Liegenschaft Walpersberg in Großeutersdorf bei Kahla (Saale-Holzland-Kreis)

Mit der Entdeckung des koalinhaltigen Sandes für die Porzellanherstellung begann Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Untertageförderung und damit die Schaffung von Hohlräumen im Berg durch die Kahlaer Porzellan AG. 1944 wurde die Sandgrube durch das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion enteignet. Am und im Walpersberg wurde mit dem Bau einer Rüstungsproduktionsstätte begonnen. Es entstanden zehn Haupt- und 18 Nebenlager für Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiter, in denen bis Kriegsende 15 000 Menschen untergebracht wurden. Am 12. April 1945 besetzten die amerikanischen Truppen das Werk und befreiten das Lager. 1965 erfolgten der Bau und die Einweihung einer Gedenkstätte auf dem Gelände. Die Gedenkstätte wurde 1974 in den Leubengrund verlegt. Bis zur Wende 1990 nutzte die Nationale Volksarmee der DDR einen Teilbereich der unterirdischen Anlage.

Seit 2003 finden jährlich Gedenkfeiern am Walpersberg mit großer internationaler Beteiligung statt. Organisator und Veranstalter ist ein Verein, der sich heute Förderverein Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg e.V. nennt. Inzwischen hat sich ein zweiter Verein mit dem Anspruch auf Pflege der Erinnerungskultur gegründet.

Der Verein Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg legte im Juni 2006 ein Konzept zur Gedenkstätte vor und beantragte die Errichtung einer Stiftung beim Thüringer Innenministerium.

Uns ist bekannt, dass sich u. a. beide Vereine um den Kauf der Liegenschaft bemühen. Die Liegenschaft ist ein historischer Ort, wie aus der Geschichte zu erkennen ist, und wird von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben/Direktion Erfurt verwaltet.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Liegenschaft als Ort des Erinnerns und Gedenkens?

2. Wie steht die Landesregierung zum Verkauf der Liegenschaft an Vereine oder Privatpersonen?

3. Wie bewertet die Landesregierung Überlegungen, die Liegenschaft unentgeltlich an einen Zweckverband der Gemeinden und des Landkreises zu übertragen?

4. Wie bewertet die Landesregierung die Rechtsform eines Zweckverbandes aus Gemeinden und Landkreisen für o. g. Zweck?

5. Welche Eigentumsverhältnisse für die Liegenschaft werden seitens der Landesregierung präferiert?

6. Gibt es hinsichtlich der Geschichte des Zwangsarbeiterlagers eine wissenschaftliche Begleitung? Wenn ja, durch wen, mit welcher Zielstellung und in wessen Auftrag?

7. Wie stellt sich aus Sicht der Landesregierung die wissenschaftliche Begleitung des Erinnerns und Gedenkens durch die beiden Vereine dar?

8. Wie ist der Stand der Bearbeitung des Antrages beim Innenministerium bezüglich der Errichtung einer Stiftung Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg?

9. Wer durfte bisher die unterirdischen Anlagen zu welchem Zweck betreten?

10. Welche Kenntnisse besitzt die Landesregierung über unerlaubte Grabungen am Walpersberg und über das Betreten seiner unterirdischen Anlagen?

11. Wie schätzt die Landesregierung die Sicherheit der über- und unterirdischen Anlagen ein?

12. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass am 21. Oktober 2006 Mitglieder des JN-Landesvorstandes das Gelände aufsuchten und an einer Führung teilnahmen? Gibt es weitere derartige Vorkommnisse? Wer initiiert solche Führungen?

13. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass im Mai 2007 vor und nach Veranstaltungen am Walpersberg Gedenktafeln beschädigt und zerstört wurden?

14. Sind der Landesregierung internationale Reaktionen auf Geschehnisse am Walpersberg bekannt? Wenn ja, welche?

Das Thüringer Kultusministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 11. Juli 2007 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Der Walpersberg ist für die ehemaligen Zwangsarbeiter im REIMAHG-Konzern ein wichtiger Bezugspunkt für die Erinnerung an das persönliche Schicksal und für das Gedenken an die Opfer. Solche Bezugspunkte sind auch an den Orten im Umfeld des Walpersbergs gegeben, an denen sich Zwangsarbeiterlager befanden. Sie bilden die Grundlage für die geleistete und noch zu leistende Erinnerungsarbeit.

Zu 2.: Der Landrat des Saale-Holzland-Kreises hat den Bundesminister der Finanzen gebeten, die Liegenschaft Walpersberg im Eigentum des Bundes zu belassen. Die Landesregierung unterstützt diese Bitte.

Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.

Zu 4.: Die Bildung eines Zweckverbandes richtet sich nach den Bestimmungen des Thüringer Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit Gemäß § 18 Abs. 1 ist die Verbandssatzung von der Aufsichtsbehörde zu genehmigen. Hierbei wird auch die Aufgabe eines Zweckverbandes berücksichtigt. Der Bereich möglicher Aufgaben ist dabei auf solche beschränkt, die von den übertragenden Mitgliedern wahrzunehmen sind oder wahrgenommen werden dürfen. Ein entsprechendes Genehmigungsverfahren findet für einen Zweckverband, wie er in der Anfrage dargestellt wird, derzeit nicht statt.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

Zu 5.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.

