehenden rehabilitierungsrechtlichen Vorschriften benannt. Die Forderung nach einer ausgleichenden Opferrente für alle politisch Verfolgten stand im Mittelpunkt der Diskussionsbeiträge. Aus Thüringen nahmen 25

Vertreter aus den Verbänden teil, die gemeinsam mit Sammeltransport nach Schwerin reisten.

Anhebung der Kapitalentschädigung, 2. Änderungsgesetz

Am 26.11.1999 wurde im Deutschen Bundestag das 2. Änderungsgesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer politischer Verfolgung beschlossen und in der 746.

Sitzung des Bundesrates am 17.12.1999 zur Änderung angenommen. Als wesentliche Änderungen sollen hier nochmals folgende genannt werden:

Die Kapitalentschädigung für erlittene Haft wurde auf einheitlich 600,00 DM erhöht. Für Personen, die bereits eine Haftentschädigung erhalten haben, wird auf Antrag eine Nachzahlung gewährt. Für die nächsten Angehörigen von Hingerichteten oder während der Haft oder unmittelbar danach Verstorbenen wird eine Unterstützung von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge auch dann gezahlt, wenn sie nicht in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind.

Diese Änderungen wurden von den Betroffenen begrüßt, dennoch wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass der rentenrechtliche Ausgleich von Ausfallzeiten nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz nur in wenigen Fällen zu einer tatsächlichen Rentenverbesserung führte. In Anbetracht der Besserstellung der Täter nach Verfassungsklage fühlten sich viele Opfer verhöhnt, da sie zum Teil Renten in Höhe des Sozialhilfeniveaus erhielten und dies wahrlich keine angemessene Entschädigung für z. T. jahrelange Verfolgungszeiten ist. Dieser Umstand war und ist immer noch Gegenstand zahlreicher Stellungnahmen, Resolutionen, wurde auf Konferenzen zentral und in den Ländern immer wieder benannt und ist mehrmals an die politisch Verantwortlichen herangetragen worden.

Erst eine Gesetzesinitiative des Abgeordneten Günter Nooke, CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag, erweckte wieder Hoffnung durch das In-Aussicht-Stellen einer Ehrenpension mit einem Dritten Änderungsgesetz. Eine Entscheidung dazu steht bis heute noch aus. Sie würde aber von allen Opferverbänden mitgetragen als eine Lösung, die über Krümeleien an den bestehenden rechtlichen Vorschriften hinausgeht und tatsächlich - für die meisten - eine reelle Verbesserung der Lage bringt.

Veranstaltungen der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin

Die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur führte im Berichtszeitraum drei wichtige Informationsveranstaltungen zu Fragen der Rehabilitierung durch. Durch die Organisation von Sammeltransporten konnten aus den Thüringer Opferverbänden jeweils interessierte Mitglieder teilnehmen.

Der Generalstaatsanwalt der Russischen Förderation Oberst Leonid Kopalin informierte am 14. April 2000 über den Stand der Rehabilitierungen deutscher Staatsbürger durch die Militärhauptstaatsanwaltschaft der Russischen Förderation. Es ging hierbei um Fragen von administrativ in Lager eingewiesene Personen mit und ohne Urteil. Die Anträge sind jeweils über das Auswärtige Amt an die Deutsche Botschaft in Moskau weiterzuleiten. Dort gibt es eine gute Zusammenarbeit mit der russischen Militärstaatsanwaltschaft. Über Archivrecherchen werden die näheren Umstände der Einweisung in die Lager ermittelt und Urteile - soweit vorhanden - zur Verfügung gestellt. Die Reha-Bescheinigungen werden auf dem umgekehrten Wege den betroffenen Bürgern übermittelt. Rehabilitiert wird, wenn keine Hinweise auf strafbare oder verbrecherische Delikte vorlagen und die Verhaftungen auf Grund politisch veranlasster Repression geschah. Schwierigkeiten gibt es für Internierte in Speziallagern, da dieser Umstand im russischen Rehabilitierungsgesetz nicht berücksichtigt wurde. In diesen Fällen werden Bescheide ausgestellt, die das Datum der Verhaftung und die Begründung für die Einlieferung in die Speziallager enthalten. Es ist jedoch nicht möglich, ohne das russische Gesetz zu ändern, hier eine Rehabilitierungsurkunde auszustellen. Die deutsche Seite hat, auch auf höchster Ebene, diese Problematik angesprochen. Daraufhin hat die russische Rehabilitierungskommission den Präsidenten informiert. Parallel dazu wurden diese Fragen in den Ausschüssen der Staatsduma der Russischen Förderation geprüft. Eine endgültige Entscheidung hängt vom Staatsoberhaupt und der russischen Legislative ab und wurde noch nicht getroffen.

