Nordthüringen
Ich frage die Landesregierung:
1. In welchem Umfang sind derzeit in Nordthüringen Lagerstätten für von Gipsen insgesamt und für die einzelnen Gipsabbauunternehmen zugelassen (bitte Angaben in Tonnen)?
2. In welchem Umfang wird derzeit Gips auf den genehmigten Lagerstätten insgesamt und unternehmensbezogen abgebaut (bitte Angaben in Tonnen)?
3. Wie lange werden die derzeit genehmigten Lagerstätten beim gegenwärtigen Produktionsniveau nach Einschätzung der Landesregierung ausreichen?
4. Wie haben sich die Regionale Planungsgemeinschaft und der Regionale Planungsbeirat in ihrer letzten Zusammenkunft zu den Fragen des Gipsabbaus in der Rüdigsdorfer Schweiz im Bereich Günzdorf und Winkelberg positioniert?
5. Inwieweit ist dieser Beschluss im Entwurf des fortzuschreibenden Regionalen Raumordnungsplans für Nordthüringen zu berücksichtigen?
6. Sind der Landesregierung Absichten bekannt, gegenwärtig im Regionalen Raumordnungsplan vorhandene Vorrang- oder Vorbehaltsgebiete für Natur- und Landschaftsschutz in Vorrang- oder Vorbehaltsgebiete für die Rohstoffgewinnung umzuwidmen und dies in den Entwurf des Regionalen Raumordnungsplans aufzunehmen? Wenn ja, aus welchen Gründen und für welche Bereiche gibt es diese Absichten?
7. Welche Verbindlichkeit für die Fortschreibung des Regionalplans Nordthüringen hat die Rohstoffsicherungskonzeption der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG) vom März 2005?
8. Welche wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse zu einem weiteren Gipsabbau im Landkreis Nordhausen ergeben sich aus der im Auftrag der TLUG durch das Ingenieurbüro Völker aus Uftrungen (Sachsen-Anhalt) erarbeiteten Begutachtung?
9. Welche Bedeutung haben diese Erkenntnisse für die Arbeit der Landesregierung?
10. Welche Bedeutung misst die Landesregierung der möglichen Substitution von Naturgips bei? Inwieweit wurde die Substituierbarkeit in der Begutachtung des Büros Völker berücksichtigt?
Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 12. September 2007 wie folgt beantwortet:
Zu 1.: Ein Abbau von Bodenschätzen aus Lagerstätten kann immer nur für einen in Verbindung mit einem konkreten Betriebsplan auf der Grundlage der jeweils einschlägigen Bestimmungen des Bundesberggesetzes zugelassen werden. Inwieweit ein Unternehmen dann seine Zulassung während des Zulassungszeitraumes auch wirklich nutzt, ist eine betriebswirtschaftliche Entscheidung des Unternehmens, die keiner bergrechtlichen Regelung unterliegt. Das betrifft insbesondere die Gewinnungsmengen des Bodenschatzes. Deshalb treffen Zulassungen dazu keine bindenden Entscheidungen.
Der Abbau von Gips- und Anhydritgestein in Nordthüringen steht nach der Bergrechtsänderung im Jahre 1996 bestandsgeschützt weiterhin unter Bergrecht, deshalb gelten die vorstehenden Feststellungen für alle nachfolgend aufgeführten Lagerstätten.
Folgende Betriebe haben eine Zulassung zum Abbau von Gips/Anhydrit in Nordthüringen und nutzen diese gegenwärtig:
· Alter Stolberg - Knauf Deutsche Gipswerk KG
· Röseberg - BPB Formula
· Ellricher Klippen - Südharzer Gipswerk
· Rüsselsee - Südharzer Gipswerk Die bergrechtlichen Zulassungen für folgende Abbaustätten werden derzeit nicht oder nur teilweise genutzt:
· Woffleben/Himmelsberg/Mittelfeld - BPB Formula
· Woffleben/Hohe Schleife - Südharzer Gipswerk
· Kohnstein/Niedersachswerfen - Kohnstein Bergwerks.
Zu 2.: Im Jahr 2006 wurden im Landkreis Nordhausen insgesamt 600 221 Tonnen Gips abgebaut, wobei die Hauptmenge aus einem Großtagebau stammt.
Eine Aufschlüsselung der Gewinnungsmengen auf einzelne Lagerstätten oder Unternehmen ist aus Gründen des Datenschutzes (§ 30 nicht möglich.
Zu 3.: Die Entwicklung von konkreten Prognosen zur zukünftigen Abbauentwicklung und zur Nutzungsfähigkeit der zugelassenen Gewinnungsstätten obliegt den Unternehmen, die in eigener betriebswirtschaftlicher Verantwortung klären müssen, wie sich die Vorratslage gestaltet, welches Produktspektrum bestimmte Rohstoffqualitäten verlangt, wie der Abbau geführt werden soll und welche Rohstoffmengen in Abhängigkeit von der jeweiligen Marktlage sowie den vorhandenen Verarbeitungskapazitäten benötigt werden. Diese unternehmerischen Vorstellungen fließen in die im Regelfall alle zwei Jahre zu stellenden Betriebsplananträge ein.
