Erziehungspartnerschaft erweist sich in der Realität durchaus als Herausforderung

Von der Geburt bis zur Wahl einer ergänzenden Unterstützung übernehmen die Eltern die Erziehung ihrer Kinder in alleiniger Verantwortung. Ein eher geringer Teil der Eltern kann diese Aufgabe nur mit entsprechender Hilfe leisten. Hier unterstützen neben der Jugendhilfe die Thüringer Familienzentren und künftig auch Mehrgenerationenhäuser durch ein zusätzliches, niederschwelliges Angebot.

Erziehungspartnerschaft erweist sich in der Realität durchaus als Herausforderung. Besondere Bedeutung gewinnt die individuelle Förderung von Kindern mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Eine solche Förderung erfordert eine besonders intensive Zusammenarbeit zwischen Eltern und Kindertageseinrichtungen oder Schule. Schule und Kindertageseinrichtung müssen familienfreundlich sein, Eltern sollen sich der Schule oder Kindertageseinrichtung ohne Berührungsängste öffnen können. Gemeinsam soll ein positives Klima geschaffen werden. Das gemeinsame Engagement, der vereinte Blick auf die Entwicklung des Kindes und der regelmäßige Austausch von Eltern, Erziehern, Lehrern und Fachkräften sichern das Wohl des Kindes am besten. Mit zunehmendem Alter der Kinder gestaltet sich die Erziehungspartnerschaft komplexer. Eltern, deren Kinder die Kindertageseinrichtungen besuchen, haben im Idealfall tägliche Kontakte zu den Erzieherinnen und kommunizieren miteinander. Mit Zunahme der Selbstständigkeit der Kinder und Jugendlichen verändert sich die Kommunikation der Eltern mit der Schule und nimmt in der Regel ab.

Besondere erzieherische Probleme können im Jugendalter dort entstehen, wo die jeweilige Bezugsgruppe gleichaltriger Jugendlicher die zielgerichtete Erziehung zunehmend ergänzt oder sie zeitweise sogar ersetzt. Gerade in dieser Entwicklungsphase ist die Erziehungspartnerschaft der Pädagogen, die in der Schule Gruppenprozesse beobachten, miterleben und auch mitgestalten, mit der Familie gefordert. Deshalb ist mit Sorge zu beobachten, dass die Elternkontakte mit der Dauer des Schulbesuchs der Kinder abnehmen und gerade belastete Familien diese eher zu vermeiden versuchen. Hier muss die Schule niederschwelligere Angebote entwickeln, als sie bisher vorhält und durch enge Kooperation mit der Jugendhilfe, aber auch der Jugendverbandsarbeit neue Ressourcen erschließen. Gemeinsame Maßnahmen von Schule und Jugendhilfe müssen zur Regel werden (vergleiche auch die Richtlinie Örtliche Jugendförderung).

Die gemeinsame Verantwortung von Kindertageseinrichtungen, Schule und Elternhaus kommt im Freistaat Thüringen unter Beachtung des individuellen Erziehungsrechts der Eltern auch in der aktiven Arbeit der Mitwirkungsgremien für Eltern zum Ausdruck. Für die Schule hat die Elternmitwirkung in Thüringen sowohl auf Schul- und Kreisebene als auch auf Landesebene einen guten Stand erreicht. Mitwirkungsrechte wahrnehmen und akzeptieren ist inzwischen auf allen Ebenen für die Schule selbstverständlich. Die Eltern, die sich in Thüringen als Klassen-, Schul-, Kreis-, Landeselternsprecher engagieren, machen Gebrauch von ihrem Anhörungs-, Auskunfts- und Initiativrecht. Eltern interessieren sich über ihre Vertretungen sehr stark für bildungspolitische Entwicklungen und deren konkrete Auswirkungen auf Schule.

