Hortgebühren und den Elternbeiträgen in Kindertageseinrichtungen eine Kostenübernahme gemäß § 90 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII)

In der aktuellen Berichterstattung verschiedener Medien und in der politischen Auseinandersetzung im Thüringer Landtag wird der Eindruck erweckt, dass ein großer Teil der Thüringer Kinder nicht an der Versorgung mit Mittagessen in Kindertageseinrichtungen und Horten teilnimmt. Es wird suggeriert, die Gründe hierfür seien die Verpflegungskosten, welche von Eltern unabhängig von ihrer sozialen Situation zu entrichten sind.

Während bei den Hortgebühren und den Elternbeiträgen in Kindertageseinrichtungen eine Kostenübernahme gemäß § 90 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erfolgt, besteht eine solche Kostenübernahme für die Verpflegung, nach mir vorliegenden Informationen, derzeit in Thüringen nicht.

In einem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) (Akz. 12 L 2301/98) wurde entschieden, dass insbesondere die Kosten für das Mittagessen bei einer Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen als Teilkosten für die Betreuung von Kindern zu zählen seien und demzufolge im Sinne des § 90 SGB VIII vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erlass- bzw. übernahmefähig sind.Allerdings wird in diesem Urteil auch darauf hingewiesen, dass dann dieser Betrag als häusliche Ersparnis auf den maßgeblichen Regelsatz anzurechnen sei und demzufolge vom örtlichen Sozialhilfeträger wieder abgezogen würde.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie viele Thüringer Kinder werden ganztags in Kindertageseinrichtungen betreut und wie viele von ihnen nehmen an der Mittagessenversorgung teil?

2. Wie viele Thüringer Kinder nutzen die Hortangebote an Grundschulen und wie viele von ihnen nehmen an der Mittagessenversorgung teil?

3. Sind bei der prozentualen Nutzung der Essenversorgung in Thüringen in den letzten drei Jahren nennenswerte Veränderungen zu verzeichnen?

4. Über welche Erkenntnisse verfügt die Landesregierung, warum Kinder die Versorgung mit Mittagessen in Kindertageseinrichtungen und Horten nicht nutzen?

5. Gibt es in Thüringer Kommunen Übernahmen der Verpflegungskosten (falls ja, wo und in welchem Umfang)?

6. Wie beurteilt die Landesregierung das eingangs angeführte OVG-Urteil?

7. Welche Auswirkungen auf die jeweilige Bemessung der Regelsätze gemäß Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hätte die in der politischen Auseinandersetzung geforderte kostenfreie Versorgung mit Mittagessen in Kindertageseinrichtungen und Horten?

Das Thüringer Kultusministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Zu den nachgefragten Sachverhalten zur Teilnahme an der Mittagsversorgung sind die Kommunen im eigenen Wirkungskreis tätig. Es besteht deshalb keine Veranlassung, entsprechende Daten für Zwecke der Kommunalaufsicht zu erfassen beziehungsweise abzufragen. Aus diesem Grund liegen der Thüringer Landesregierung hierzu keine Informationen vor.

Zu 1.: In den Kindertageseinrichtungen in Thüringen werden 67 178 Kinder mit mehr als sieben Stunden pro Tag betreut (Quelle: TLS - Statistischer Jahresbericht KVj/07 vom 15. März 2007). Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 2.: Im Schuljahr 2006/2007 haben 40 511 Kinder die Hortangebote an Grundschulen in Thüringen genutzt; nach vorläufigen Werten nutzen im Schuljahr 2007/2008 44 047 Kinder diese Angebote (Quelle: SIS Thüringer Kultusministerium).

Über die Teilnahme an der Mittagessenversorgung sind keine belastbaren Aussagen möglich. Dies liegt zum einen darin begründet, dass die Erfassungs- und Abrechnungssysteme je nach Schule bzw. Caterer unterschiedlich sind. Zum anderen nehmen einzelne Kinder auch nur unregelmäßig - je nach Nahrungsangebot, Stundenplan oder Wahrnehmung von Ganztagsbetreuungsangeboten - am Mittagessen teil.

Es wird davon ausgegangen, dass die überwiegende Mehrzahl der Kinder auch im Rahmen der Ganztagsbetreuung an der Mittagessenversorgung teilnehmen. Selbstverständlich obliegt es den Lehrern und Erziehern an den Schulen darauf zu achten, dass Kinder sich regelmäßig und gesund ernähren. Anderenfalls sind sie gehalten, das Gespräch mit den Eltern zu suchen oder gegebenenfalls auch das Jugendamt zu informieren.

Zu 3.: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

Zu 4.: keine.

Zu 5.: Der Thüringer Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.

Zu 6.: Der Beschluss ist aufgrund eines Rechtsstreits der Diakonie mit den Eltern der Kinder (die die Einrichtung besuchen) in Niedersachsen ergangen. Er wirkt lediglich zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Ein öffentlicher Träger der Jugendhilfe war sichtlich nicht beteiligt, daher unmittelbar nicht betroffen.

Angesichts dieser Umstände ist ein genereller Rechtsanspruch zur Übernahme von Verpflegungskosten in bestimmter Höhe durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach hiesiger Auffassung aus dem Niedersächsischen OVG-Beschluss nicht zwingend ableitbar; sondern lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung nach § 90 Abs. 2 und 3 SGB VIII.

Zu 7.: Nach der derzeitigen Rechtslage werden die nachfolgenden Leistungen für Kinder und Jugendliche beziehungsweise deren Erziehungsberechtigte zusätzlich zur Regelleistung erbracht:

- Erstausstattung für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II),

- mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II) sowie

- Mehrbedarfe für Alleinerziehende (§ 21 Abs. 3 SGB II).

Die vorgenannten Regelungen sind abschließend. Hortgebühren beziehungsweise Verpflegung in Ganztagseinrichtungen sind grundsätzlich aus der Regelleistung zu erbringen.

Kostenfreie Verpflegung ist als geldwerter Vorteil entsprechend ihrem Wert zu berücksichtigen. Die Bundesagentur für Arbeit verfährt derzeit so, dass bereitgestellte Verpflegung mit einem Wert von 35 vom Hundert der Regelleistung zu berücksichtigen ist. Wird keine volle Verpflegung zur Verfügung gestellt, ist als Wert der Mahlzeit ein Anteil entsprechend der Bewertung in der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu Grunde zu legen. Wird kostenlose Verpflegung für Kinder im Rahmen der Hortbetreuung gewährt, ist nach bisheriger Rechtslage analog zu verfahren.

Darüber hinaus wird auch angemerkt, dass die Bemessung der Regelsätze nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in diesem Zusammenhang grundsätzlich in gleicher Weise betroffen ist. Bei kostenfreier Versorgung mit Mittagessen in Kindertageseinrichtungen und Horten wären die Regelsätze für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nach den § 2 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 und § 88 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII um einen angemessenen Anteil für den ersparten Verpflegungsaufwand zu kürzen.