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3. Wahlperiode 22.03.

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS Zweites Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen

A. Problem und Regelungsbedürfnis

Durch die Richterwahl soll der demokratischen Legitimation der Rechtsprechung eine breitere Grundlage gegeben werden und (vor allem durch die Beteiligung von Vertretern der Richterschaft im Richterwahlausschuss) die institutionelle und persönliche Unabhängigkeit der Rechtsprechung im Verhältnis zur Exekutive und Legislative gestärkt werden.

Insbesondere personalrechtliche Entscheidungen über Einstellung, Anstellung und Beförderung stellen einen gegenüber Einflussnahmen der Exekutive besonders exponierten Bereich dar. Die Beteiligung eines Richterwahlausschusses soll daher vor allem auch der Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit durch gewaltenteilungswidrige Einflussnahmen der Exekutive entgegenwirken.

Die Einführung der Richterwahl mit Artikel 89 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen bei gleichzeitigem Ausschluss der Möglichkeit, durch einfachgesetzliche Regelungen die Beteiligung des Richterwahlausschusses auch für die vorläufige Anstellung in ein Richterverhältnis vorzusehen, war daher eine mit dem Unabhängigkeitsprinzip nach Artikel 86 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen und der Funktion der Richterwahl unvereinbare, systemwidrige Entscheidung des Thüringer Verfassungsgebers. Diese bundesweit einmalige Sperrwirkung einer Landesverfassung gegenüber der Einführung der Richterwahl für einen Bereich der Berufungen in ein Richterverhältnis war und ist folglich Gegenstand heftiger Kritik in der Öffentlichkeit.

Das Argument der Aufbausituation in der Landesjustiz, das die damalige Landesregierung vorbrachte, um die Sachgemäßheit der Nichtbeteiligung des Richterwahlausschusses in den Fällen der Berufung in ein Richterverhältnis auf Probe oder kraft Auftrags zu begründen, rechtfertigte schon damals nicht eine Verfassungsnorm, die es dem einfachen Gesetzgeber untersagte, die Beteiligung des Richterwahlausschusses auch für diese Fälle vorzusehen. Heute ist zudem gegenstandslos, weil die Bewerberzahlen und die Zahlen der Einstellung in ein Richterverhältnis auf Probe in der Zwischenzeit im beträchtlichen Umfang zurückgegangen sind. Der Gesetzentwurf schlägt daher eine Neufassung des Artikels 89 Abs. 2 Satz 1 vor, nach der der Richterwahlausschuss auch bei der vorläufigen Anstellung der Richter zu beteiligen ist.

Besonders groß ist die Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit bei allen Entscheidungen des Justizministeriums und der Justizverwaltung, die die Übertragung eines anderen Richteramts betreffen. Bereits nach der des Artikels 89 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen ist in diesen Fällen der Richterwahlausschuss zu beteiligen, weil mit der verteilt am: 26. März 2001

10. Mai 2001 rung Berufung auf Lebenszeit alle Ernennungen von Richtern auf Lebenszeit erfasst sind, somit auch die Fälle, bei denen einem Richter auf Lebenszeit ein anderes Amt mit anderem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamts verliehen wird und die Versetzung, bei der dem Richter ein anderes Richteramt mit gleichem oder geringerem Endgrundgehalt unter gleichzeitigem Verlust des bisherigen Amts übertragen wird (so Jutzi in: Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, 1994, Artikel 89 Rn. 13). Die vorgeschlagene Neuformulierung soll daher die bereits jetzt geltende Verfassungslage einer zwingenden Beteiligung des Richterwahlausschusses in allen Fällen der Übertragung eines Richteramts auf Lebenszeit lediglich deutlicher bringen.

Die Beteiligung von Richtern ist unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung geboten. Die Richterbank soll eine neutralisierende Gegenkraft in Bezug auf eine mögliche Parteipolitisierung der Richterpersonalpolitik im Ausschuss erfüllen. Für ein effektives System von checks and balances ist es daher sachdienlicher, den Richterwahlausschuss paritätisch aus Abgeordneten und Richtern zu besetzen, wie dies von der Richterschaft überwiegend gefordert wird.

B. Lösung Novellierung des Artikels 89 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen

C. Alternativen

Eine Alternative wäre, den Artikel 89 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen dahin gehend zu novellieren, dass die gegenwärtige Sperrwirkung in Bezug auf eine einfachgesetzliche Einführung der Beteiligung des Richterwahlausschusses in den Fällen der Berufung in ein Richterverhältnis auf Probe oder entfiele, ohne dass eine entsprechende Zuständigkeit des Richterwahlausschusses in der Verfassung zwingend vorgegeben würde. Weil die entscheidende Auswahlentscheidung für eine spätere Berufung in ein Richterverhältnis auf Lebenszeit jedoch bereits bei der Einstellung zum Richter auf Probe oder erfolgt, ist es konsequent, die Beteiligung des Richterwahlausschusses auch auf diese Fälle zu erstrecken.

D. Kosten Geringe Kosten durch den größeren Verwaltungsaufwand aufgrund der erweiterten Zuständigkeit des Richterwahlausschusses

Zweites Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen

Der Landtag hat mit der 83Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen erforderlichen Mehrheit das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1:

Die Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25. Oktober 1993 (GVBl. S. 625), geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 1997 (GVBl. S. 525), wird wie folgt geändert: Artikel 89 Abs. 2 wird wie folgt geändert:

1. Satz 1 erhält folgende Fassung: Über die vorläufige Anstellung der Richter und die Berufung in ein Richteramt auf Lebenszeit entscheidet der Justizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss.

2. In Satz 2 werden die Worte Zwei Drittel durch die Worte Die Hälfte ersetzt.

Artikel 2:

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.