Auch die Schulfördervereine tragen wesentlich zur gemeinsamen Verantwortung bei. Dies gilt in gleicher Weise für die Elternbeiräte in Kindertageseinrichtungen. Eltern sind nicht nur durch ihre Mitarbeit in den schulischen Mitwirkungsgremien starke Partner der Bildungseinrichtungen. Sie stellen vor allem als Partner im schulischen Alltag einen unverzichtbaren Bestandteil der Schulgemeinde dar (Teilnahme an Wandertagen, Wanderfahrten, Exkursionen, Leitung und Projekten im Rahmen der Schuljugendarbeit, Betreuung von Projekt- und Seminarfacharbeiten, Projekten, Projekttagen, Schultheatertagen, Unterstützung der Verkehrs- und Gesundheitserziehung, Mitgestaltung von Schulfesten Wettbewerben, Sportfesten, Lesenächten, Bereicherung des Unterrichts durch Eltern als Experten im Unterricht, Unterstützung der Betriebspraktika, Gewährung von Einblicken in die Arbeitswelt vor Ort durch Betriebsbesichtigungen, Organisation von Elternstammtischen und Teilnahme an Fortbildungen für Eltern, Elternakademie). Eltern sind außerdem ein wichtiger Partner der Schulen im Rahmen des Entwicklungsvorhabens Eigenverantwortliche Schule. Ein weiterer Aspekt der Qualitätsentwicklung ist das konsequente Nutzen des Erfahrungswissens von Älteren und Eltern. Hier öffnen sich Bildungseinrichtungen vermehrt nach außen und bieten vielfältige Möglichkeiten für gemeinsames Wirken, wie beispielsweise im Rahmen der Leseinitiative des Thüringer Kultusministeriums sowie der Unterstützung durch ältere Menschen als Experten bei der Berufswahlvorbereitung.

Dem Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre und den Lehrplänen liegt ein ganzheitliches Kompetenzmodell zugrunde. Der Bildungsplan wird wichtige Hinweise für eine alltagstaugliche Umsetzung des ganzheitlichen Ansatzes geben und die Familienarbeit unterstützen. Dies gilt insbesondere auch für die Lern- und Entwicklungsbeobachtung der Kinder, die erst dann effektiv ist, wenn sich dort auch die Eltern mit ihren Erfahrungen einbringen.

Die Einschätzungsbögen zur Kompetenzentwicklung halten den jeweils erreichten Stand erworbener Kompetenzen fest. Sie dienen als Grundlage für gemeinsame Beratungen der Lehrer mit Schülern und deren Eltern. Die Einschätzungsbögen bieten sich als ein geeignetes Instrument für das Vertiefen erziehungspartnerschaftlicher Beziehungen an, indem aus den Gesprächen zum Entwicklungsstand Zielvereinbarungen entstehen.

Das Selbstevaluationsinstrument THÜNIS erfasst die Prozessqualität an Thüringer Schulen von allen an Schule Beteiligten (Lehrern, Erziehern, Schülern, Eltern). Damit macht es deutlich, dass schulische Qualität nur dann objektiv eingeschätzt werden kann, wenn auch die entscheidenden Partner ihre Erfahrungen einbringen können. Damit ist dieses Instrument ein Beispiel für gelebte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Über 225 Thüringer Schulen nutzen THÜNIS, um ihre Qualität eigenverantwortlich und systematisch zu entwickeln.

Für die meisten Jugendlichen sind Eltern und andere erwachsene Bezugspersonen im familiären Umfeld die wichtigsten Ansprechpartner im Prozess ihrer Berufsorientierung. Die Jugendlichen in Thüringen ab Klassenstufe 7 erleben hier eine intensive Betreuung durch die Schule. Die Praxis zeigt, dass die Aktivitäten im Elternhaus und die Bemühungen der Schule bei der Berufswahl noch zu oft unverbunden nebeneinander herlaufen. An dieser Stelle setzt das im März 2006 gemeinsam mit der Universität Erfurt gestartete Projekt Bedeutung von Elternhaus und Schule für die Berufsorientierung von Regelschülern an. Der Thüringer Berufswahlpass, den alle Schüler aller Schularten in Klassenstufe 7 erhalten, greift diesen Gedanken zielgerichtet auf und bietet gute Ansätze für eine Partnerschaft zwischen Schule und Familie in einem Lebensabschnitt, der für die Zukunft der Jugendlichen sehr bedeutsam ist.

In welchem Maße ist die Elternarbeit Bestandteil der Aus- und Weiterbildung des pädagogischen Personals? Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung hier in nächster Zeit?