Am 31.05.2000 sprach Herr Michael Heinatz von der Rehabilitierungskammer beim Landgericht Berlin und zog eine vorläufige Bilanz nach 10-jähriger Praxis bei der strafrechtlichen Rehabilitierung. Es wurde ausführlich das Rehabilitierungsverfahren nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz erläutert und auf Problemfälle (z. B. SMT-Verurteilung) hingewiesen. Es bestand die Möglichkeit, auf viele Fragen Antworten zu erhalten. Davon wurde auch rege Gebrauch gemacht.

Schließlich referierte am 07.09.2000 Herr Stefan Trobisch über Fragen der Anerkennung von Haftfolgeschäden und über die posttraumatischen Folgen erlittener Haft, ein Sachverhalt der zur Überprüfung der Anträge bei den Versorgungsämtern führte, da ein kausaler Zusammenhang zwischen damaliger Haft und heute nachwirkender Schädigung oftmals schwer nachweisbar war. Auch waren in der Vergangenheit solche Nachweise vom jeweiligen Gutachter abhängig. Auch diese Problematik wird immer wieder von Opfern kritisch angesprochen, trotzdem heute die meisten Vorgänge nach nochmaliger Überprüfung abgeschlossen sind.

Beginn der Rückführung der Roosewood-Daten aus den USA

Mit Rosenholz wurde in verschiedenen Veröffentlichungen eine Aktion des amerikanischen Geheimdienstes CIA bezeichnet, in der die auf Mikrofilm verfilmten Karteien der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des in die Hände der Amerikaner gelangt sind. Wie diese Aktion ablief und wer die Verbindungsmänner waren, ist Geheimnis der Amerikaner und dürfte sich sobald nicht aufklären lassen.

Nachdem bereits das Bundesamt für Verfassungsschutz teilweise in die Datenbestände Einblick erhalten hatte, stellte sich die Frage, ob es sich dabei um Materialien des handelt und wenn ja, ob der Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen diese Daten für seine Zwecke nach verwenden kann. Problem dabei ist, dass es sich nicht mehr um Originaldaten handelt, sondern um elektronisch aufbereitetes Material, dass auf mehrere CD-ROMs gebrannt, mit Zugriff über eine spezielle Datenbanksoftware, unter Umständen bereits selektiert, als Geheimmaterial den zuständigen bundesdeutschen Stellen bis dato nur teilweise übergeben wurde. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich dabei um die F16 und F22-Karteien der HVA. Bis Anfang des Jahres 2001 waren nach Zeitungsberichten erst 6 von 1000 CD-ROMs an die deutschen Stellen übergeben worden. Der Bundesbeauftragte wurde an der Sichtung des Materials beteiligt.

Allerdings unterliegt es sowohl bei den Amerikanern, als auch bei den deutschen Stellen noch der Geheimhaltung und kann noch nicht allgemein verwendet werden. Die F16-Karteien sind alphanumerisch sortiert und die ersten übergebenen CD-ROMs enthalten nur die ersten Buchstaben des Alphabets.

Festgestellt wurde auch, dass mehrere nach F16 registrierte Personen auf ein und denselben Vorgang in der F22-Vorgangskartei verweisen. Somit ist eine eindeutige Zuordnung nicht ohne weiteres möglich. Es bedarf weiterer Recherchen, beispielsweise in den SIRA-Datenbanken oder in anderen Aktenmaterialien, um genauere Zuordnungen zu erhalten. Bis Ende 2001 sollen voraussichtlich alle CD-ROMs übergeben sein.

Gesetzentwurf des Abgeordneten Nooke, CDU-Fraktion des Deutschen Bundestages

Im Juni 2000 legte der Abgeordnete Günter Nooke, nach mehreren Anhörungen und Vorsprachen von Vertretern der Opferverbände, einen Gesetzentwurf zu einem Dritten Gesetz zur Bereinigung von SED5

