Gibt es eine Beteiligung des Bundes an der Sanierung von Rüstungsaltlasten?

In den Jahren 1993 bis 1995 fand eine Bundesbeteiligung im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes Mikrobielle Sanierung von TNTkontaminierten Böden des Standortes Hessisch-Lichtenau mit insgesamt 0,6 Mio. statt.

Weiterhin hat sich der Bundesminister für Forschung und Technologie in den Jahren 1996 bis 1999 im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes Modellhafte Sanierung von Altlasten am Beispiel des TNTSanierungsprojektes Stadtallendorf-MOSAL mit insgesamt 7,11 Mio. an diesem Vorhaben beteiligt.

Darüber hinaus hat im Dezember 2000 das Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsidium Gießen, mit dem Bund eine Vereinbarung zu dessen Kostenbeteiligung in Höhe von 20 v.H., höchstens jedoch von 10 Mio., für die Gefahrenbeseitigung an der Tri-Halde in Stadtallendorf getroffen. Die Grundlage und der Umfang der Bundesbeteiligung für diese Rüstungsaltlast ergibt sich aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 des allgemeinen Kriegsfolgegesetzes.

Frage 7. Wie beurteilt das Land Hessen seine Aufwendungen im Bereich der Altlastensanierung im Vergleich zu den Aufwendungen anderer Bundesländer?

Hessen ist vorbildlich im Bereich der Altlastensanierung, insbesondere hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Finanzmittel. Eine methodisch abgesicherte Datengrundlage für eine Gesamtbetrachtung liegt aber nicht vor, denn in den neuen Bundesländern gibt es z. B. Sonderregelungen zur Bundesbeteiligung an der Altlastensanierung. Auch sind in den vorliegenden Zahlen Bundes- und Landesanteil nicht immer separat ausgewiesen.

Ebenso ist den Informationen keine Kostenaufteilung zwischen dem gewerblichen und kommunalen Sektor zu entnehmen. Schließlich sind auch die verschiedenen Finanzierungsmodalitäten nicht vergleichbar; so sind in Bayern und Nordrhein-Westfalen z. B. Beiträge aus Industrie und Gewerbe enthalten.

Ein möglicher Vergleich ließe sich nur zwischen den Zahlen für Hessen und denen aus den übrigen alten Bundesländern anstellen.

Aus den vorliegenden Informationen lässt sich - vorbehaltlich dieser Einschränkungen - erkennen, dass in den alten Bundesländern für kommunale und gewerbliche Sanierungen finanzielle Mittel jeweils in Höhe von weniger als 5 bis rund 45 Mio. zur Verfügung standen (Stand Ende 2001). Der Aufwand des Landes Hessen ist mit rund 45 Mio. einer der höchsten der alten Bundesländer (siehe Anlage 7).

Nachdem die gewerbliche Altlastensanierung in Hessen systematisch ab Beginn der Neunzigerjahre in Angriff genommen wurde, sind die sanierungsbedürftigen Vorhaben nahezu alle gleichzeitig in die Sanierungsphase gekommen. Das erfordert für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum - voraussichtlich noch bis ca. 2010 - höhere finanzielle Aufwendungen. Dem trägt die Landesregierung Rechnung. Es ist zu erwarten, dass bis zu diesem Zeitpunkt die großen Sanierungsfälle effektiv abgearbeitet wurden und die benötigten Mittel dann deutlich reduziert werden können; vorausgesetzt, dass nicht noch weitere großflächige Altlasten entdeckt werden.

Frage 8. In welcher Form werden betroffene Bürger bei der Altlastensanierung in die Sanierungsplanung mit einbezogen und beteiligt?

Da Altlasten erhebliche Einflüsse auf die Lebensumstände und -gewohnheiten von Menschen haben können, werden bei bewohnten Altlasten eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung durchgeführt. Dadurch werden Entscheidungsprozesse transparent und nachvollziehbar gestaltet und die Betroffenen intensiv an allen Maßnahmen beteiligt. Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung dokumentieren sich in der Herausgabe von Pressemitteilungen, Broschüren, Informationsschriften, Projektbeiratssitzungen, aber auch durch Einzelgespräche mit den Betroffenen und in Einzelfällen durch die Einrichtungen von Projekt-Beteiligungs-Büros.

