Lauscha und Steinach

Die beiden Städte Lauscha und Steinach (Landkreis Sonneberg) wollen miteinander fusionieren. Die beteiligten Stadträte haben hierzu die entsprechenden Beschlüsse gefasst.

Mehrere Bürger von Lauscha haben zu dieser beabsichtigten Fusion eine abweichende Auffassung. Die Bürger haben deshalb zwei verschiedene Bürgerbegehren initiiert. Mit einem Bürgerbegehren sollte erreicht werden, dass der bisherige Lauschaer Ortsteil Ernstthal nicht Bestandteil der Fusion ist, sondern neuer Ortsteil der angrenzenden Stadt Neuhaus am Rennweg wird. Mit einem zweiten Bürgerbegehren sollte erreicht werden, dass die gesamte Stadt Lauscha nicht mit der Stadt Steinach fusioniert, sondern mit der angrenzenden Stadt Neuhaus am Rennweg. Lauscha und Neuhaus am Rennweg nehmen die funktionsteilige Aufgabe eines Mittelzentrums nach dem Landesentwicklungsplan und dem regionalen Raumordnungsplan wahr.

Der Bürgermeister der Stadt Lauscha hat beide Anträge auf Zulassung eines Bürgerbegehrens mit Bescheid vom 5. Oktober 2007 abgelehnt, weil aus den Antragsunterlagen nicht ersichtlich sei, wer die gesetzlichen Vertretungsberechtigten seien. Auf Anregung des Bürgermeisters während der Anhörungs- und Erörterungsphase haben insgesamt sechs gesetzliche Vertretungsberechtigte des Wohnsitzes handschriftlich unterschrieben.

Der Bürgermeister der Stadt Lauscha bezweifelt zudem grundsätzlich die Zulässigkeit von Bürgerbegehren bei Fragen der gemeindlichen Neugliederungen, weil diese ausdrücklich nur per Gesetz erfolgen können.

Nach Meinung des Bürgermeisters würde mit einem Bürgerbegehren in die Gesetzgebungskompetenz des Landtages eingegriffen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Unter welchen Voraussetzungen sind Bürgerbegehren zu Gemeindeneugliederungen möglich?

2. Welchen Stellenwert hat ein Bürgerbegehren bei Fragen der Bestandsänderungen von Gemeinden?

Inwieweit würde dabei ein Bürgerbegehren in die Gesetzgebungskompetenz des Thüringer Landtages eingreifen? Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

3. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung als oberste Kommunalaufsichtsbehörde der Stadt Lauscha hinsichtlich der ergangenen Bescheide der Stadt Lauscha zur Unzulässigkeit der beantragten Bürgerbegehren? Wie bewertet die Landesregierung die Ablehnung der Zulässigkeit des beantragten Bürgerbegehrens unter Berücksichtigung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 der Thüringer Kommunalordnung wonach die Durchführung eines Bürgerbegehrens bei Gebiets- und Bestandsänderungen von Gemeinden ausdrücklich zulässig ist? Wie bewertet die Landesregierung die Ablehnung der Zulässigkeit des 28. November 2007 beantragten Bürgerbegehrens vor dem Hintergrund, dass die Initiatoren eines Bürgerbegehrens doppelt so viele Vertretungsberechtigte benannt haben, wie nach § 17 Abs. 3 Sätze 5 und 6 erforderlich gewesen wären? Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassungen?

4. Welche Position nimmt das Landratsamt als Kommunalaufsichtsbehörde zu dem nachgefragten Sachverhalt ein?

5. Welche Auswirkungen hätte die beabsichtigte Fusion von Lauscha und Steinach auf die funktionsteilige Wahrnehmung der Aufgaben eines Mittelzentrums durch die beiden Städte Lauscha und Neuhaus am Rennweg? Wie begründet die Landesregierung diese Einschätzung?

6. Welche Auswirkungen hätte die beabsichtigte Fusion von Lauscha und Steinach auf die funktionsteilige Wahrnehmung der Aufgaben eines Mittelzentrums durch die beiden Städte Lauscha und Neuhaus am Rennweg unter der Maßgabe, dass der Lauschaer Ortsteil Ernstthal neuer Ortsteil der Stadt Neuhaus am Rennweg würde? Wie begründet die Landesregierung diese Einschätzung?

7. Welche Auswirkungen hätte die Fusion von Lauscha und Neuhaus am Rennweg auf die funktionsteilige Wahrnehmung der Aufgaben eines Mittelzentrums der beiden Städte? Wie begründet die Landesregierung diese Einschätzung?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 20. November 2007 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Thüringer Kommunalordnung sind Bürgerbegehren bei Entscheidungen des Gemeinderats über Gebiets- und Bestandsänderungen der Gemeinde möglich. Die Voraussetzungen ergeben sich aus § 17 Zu 2.:

Das Bürgerbegehren ist ein Zwischenschritt zur Herbeiführung eines Bürgerentscheids, der die Wirkung eines Beschlusses des Gemeinderats hat. Gegenstand des Bürgerentscheids ist das gestellte Begehren.