Zu 6.: Durch die Landesregierung wird eine Forschungsarbeit zur Zwangsarbeit im REIMAHG-Konzern am Standort Kahla gefördert. Die 2005 in Auftrag gegebene Arbeit wird durch die Friedrich-Schiller-Universität Jena betreut. Damit soll auch die dauerhafte Einbindung in die Wissenschaftslandschaft gewährleistet werden.

Darüber hinaus sind die Wissenschaftler der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora gebeten, alle Bemühungen um die Erinnerung an die Zwangsarbeit im Walpersberg beratend zu begleiten.

Zu 7.: Sowohl der Geschichts- und Forschungsverein als auch der Verein Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg befassen sich mit der Geschichte des Standorts Walpersberg des REIMAHG-Konzerns und damit auch mit der Erinnerung an die hierher verbrachten Zwangsarbeiter. Beide Vereine verfügen allerdings nicht über unmittelbar wissenschaftliche Kompetenz.

Zu 8.: Im April 2004 wurden dem Thüringer Innenministerium erste Pläne zur Errichtung einer Stiftung durch den REIMAHG e. V. bekannt. Im Laufe des Verfahrens zeichneten sich Schwierigkeiten im Hinblick auf die beabsichtigte Vermögensausstattung sowie auch Zwistigkeiten innerhalb des errichtenden Vereins ab.

Hinzu kam, dass das Anfangsvermögen der Stiftung lediglich 5 000 Euro betragen sollte. Die gemäß § 80 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geforderte gesichert erscheinende dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks war somit ebenfalls in Zweifel zu ziehen.

Nachdem die Unstimmigkeiten innerhalb des Vereins zur Umbenennung in Förderverein Mahn- und Gedenkstätten Walpersberg e. V. führten und in der Gründung eines zweiten Vereins Geschichts- und Forschungsverein Walpersberg e. V. (GFW) mündeten, wurde die Situation noch unübersichtlicher. Die Stiftungsinitiatoren konnten weder ihre Vertretungsberechtigung nachweisen noch eine durch Vereinsbeschluss legitimierte Aufstellung über die auf die Stiftung zu übertragenden Sammlungsstücke vorlegen.

Im Januar 2006 wurden die Stiftungsinitiatoren letztmalig auf die noch vorzulegenden Unterlagen hingewiesen. Auf dieses Schreiben gab es bis jetzt keine Reaktion. Ob seitens eines der beiden Vereine weiterhin Pläne zur Errichtung einer Stiftung bestehen, ist nicht bekannt.

Zu 9.: Hierüber liegen der Landesregierung keine Informationen vor; die Liegenschaft befindet sich im Eigentum des Bundes.

Zu 10.: Trotz der Aussage des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, dass die verbliebenen Anlagen und Baureste keine aussagekräftigen materiellen Zeugnisse darstellen, kam es offensichtlich zum unerlaubten Betreten und zu Grabungen. Konkrete Kenntnisse darüber liegen der Landesregierung nicht vor, da sich die Liegenschaft im Eigentum des Bundes befindet.

Zu 11.: Der Landesregierung liegen hierüber keine detaillierten Kenntnisse vor, da sich die Liegenschaft im Eigentum des Bundes befindet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die mit der Liegenschaft verbundenen Kosten für Verkehrssicherungspflichten erheblich sind.

Zu 12.: Führungen durch das Gelände am Walpersberg werden von den Vereinen durchgeführt. Es ist bekannt, dass in letzter Zeit verstärkt rechtsradikale Kräfte die Nähe zu den unterschiedlichsten Vereinen suchen.

Ihr Auftreten und ihr Äußeres lassen dabei - wie das noch vor Jahren der Fall war - keinen sofortigen Aufschluss über die Gesinnung erkennen. Solche Beobachtungen werden derzeit auch in den Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora gemacht.

Durch Vermittlung der Landesregierung gab es Beratungsgespräche zwischen den Mitgliedern des Geschichts- und Forschungsvereins und dem Direktor der Gedenkstätte Mittelbau-Dora, um ähnlichen Annäherungs- und Instrumentalisierungsversuchen künftig wirksamer begegnen zu können.

Zu 13.: Die Landesregierung bedauert und verurteilt diese Vorkommnisse zutiefst. Sie sieht darin einen empörenden Angriff auf die Opfer der Zwangsarbeit und hofft auf einen baldigen Erfolg der polizeilichen Ermittlungen.

Soweit internationale Reaktionen wie von italienischer, belgischer und polnischer Seite erfolgten, konnten im Wege bilateraler Konsultationen bestehende Irritationen aufgelöst und die eindeutige Haltung der Landesregierung erläutert werden.