Versicherung

Die Einweisung der Betroffenen in die Jugendwerkhöfe ist mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlich rechtsstaatlichen Grundordnung unvereinbar. Die Einweisung erfolgte unter haftähnlichen Bedingungen und stellt einen tatsächlichen Übergriff der Staatsgewalt dar. Die Einweisung der Betroffenen in die Jugendwerkhöfe war daher § 2 i.V.m. § 1 zu rehabilitieren.

Fall 2: Einer Ende der 50-iger Jahre vom Rat des Kreises Stralsund in den Jugendwerkhof Hummelshain eingewiesenen 17-jährigen (ihre Mutter war seit der Vertreibung krank, Vater und Bruder verstorben) wurde vom Landgericht Rostock die Rehabilitierung versagt. Nachforschungen der Staatsanwaltschaft ergaben, dass Unterlagen über die angeordnete Unterbringung nicht mehr vorhanden sind. Aus den Schilderungen der schwierigen Lebensverhältnisse vor der Einweisung konnte das Landgericht die Zweckmäßigkeit der Unterbringung in den Jugendwerkhof nicht ausschließen, auch ... wenn die Betroffene diese Art der Unterbringung als sehr unangenehm und als Verletzung ihrer Persönlichkeit empfand. Auf die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichtes Rostock stellte die Generalstaatsanwaltschaft Rostock fest: Auch wenn entsprechend der Darstellung der Betroffenen bei ihr seinerzeit Erziehungsschwierigkeiten nicht vorgelegen haben, so gehörte sie zur Kategorie der anhanglosen, familiengelösten und milieugefährdeten Jugendlichen mit der Folge, dass sie in ein Jugendwohnheim aufzunehmen gewesen wäre. (vgl. § 6 Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über Heimerziehung von Kindern und Jugendlichen; DDR GBl. Nr. 140 vom 03.12. 1951 ­ d. V.) Ihre stattdessen erfolgte Unterbringung im Jugendwerkhof erscheint unter diesen Umständen nicht sachgerecht. Sie kann jedoch nicht als rechtsstaatswidrig angesehen werden, weil angesichts der bekannten unzureichenden Wohnungssituation in der ehemaligen DDR es nahe liegend erscheint, dass in Ermangelung von Plätzen in Jugendheimen die Unterbringung der Betroffenen ersatzweise im Jugendwerkhof erfolgte.

Das Oberlandesgericht Rostock verwarf die Beschwerde als unbegründet, auch wenn die Gründe ... zu einer Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem Jugendwerkhof, in dem regelmäßig erziehungsschwierige oder straffällige Jugendliche untergebracht wurden, und nicht etwa nur in einem Jugendwohnheim.. nicht ermittelt werden konnten.

Berufliches Rehabilitierungsgesetz Allgemein wird angenommen, wie auch in verschiedenen Einzelfällen gerichtlich bestätigt, dass verfolgte Schüler nach dem 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz keinen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung haben. Bezug wird auf § 3 Abs. 1 Berufliches Rehabilitierungsgesetz - - genommen. Ein Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung wird mit der Begründung versagt, dass für verfolgte Schüler für den Zeitpunkt des politischen Eingriffs noch keine für die Rentenversicherung quantifizierbare Nachteile feststellbar sind. Der Gesetzgeber habe für verfolgte Schüler die Ausgleichsleistungen auf bevorzugte Studienförderung und bevorzugte Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung begrenzt.

Fall 3: Ein 16-jähriger Jugendlicher musste im Jahr 1945 eine zur Hochschulreife führende Schulausbildung unterbrechen, da er von der sowjetischen Besatzungsmacht bis 1948 ins NKWDSpeziallager Sachsenhausen verbracht wurde. Die zuständige Rehabilitierungsbehörde stellte die Dauer der verfolgungsbedingten Verzögerung einer Ausbildung für die Zeit 01.09.1945 bis 31.08.1948 an einer Erweiterten Oberschule fest. Am 01.09.1948 wurde die Schulausbildung vom anerkannt Verfolgten fortgesetzt. Nach erfolgreichem Schulabschluss wurde das bereits 1945 beabsichtigte Hochschulstudium aufgenommen und ebenfalls erfolgreich abgeschlossen, allerdings erst 1957. Beim Rentenversicherungsträger berief sich der Betroffene nun auf § 12 Abs. 2 Ist wegen einer Verfolgungsmaßnahme eine Schulausbildung, Fachschulausbildung oder Hochschulausbildung unterbrochen, jedoch später wieder aufgenommen und abgeschlossen oder eine neue Ausbildung begonnen und abgeschlossen worden, sind die Ausbildungszeiten als Anrechnungszeiten bis zum Doppelten der allgemein geltenden Höchstdauer anzuerkennen. und verlangte, dass bei seiner Rentenberechnung die unterbrochene Schulzeit entsprechend berücksichtigt würde. Dies lehnte der Rentenversicherungsträger mit dem Hinweis auf seine Anerkennung als verfolgter Schüler ab.