Die HIM-ASG als Projektträgerin hat unter anderem die Aufgabe, in Abstimmung mit den zuständigen Regierungspräsidien und dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten eine projektspezifische Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und die notwendige Bürgerbeteiligung zu gewährleisten.

Ein Bürger-Beteiligungs-Büro besteht für die Altlasten

- Rüstungsaltstandort Hessisch-Lichtenau (seit 1994),

- die bewohnte Altlast Lampertheim-Neuschloß (seit 2000),

- Rüstungsaltlast in Stadtallendorf (seit 1992).

Die Bürger-Beteiligungs-Büros sind bei der Durchführung ihrer Aufgaben nicht weisungsgebunden.

Nach Auffassung der Landesregierung sind die Bürgerbeteiligung und -information unverzichtbarer Bestandteil einer erfolgreichen Sanierung.

Die Beteiligung betroffener Bürger ist nach §§ 11 und 13 sowie §§ 12 bis 14 grundsätzlich gesetzlich vorgeschrieben.

Frage 9. Gibt es Prognosen darüber, welcher Finanzbedarf zukünftig im Bereich der Altlastensanierung anfällt und, falls ja,

a) in welchem Zeithorizont,

b) auf welcher Datengrundlage?

Zu a) Basis für die mittelfristige Finanzplanung ist der nach § 9 Rahmenvertrag (zwischen dem Land und der HIM 1994 geschlossen) beim Land Hessen anzumeldende Finanzierungsbedarf vom 15. Januar 2002. Die Anmeldungen erfolgen sowohl vonseiten der RPUen als auch der HIM-ASG. Die erstmals erfolgte Verlängerung des Zeitrahmens von 5 auf 10 Jahre bis zum Jahr 2012 ermöglicht einen besseren zeitlichen Überblick insbesondere auch hinsichtlich der zu erwartenden Verantwortlichkeiten. Der nunmehr erweiterte Rahmenvertrag wurde 1994 zwischen der HIM und dem Land abgeschlossen und im Jahr 1998 geändert. Er gilt nur für gewerbliche, nicht für kommunale Altlasten.

Sehr aufwendige Bodensanierungsmaßnahmen sind insbesondere bei den Rüstungsaltlasten Stadtallendorf, Tri-Halde und Hessisch Lichtenau sowie bei den Projekten Elwenn + Frankenbach in Frankfurt-Griesheim und in Lampertheim-Neuschloß zu erwarten.

Konkret wurden die in Anlage 6 dargestellten Randbedingungen zugrunde gelegt, die den derzeitigen Kenntnisstand widerspiegeln und die aufgrund von weitergehenden Erkundungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen eventuell überarbeitet werden müssen.

Für die Altlastensanierung werden Mittel auf einem relativ hohen Niveau vom Land bereitgestellt; ab 2005 sinkt der Bedarf, wie in Anlage 7 dargestellt, wenn die Finanzierung wie geplant erfolgen kann und keine neuen größeren Altlastenfälle hinzukommen.

Die Sanierung der kommunalen Altlasten ist eine Aufgabe der kommunalen Gebietskörperschaften. Die Kommunen, die zwischen 10 v.H. und 30 v.H. der Sanierungskosten zu tragen haben, entscheiden in alleiniger Zuständigkeit über den Zeitpunkt einer Antragsstellung. Aus diesem Grund kann das Land nur eine vage Prognose über den konkreten Finanzbedarf und einen Zeithorizont für den Abschluss dieser Maßnahmen geben. Danach dürfte der durchschnittliche Mittelbedarf bis zum Jahr 2005 aber ca. 10 bis 12 Mio. betragen.