Unrecht (3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz) vor. In diesem Entwurf ging er auf die Frage der Verhältnismäßigkeit ein, die seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Angleichung der Renten für Systemträger gegenüber der Stellung der Opfer im Rentensystem der Republik in Frage gestellt worden war. Die Rentenausgleichsmaßnahmen nach 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz hatten sich in vielen Fällen als nicht ausreichend erwiesen. Sie brachten für die Mehrzahl der Betroffenen kaum Verbesserungen. Die Forderung nach einer Ehrenpension, so wie sie den Verfolgten des Naziregimes gewährt worden war, sollte mit diesem Gesetzesvorschlag eingeführt werden. Die Zahlung der Ehrenpension sollte unter der Voraussetzung gezahlt werden, dass ein Freiheitsentzug von mindestens einem Jahr oder eine politische Verfolgungszeit von mindestens zwei Jahren festgestellt werden kann. Die Höhe sollte 1.000,- DM betragen. Für Opfer, die am 3.10.1990 noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatten, sieht der Vorschlag eine Begrenzung auf 10 Jahre vor. Bis heute ist darüber viel diskutiert worden, bei den Opferverbänden gibt es eine große Erwartungshaltung. Eine positive Antwort steht allerdings angesichts leerer Kassen bei Bund und Ländern noch aus, aber immerhin wird darüber gesprochen, sogar im Deutschen Bundestag.

Besuch in Sighet

Im September 2000 besuchte der Landesbeauftragte das Europäische Memorial für kommunistische Folteropfer in Sighet, Rumänien. Nachdem bereits einige Vertreter aus osteuropäischen Ländern auf den gemeinsamen Kongressen der Landesbeauftragten über die Situation ihres jeweiligen Landes gesprochen hatten, über Fragen der Hinterlassenschaft kommunistischer Diktaturen, übernahm es der Thüringer Landesbeauftragte, auch Kontakte nach Rumänien herzustellen, denn Fragen des Umgangs mit den Opfern und Fragen der Erinnerung an die Zeit der Diktaturen vollziehen sich nicht nur in Deutschland, sondern zunehmend im europäischen Kontext. In Sighet war zum einen mit Hilfe von Fördermitteln aus europäischen Fonds und zum anderen mit Mitteln aus deutschen Stiftungen aus einem ehemaligen Gefängnistrakt eine Gedenkstätte für politische Folteropfer errichtet worden. Das Sigheter Gefängnis war eines der Orte des Terrors, von denen es im ganzen Land etwa 300 gab. Darunter war Sighet das erste politische Gefängnis des Stalinismus in Rumänien. Im Heft 18 unserer Zeitschrift Gerbergasse 18 wurde ausführlich berichtet. Ioan Ilban, der selbst 1948 als politischer Häftling in das Sigheter Gefängnis eingeliefert worden war, ist heutiger Gedenkstättenleiter. Er wurde zum Gegenbesuch nach Deutschland eingeladen. Herr Ilban wird auf dem Kongress der Landesbeauftragten im Mai 2001 sprechen und verschiedene Orte in Thüringen besuchen. Tage der offenen Tür

Sowohl am Tag der offenen Tür anlässlich des Thüringentages am 30.09.2000, als auch an den Tagen der offenen Tür der Thüringer Außenstellen des Bundesbeauftragten Erfurt und Gera nahm der Landesbeauftragte mit Ausstellungen, Auslagen, Sprechzeiten und Broschürenangebot teil. Viele Besucher nutzten die Gelegenheit, zu bestimmten Fragen - zumeist im Zusammenhang mit Rehabilitierungen oder Antragstellungen - einen Rat einzuholen. Zuspruch fand auch das Angebot von Videofilmen, die von der Kontraste-Redaktion des SFB dem Landesbeauftragten zur Verfügung gestellt wurden. Im Übrigen wurden über das Jahr 2000 hinweg 6.865 Broschüren an interessierte Bürger abgegeben, etwa 800 wurden auf Anforderung verschiedener Stellen, Bibliotheken verschickt. Aus dem Broschürenverkauf (nur Publikationen ab 100 Seiten) resultierten Einnahmen in Höhe von 800,- DM. Ereignisse im Jahr 2000, die zur Tätigkeit des Landesbeauftragten in Bezug standen

Am 08.09.2000 feierte der Braunsdorfer Jugendpfarrer i. R. Walter Schilling seinen 70. Geburtstag.

Walter Schilling gehörte zu denjenigen, die sich intensiv forschend mit den innerkirchlichen Fragen und der Durchsetzung der evangelischen Kirche mit inoffiziellen Kräften beschäftigten und die Einflussnahme des auf die Kirchenpolitik analysierten.

Der größte Opferverband, die VOS, beging am 8. und 9. April 2000 ihr 50-jähriges Bestehen im Berghotel Friedrichroda. Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus hatte sich am 9.