Der Potsdamer Kommentar zur Rehabilitierung Verlag Kohlhammer 1997, sagt auf Seite 259 zu § 12 Abs. 2 Diese Höchstbesuchszeiten können nach Abs. 2 bis zur insgesamt zweifachen Dauer im Versicherungsverlauf angerechnet werden, für die Fälle, dass eine Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung verfolgungsbedingt unterbrochen und später wieder aufgenommen und abgeschlossen oder eine gänzlich neue begonnen und abgeschlossen worden ist.

Wenn nach § 12 Abs. 2 ausdrücklich die Unterbrechung der Schulausbildung als eigene Alternative genannt wird, nach der die Anrechnungszeit bis zum Doppelten anzuerkennen ist, so ist es nicht nachvollziehbar, warum dies für den geschilderten Fall nicht zutreffend sein soll.

Wenn die Auffassung des Rentenversicherungsträgers als rechtens anzusehen wäre, müsste konsequenterweise in § 12 Abs. 2 das Wort Schulausbildung gestrichen werden.

Anderenfalls scheint ein offensichtlicher Widerspruch im Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes zwischen § 3 Abs. 1 und § 12 Abs. 2 zu bestehen.

Der Landesbeauftragte hat sich mit der Bitte um Klärung dieses Problems an das Bundesministerium der Justiz gewandt. Eine Antwort steht noch aus.

Erwähnung soll hier finden, dass der Freistaat Sachsen nach Kabinettsbeschluss unter bestimmten Voraussetzungen verfolgten Schülern eine einmalige finanzielle Zuwendung für das erlittene Unrecht zahlen will. Der Antrag ist auf den entsprechenden Antragsformularen bis zum 31. Mai 2001 beim Sächsischen Landesamt für Familie und Soziales zu stellen.

Zur Situation der Opfer

Zur Situation der Opfer politischer Verfolgung in der SBZ/ DDR ist im letzten Tätigkeitsbericht ausführlich berichtet worden. Daran hat sich auch nichts geändert.

Zwischenzeitlich hat das Bundeskabinett, den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts vom April 1999 folgend, einen Gesetzentwurf - nach dem Stasi-Mitarbeiter und Repräsentanten der DDR künftig mehr Rente erhalten ­ gebilligt. Zur Verbesserung der Lage der politischen Opfer der DDR, Stichwort Verfolgtenrente, hat der Gesetzgeber noch keine ins Auge gefasste Regelung erkennen lassen. Bitteres Fazit eines anerkannten SED-Opfers: Es lohnt sich auch in der Demokratie, in der Diktatur der Macht gedient zu haben.

Haftfolgeschäden und Zentrale Stelle im TMSFG

Der Bundeskanzler hatte in seinem Schreiben an die Ministerpräsidenten der Länder vom Juli 1999 um Unterstützung bei der Umsetzung einer erleichterten Verfahrensweise zur Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden von Opfern des SED-Unrechtsregimes gebeten. Hintergrund: 95 % der Anträge auf Anerkennung gesundheitlicher Haftschäden wurden negativ beschieden, vornehmlich weil der kausale Zusammenhang zwischen Haft und Gesundheitsschaden nur schwer nachweisbar ist. Hin und wieder werden einem Gutachter auch mangelnde Sachkenntnis vorgeworfen. So heißt es in einem ablehnenden Bescheid eines Versorgungsamtes von 1997: Ein Zusammenhang zwischen der bei Ihnen bestehenden Angststörung und der Haft ist nicht wahrscheinlich. Zwar liegen Symptome vor, die im Zusammenhang mit einer so genannten posttraumatischen Belastungsreaktion interpretiert werden könnten..., allerdings ist es unwahrscheinlich, dass eine Haftzeit mit Fernstudium zum Diplomingenieur mit Literaturzugang und monatlichen Seminaren das Kriterium einer außerordentlichen traumatischen Belastung hervorrufen kann.

Der Antragsteller hatte 1958 (18-jährig) eine 4 Jahre und 3 Monate dauernde rechtsstaatswidrige Haft ­ u.

a. in Waldheim ­ erlitten, wie der Rehabilitierungsbeschluss von 1992 belegt, welcher dem Gutachter vorgelegen hat. Auch wenn der Gutachter die Haftbedingungen der SED-Gefängnisse nicht kannte, hätte er wissen müssen, dass die Regelstudienzeit im Direktstudium zum Diplomingenieur zu dieser Zeit 5 Jahre betrug.