In der ersten Phase der Lehrerausbildung werden die Studierenden im Rahmen der Erziehungswissenschaften mit Erziehungs-, Beratungs- und Förderaufgaben der jeweiligen Schulart vertraut gemacht. Dabei sollen auch Fragen der Elternarbeit eine Rolle spielen.

Die pädagogisch-praktische Ausbildung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes erfolgt an schulartbezogenen Studienseminaren, Seminar- und Ausbildungsschulen. Die Lehramtsanwärterinnen und -anwärter werden bereits in den ersten Ausbildungswochen mit den rechtlichen Grundlagen der Elternarbeit vertraut gemacht. In den Allgemeinen Seminaren lernen sie, Elternabende zu planen, durchzuführen und zu reflektieren. In unterschiedlichen Pflicht-, Wahlpflicht- und Wahlmodulen können sich zukünftige Lehrerinnen und Lehrer auf die Elternarbeit an den Ausbildungsschulen vorbereiten. So werden Klassenleiterpraktika oder altersbezogene Themen zu Elternabenden in unterschiedlichen Klassenstufen angeboten. Im Rahmen von Modulen zu Kommunikation und Konflikttraining setzen sie sich mit dem Elterngespräch auseinander. Bei der Bearbeitung von Fallbeispielen wird insbesondere die Methode des Rollenspiels eingeübt. In den pädagogischen Hausarbeiten werden zunehmend Themen vergeben, die sich mit der Elternarbeit auseinander setzen. Eine besondere Wertigkeit nimmt die Elternarbeit im Rahmen der Ausbildung zum Beratungslehrer ein.

Die Landesregierung wird auch in Zukunft den Stellenwert der Elternarbeit hervorheben. Wichtige Partner hierbei sind die Elternvertretungen auf Schul-, Kreis- und Landesebene. Deren Arbeit wird durch Fortbildungsangebote an den jeweiligen Schulen vor Ort in Form von Abrufangeboten unterstützt.

Mit Blick auf den Thüringer Qualitätsrahmen - Qualitätsbereich Kooperation und Kommunikation - ist die Zusammenarbeit mit Eltern, sowohl in aufsuchender als auch einladender Form, als ein wichtiger Bestandteil gelingender schulischer Arbeit ausgewiesen. Dies findet in den Ausbildungen (etwa in der Beraterausbildung, aber auch in der Führungskräfteausbildung oder der Schulleiterfortbildung) Berücksichtigung.

Wie viele Kooperationsverträge zwischen Schulen und Wirtschaftsbetrieben, sozialen, kulturellen und medizinischen Einrichtungen oder mit Vereinen und Kommunen wurden abgeschlossen? Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung hier in nächster Zeit?

Eine statistische Erhebung zu den genannten Kooperationsverträgen liegt nicht vor. Es gibt jedoch zahlreiche und vielfältige Kooperationen zwischen Schulen und den genannten Einrichtungen und Betrieben, die meist nicht in schriftlich-formeller Form abgeschlossen sind, sondern die auf der Grundlage traditioneller Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung ruhen.

Angesichts der demografischen Entwicklung und des prognostizierten Fachkräftemangels, insbesondere in den neuen Ländern, wird es den Betrieben und Unternehmen zunehmend bewusst, dass sie auf die Schulen als Lieferanten der zukünftigen Auszubildenden angewiesen sind. Viele bemühen sich daher, Schüler durch verstärkte Informationsmaßnahmen frühzeitig zu gewinnen. Es entstehen immer mehr Kooperationen zwischen Wirtschaftsunternehmen und Schulen, die sich in Betriebspraktika, Betriebsbesichtigungen, Informationsmessen, Bewerbertraining, Betreuung von Projektarbeiten oder auch Unternehmer im Unterricht zeigen.

Die betrieblichen Einrichtungen sind also ein wichtiger Partner der Schulen bei der Berufswahlvorbereitung.

Sie unterstützen Schulen als Mitglieder in Schulfördervereinen und auch finanziell bei der Gestaltung von Schulpartnerschaften.