Zu b) Datengrundlage für den Finanzbedarf, der zukünftig im Bereich der gewerblichen Altlastensanierung anfällt, ist eine Prognose des Trägers der Altlastensanierung in Hessen, der HIM-ASG, zu Finanzbedarf und zeitlichem Ablauf der Sanierungen, mit denen sie von Land beauftragt wurde. Der in den nächsten 10 Jahren zu erwartende Finanzbedarf ist in Anlage 7 dargestellt. Die Prognose basiert auf dem Wissen der HIM-ASG über die einzelnen Altlasten, ihre Größe, ihre früheren und gegenwärtigen Nutzungen, Art und Umfang der Kontaminationen in Boden, Grundwasser und Bodenluft.

Frage 10. Ein Einsparungspotenzial bei Sanierungen besteht in einer integrierten Planung von Sanierung und späterer Nutzung, wie es am Beispiel des Pionierpark-Geländes in Mühlheim/Main praktiziert wurde.

a) Wodurch entsteht dieses Einsparpotenzial?

b) Wie hoch wird der Einspareffekt eingeschätzt?

c) Sieht das Land Möglichkeiten zur systematischen und verstärkten Nutzung dieses Einsparpotenzials?

d) Sieht die Landesregierung Möglichkeiten zur Unterstützung von-insbesondere kleineren - Kommunen, die mit dem für die integrierte Planung notwendigen Projektmanagement (gegebenenfalls verbunden mit Zwischenerwerb von Grundstücken) überfordert sind?

Zu a) bis c) Leider wird nicht generell bei jedem Altlastensanierungsfall durch integrierte Planung von Sanierung und späterer Nutzung ein Einspareffekt erzielt werden können. Bei einer Vielzahl von Fällen muss sich die Sanierung auf eine reine Gefahrenabwehr unter Beibehaltung der gegenwärtigen Nutzungsart beschränken, deshalb sind bereits insofern der integrierten Planung Grenzen gesetzt.

In einigen Fällen, z. B. Mühlheim oder Bad Homburg/Vossen - aus Brachflächen können Wohngebiete entstehen -, ist es jedoch grundsätzlich mö glich, die Sanierung mit dem Ziel einer später höherwertigen Nutzungsart der Grundstücke zu verbinden. In diesen Fällen wird durch einen engen Abgleich der Sanierungsmaßnahmen mit städteplanerischen Maßnahmen, insbesondere einer folgenden Nutzung, eine zusätzliche Wertschöpfung an den Grundstücken erzielt, die einen namhaften Beitrag zu den Sanierungskosten leisten kann.

Allgemeingültige Prognosen sind aber nicht möglich, weil das zu eng mit den Gegebenheiten des jeweiligen lokalen Immobilienmarktes verbunden ist.

Am Beispiel des Sanierungsvorhabens Pionierpark Mühlheim können die möglichen finanziellen (und sonstigen) Effekte nochmals wie folgt nachvollzogen werden:

Die Grundwassersanierung wäre hier - wie auch in der Regel bei allen anderen denkbaren Fällen - auf jeden Fall durchzuführen gewesen, unabhängig von der (späteren) Nutzungsart des Geländes.

Durch die hier erfolgte Bodensanierung durch Immobilisierung (d.h. chemische Bindung des Schadstoffes, sodass er nicht mehr ausgewaschen werden kann) wurde der Schadensherd entfernt, sodass mit den hydraulischen Maßnahmen nur noch eine Sicherung und Sanierung der Schadensfahne erfolgen muss. Ohne Sanierung des Schadensherdes hätte man grundsätzlich von einem unbefristeten Langzeitbetrieb der Grundwassersanierung ausgehen mü ssen. Die jährlichen Betriebskosten hierfür liegen in der Größenordnung von 500.000.

Mit Sanierung des Schadensherdes wird erwartet, dass nach Ablauf von etwa sieben Jahren der Betrieb der Grundwassersanierung stark zurückgefahren bis ganz eingestellt werden kann. Das wird jedoch entscheidend davon abhängen, wie lange sich die Sanierung der benachbarten Bundesliegenschaft noch hinzieht.