Vom Inhalt des Begehrens hängt es ab, welchen Stellenwert ein Bürgerentscheid bei Fragen der Bestandsänderungen von Gemeinden hat. Der erfolgreiche Bürgerentscheid kann im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens die Wirkung eines je nach Inhalt gestaltenden Gemeinderatsbeschlusses haben oder, wenn er sich gegen den Beschluss des Gemeinderats richtet, diesen aufheben. Es ist eine Einzelfallbewertung auf der Grundlage des Wortlauts des gestellten Antrags vorzunehmen.

Da Auflösungen von Gemeinden (Bestandsänderungen) gemäß Artikel 92 Abs. 2 Satz 2 Verfassung des Freistaats Thüringen nur durch ein Gesetz bewirkt werden können, finden Rechtshandlungen der Gemeinde und dementsprechend auch Bürgerentscheide ihre Grenze an der Gesetzgebungshoheit des Landtags.

Nach Einbringung eines auf eine Gemeindeauflösung gerichteten Gesetzentwurfs in den Landtag können Beschlüsse der Gemeinderäte und entsprechende Bürgerentscheide nur noch die Wirkung einer Meinungsäußerung haben.

Zu 3. und 4.: Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 zusammen beantwortet.

Nach den von der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde übermittelten Informationen hat die Stadt Lauscha das von Bürgern des Ortsteils Ernstthal initiierte Bürgerbegehren gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 als unzulässig zurückgewiesen. Nach den Darlegungen der Antragsteller sei Gegenstand des Bürgerbegehrens die Ausgliederung des Ortsteils Ernstthal aus der Stadt Lauscha und dessen Eingliederung in die Stadt Neuhaus am Rennweg nach § 9 Abs. 3 in dem zur Neugliederung der Städte Lauscha und Steinach angestrebten Gesetzgebungsverfahren. Die Stadt Lauscha bewertete den Antrag als gesetzwidrig, weil die Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren dem Thüringer Landtag obliegt. Die Stadt Lauscha zeigte in dem Bescheid zudem zulässige Varianten auf.

Das von Bürgern des Ortsteils Lauscha initiierte Bürgerbegehren wendet sich gegen den Beschluss Nr. 04/84/07 des Stadtrates der Stadt Lauscha - Vertrag über den Zusammenschluss mit der Stadt Steinach - und den Beschluss Nr. 04/85/07 - Bildung einer Einheitsgemeinde mit der Stadt Steinach. Die Stadt Lauscha hat das Bürgerbegehren gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 als unzulässig zurückgewiesen, weil sich nach ihrer Auffassung dem Antragsschreiben der Antragsteller und die vertretungsberechtigten Personen nicht eindeutig entnehmen lassen und eine Präzisierung erst nach Ablauf der 4-Wochen-Frist des § 17 Abs. 3 Satz 2 erfolgte. Gegen den Bescheid ist gegenwärtig ein Verfahren am Verwaltungsgericht Meiningen anhängig. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bleibt abzuwarten.

Zu 5.: Eine neue Stadt wäre Rechtsnachfolgerin der bisherigen Städte Lauscha und Steinach und damit formal Teil des funktionsteiligen Mittelzentrums gemäß Ziel 2.2.8 LEP 2004 in Verbindung mit Grundsatz 2.2.4 LEP 2004. Die funktionsteilige Wahrnehmung von Aufgaben eines Mittelzentrums bezöge sich auf das gesamte Gebiet der neuen Gemeinde und das Gebiet der Stadt Neuhaus am Rennweg.

Ob und ggf. welche Auswirkungen die beabsichtigte Zusammenlegung von Lauscha und Steinach im Rahmen der Überprüfung der Einstufung des funktionsteiligen Mittelzentrums (Ziel 2.2.8 LEP 2004 i. V. m. Ziel

LEP 2004) hätte, ist gegenwärtig nicht absehbar. Für die Beurteilung von Bedeutung wäre vor allem die Fortführung der eingeleiteten gemeinsamen Flächennutzungsplanung, aber auch die Sicherung sonstiger mittelzentraler Funktionen gem. Grundsatz 2.2.7 LEP 2004 im Zusammenhang mit einem ausgeprägten Verflechtungsbereich.

Zu 6.: Eine Zuordnung des Ortsteils Ernstthal zur Stadt Neuhaus am Rennweg würde sich auf die funktionsteilige Wahrnehmung der Aufgaben eines Mittelzentrums durch die neu gebildete Gemeinde Lauscha und die Stadt Neuhaus/Rennweg nicht auswirken. Das Gebiet des Ortsteils Ernstthal wäre auch dann Teil des funktionsteiligen Mittelzentrums.

Zu 7.: Eine Zusammenlegung von Lauscha und Neuhaus am Rennweg hätte zur Folge, dass die im LEP 2004 vorgesehene Funktionsteilung mit Inkrafttreten der entsprechenden gesetzlichen Regelung entfällt. Damit würde diese neu gebildete Stadt nicht mehr unter den Anwendungsfall des Grundsatzes 2.2.4 LEP 2004 fallen. Der Prüfvorbehalt gemäß Ziel 2.2.8 LEP 2004 i. V. m. Ziel 2.1.1 LEP 2004 bliebe allerdings bestehen.

Dr. Gasser Minister.