In Thüringen wurden auf Grund des Kanzlerbriefes alle Entscheidungen, durch die Schädigungsfolgen nach den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen nicht anerkannt wurden, einer nochmaligen eingehenden Überprüfung durch ein jeweils anderes Thüringer Versorgungsamt unterzogen.

Für alle Fälle, in denen nach der nochmaligen Prüfung Zweifel an der getroffenen Verwaltungsentscheidung offen geblieben waren, hatte das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit (TMSFG) eine Zentrale Stelle zur Beratung über die weitere Vorgehensweise einberufen. Die Zentrale Stelle ist eine Kommission aus Vertretern des Thüringer Landesamtes für Soziales und Familie, den Thüringer Versorgungsämtern, dem Beauftragten der Thüringer Opferverbände und dem Landesbeauftragten unter Leitung des TMSFG. Jederzeit kann der Beauftragte der Opferverbände und der Landesbeauftragte auch an ihn von Opfern herangetragene Schwierigkeiten im Verwaltungsverfahren hier einbringen. Opferverbände anderer Bundesländer wünschten sich für ihr Land auch die Errichtung einer Zentrale Stelle.

Im Jahr 2000 wurden von der Zentralen Stelle 15 Fälle behandelt. Anhand der Aktenlage wurde diskutiert und entschieden, ob eine vorgeschlagene Entscheidung anerkannt werden kann oder weitere Sachverhaltsaufklärung notwendig ist. Vom Landesbeauftragten konnten weitere Ärzte und Psychologen zur Begutachtung benannt werden, die das Vertrauen von Opfern besitzen. Eine Information, zu welchem Ergebnis es in den Fällen gekommen ist, in denen sich die Zentrale Stelle auf eine weitere Begutachtung verständigt hatte, liegt noch nicht vor.

Die nochmalige Überprüfungsaktion in den Ämtern von 482 in erster Prüfungsstufe abgelehnten Anträgen führte zu 9 Leistungsbescheiden nach § 44 SGB X. Für drei Hinterbliebene konnte Witwenversorgung gewährt werden. So erfreulich die Anerkennung für 9 Antragsteller auch ist, insgesamt hat sich die Anerkennungsquote durch die von der Bundesregierung eingeleitete untergesetzliche Regelung nur kosmetisch verändert. Die geltende Gesetzeslage ist nicht ausreichend.

Beratung öffentlicher Stellen

Überprüfungen der Landräte, Oberbürgermeister/ Bürgermeister, Ortsbürgermeister und hauptamtlichen Gemeinschaftsvorsitzenden sowie der Gemeinderats- und Kreistagsmitglieder auf eine frühere Zusammenarbeit mit dem Im letzten Tätigkeitsbericht wurde auf Grund vieler Anfragen von Mitgliedern kommunaler Vertretungskörperschaften aus kreisfreien Städten und Landkreisen nach der Kommunalwahl im Juni 1999 darauf hingewiesen, dass es eine landesrechtliche Regelung zur Überprüfung von gewählten Kreistagsmitgliedern und Stadträten in Thüringen nicht gibt. Die Auffassung des Landesbeauftragten wurde dort hinreichend erläutert. Diese Verfahrensweise der Überprüfung war Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung und wurde so seit 1990 von Gemeinde- und Stadträten aller jungen Bundesländer (nicht zuletzt mit Blick auf Förderung des Vertrauens der Bevölkerung in die eigene Vertretungskörperschaft) praktiziert. Nach Kenntnis des Landesbeauftragten sind in der Vergangenheit die Überprüfungsgremien in Thüringen in verantwortungsvoller Weise mit den und deren Bewertung umgegangen.

Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sieht das Verfahren im Einklang mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz.

Verwiesen sei hier nochmals darauf, dass für Personen die zum Landrat, Bürgermeister bzw. Ortsbürgermeister gewählt wurden, andere Regelungen gelten, da diese die persönliche Eignung für die Berufung in das Beamtenverhältnis besitzen müssen.

Die bisher unstrittige Verfahrensweise bei Gemeinderats- und Kreistagsmitgliedern wurde mit Schreiben des Landesverwaltungsamtes vom 02.08.2000 als unrechtmäßiges Verfahren qualifiziert. Es wird darin bestritten, dass das allgemeine Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden eine ausreichende Rechtsgrundlage für ein Ersuchen auf Überprüfung nach § 19 Abs. 2 bietet.