Unabhängig davon benötigen die Bergbauunternehmen je nach betriebswirtschaftlicher Orientierung und Kalkulation eine gesicherte Rohstoffverfügbarkeit für mindestens zehn bis 20 Jahre, um den Betrieb zukunftsfähig gestalten zu können.
Zu 4. bis 6.: Die Regionale Planungsgemeinschaft Nordthüringen hat sich in den durchgeführten Sitzungen intensiv mit der Erarbeitung des Gliederungspunktes 4.5 Rohstoffsicherung und Rohstoffgewinnung im Teil II des Regionalplanes Nordthüringen und dem Teil III Umweltbericht beschäftigt. In die Erarbeitung des Planentwurfes wurde der Planungsbeirat der Regionalen Planungsgemeinschaft eingebunden.
Die Ergebnisse der Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsplanes Nordthüringen sind im Entwurf des Regionalplanes Nordthüringen zur Anhörung/Offenlegung, die am 13. August 2007 begonnen hat und bis einschließlich 16. Oktober 2007 läuft, dokumentiert.
Im Abschnitt 4.5.1 Vorranggebiete Rohstoffe sind unter Ziel Z 4-4 unter anderem für Gips/Anhydrit Gebiete aufgelistet und kartographisch in der dazugehörigen Raumnutzungskarte dargestellt.
Im Regionalplan und in der Raumnutzungskarte sind neben einer Vielzahl raumordnerischer Festsetzungen Vorrang- und Vorbehaltsgebiete sowie Freiraumsicherung ausgewiesen, die im bestehenden Regionalen Raumordnungsplan als Vorranggebiete für Natur- und Landschaft bezeichnet sind und in ihrer Vergleichbarkeit der nachhaltigen Sicherung und Entwicklung von schutzwürdigen und schutzbedürftigen Naturraumpotenzialen dienen. Detaillierte Angaben hierzu lassen sich aus dem Text und dem Kartenteil des Regionalplanes entnehmen, wobei darauf zu verweisen ist, dass es sich um einen Entwurf zum Regionalplan Nordthüringen handelt.
Es erfolgt zurzeit, nach Bekanntmachung über die öffentliche Auslegung des Entwurfes zum Regionalplan Nordthüringen gemäß Staatsanzeiger Nr. 31/2007, ein umfassendes Beteiligungsverfahren. Neben den Fachbehörden der Ministerien im Freistaat ist auch die Abgeordnete Frau Dagmar Becker als Mitglied des Thüringer Landtages beteiligt. Ihr wurde fristgemäß ein Exemplar des Planentwurfes zugesandt.
Zu 7.: Die Rohstoffsicherungskonzeption der TLUG vom März 2005 stellt eine Grundlage der ausgewiesenen Vorranggebiete Rohstoffe dar (vgl. Entwurf Regionalplan Nordthüringen Begründungen Z 4-4) und wurde mit anderen Raumnutzungen regionalplanerisch abgewogen.
Zu 8. und 9.: Vom Ingenieurbüro Völker, Uftrungen, wurde im Auftrag der TLUG die Studie Seen im Karst als Lebensraumtypen 3180 und 3190 - Definition und Erfassung Freistaat Thüringen vom 5. Juni 2006 erarbeitet.
Der Gipsabbau wird in der Studie inhaltlich nicht behandelt.
Zu 10.: Die Gipsindustrie Deutschlands hat nach unserer Kenntnis im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte das Angebot an REA-Gips aus den Entschwefelungsanlagen der Stein- und Braunkohleverstromung in umfangreicher Weise genutzt und die Nutzungsmöglichkeiten für den Einsatz dieser Gipse als Substitute deutlich ausgebaut.
Dennoch gibt es auf dem Markt nach wie vor einen erheblichen Bedarf an Naturgipsen, insbesondere zur Herstellung von Spezialgipsen und zur Verwendung für spezielle Einsatzzwecke. Die vor einigen Jahren im Thüringer Landtag zur REA-Problematik hat das unter anderem deutlich gemacht.
Deshalb ist auch die Gewinnung von Naturgips aus geeigneten Lagerstätten weiterhin unverzichtbar.
Ob auch in Zukunft durch die absehbaren Änderungen im Bereich der Kohleverstromung genügend REAGips anfällt, um die Naturgipslagerstätten zu schonen, lässt sich derzeit nicht abschätzen.
Die Landesregierung nimmt mit Interesse die Anstrengungen der Gipsindustrie zur Kenntnis, den Einsatz von Naturgips durch sinnvolle Möglichkeiten einer Substitution zu optimieren. Nur so lässt sich der Abbau von Naturgips auf ein für die naturräumliche Landschaftsausstattung verträgliches Maß reduzieren. Die mit Gipslagerstätten fast immer genetisch verbundenen einzigartigen Naturräume können in ihrem typischen Spektrum nur dann langfristig erhalten werden, wenn es gelingt, mit Augenmaß einen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Anforderungen und den ökologisch geprägten Vorstellungen in Nordthüringen herbeizuführen.