Grundlage der Kooperationen sind die durch die Schulen systematisch und eigenverantwortlich entwickelten Schulkonzeptionen auf der Basis des Thüringer Schulgesetzes, der Schulordnungen, der Lehrpläne sowie unter Beachtung der spezifischen lokalen und regionalen Bedingungen. Die 2006 durchgeführte Befragung zur Wirkungsweise und Weiterentwicklung berufs- und studienorientierender Maßnahmen hat ergeben, dass inzwischen 80 Prozent aller Thüringer allgemein bildenden Schulen langfristig nach entsprechenden Konzeptionen arbeiten und dies in der Regel auch jährlich intern evaluiert wird. Durch den Prozess des Qualitätssiegels Berufswahlfreundliche Schule sowie durch das Entwicklungsvorhaben Eigenverantwortliche Schule unterziehen sich zunehmend mehr Schulen auch einer externen Evaluation.

Die Kooperation allgemein bildender Schulen mit externen Partnern bei praxisorientierten Projekten soll auch künftig bedarfsgerecht auf der Basis konkreter Vereinbarungen erfolgen. Darin sollen die konkreten inhaltlichen und organisatorischen Maßnahmen zur entsprechenden Zielerreichung festgehalten werden.

Durch den Europäischen Sozialfonds (kofinanziert vom Thüringer Kultusministerium durch Lehrerstunden zur Begleitung, Betreuung, Koordination und zur Vor- und Nachbereitung) soll in der Förderperiode 2007 bis 2013 weiterhin eine gezielte Förderung solcher Maßnahmen gewährleistet werden.

Wie wird der aktuelle Stand der Kooperation mit Universitäten und Fachhochschulen eingeschätzt und welcher Handlungsbedarf wird auch hier in nächster Zeit gesehen?

Es gibt zwei Aspekte der Kooperationsbeziehungen von Hochschulen mit Schulen, zum einen die allgemeine Kooperationen vor dem Hintergrund der Studien- und Berufswahl und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Beratung der Schüler und zum anderen in den fachspezifischen Kooperationen bei der Aus- und Weiterbildung von Lehrern.

Angesichts der demografischen Entwicklung, insbesondere in den neuen Ländern, treten die Hochschulen in einen verstärkten Wettbewerb um zukünftige Studierende. Sie bemühen sich daher, die Schüler in den Gymnasien durch verstärkte Informations- und Werbemaßnahmen frühzeitig als Studienanfänger zu gewinnen. In diesem Zusammenhang öffnen sich die Hochschulen nicht nur bei Hochschulinformationstagen (oder Tagen der Offenen Tür), die mittlerweile als Standard gelten, sondern vermitteln den Schülern auch eine Vielzahl von Projektmöglichkeiten bis hin zu Sommeruniversitäten und Schnupperstudien. Damit geben die Hochschulen Schülern einen unmittelbaren Eindruck von den Besonderheiten der Studienfächer.

Besonders engagiert sind die mathematischen, natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereiche, da sie seit Jahren um Studierende werben müssen. Dabei versuchen sie nicht zuletzt, junge Frauen für ein Studium zu gewinnen. Die Mädchen machen zwar im Durchschnitt aller Fächer mittlerweile den größeren Anteil der Studienanfänger aus, in den mathematischen, natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereichen sind sie jedoch immer noch deutlich in der Minderheit und stellen ein großes Erweiterungspotenzial dar. Ein übergreifender Aspekt ist der des Frühstudiums (vergleiche § 71 das zwar nicht auf feste Kooperationsbeziehungen angewiesen ist, jedoch mit ihnen einhergehen kann.

Das Engagement der Hochschulen liegt auch im Interesse der Schulen, denen dadurch die Berufswahlvorbereitung erleichtert wird. Das große Interesse der Schulen spiegelt sich in der steigenden Anzahl der an einer Kooperation interessierten Schulen. Das Interesse geht teilweise sogar über die Möglichkeiten und Kapazitäten der Hochschulen hinaus.

Die Aktivitäten der Hochschulen verschaffen den Schülern rechtzeitig Einblicke in und Informationen über potenzielle Studienfächer und deren fachliche Anforderungen. So erhalten die Schüler wichtige Hinweise zur Fach- oder Kurswahl. Die der Kooperationen Hochschule/Schule ist unterschiedlich, es überwiegen jedoch die dauerhaften, nicht vertraglich vereinbarten.