Der Umgang mit Wiedereingliederungsmaßnahmen lässt bei den Amtsärzten große Unsicherheiten erkennen

Bemerkungen des Rechnungshofs Stellungnahme der Landesregierung der Verwaltung gesucht, obgleich sich deren Verhalten im Rahmen der dienstrechtlichen Kompetenzen hielt. Auffälligkeiten waren auch bei der erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis und bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu verzeichnen.

Der Umgang mit Wiedereingliederungsmaßnahmen lässt bei den Amtsärzten große Unsicherheiten erkennen. Teilweise dauerten die Maßnahmen bis zu zwei Jahre unter Verweis auf das Abwarten eines bestimmten Behandlungsergebnisses, noch nicht ausgeschöpfter Behandlungsmaßnahmen oder generell einer Besserung.

· In 339 der geprüften 365 Ruhestandsfällen wegen Dienstunfähigkeit erfolgte bisher keine Prüfung einer erneuten Berufung in ein Beamtenverhältnis wegen einer möglichen Wiederherstellung der Dienstfähigkeit. In 24 Fällen wurde eine entsprechende Prüfung vorgenommen. Im gesamten Prüfungszeitraum konnte lediglich 1 Beamter erneut in ein Beamtenverhältnis berufen werden.

· Von den 74 örtlich geprüften Ruhestandsverfahren waren 39 wegen teilweise erheblicher Mängel zu beanstanden, da in diesen Fällen die Verfahren belegbar zu sachlich nicht gerechtfertigten vorzeitigen Ruhestandsversetzungen führten. Allein diese Fälle führen durch die daraus resultierenden Pensionszahlungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu Belastungen des Landeshaushalts in Höhe von insgesamt mindestens rund 9,8 Mio..

· Hinsichtlich der finanzwirtschaftlichen Auswirkungen des (vorzeitigen) Ruhestands für den Landeshaushalt erreichen die Pensionszahlungen in einzelnen Ruhestandsfällen, wie die folgenden Beispiele zeigen, Beträge in 6-stelliger Höhe:

· Für eine Beamtin, die wegen einer Alkoholerkrankung mehr als 26 Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand versetzt wurde, werden dem Freistaat für diesen Zeitraum voraussichtlich Versorgungsausgaben in Höhe von mindestens rund 570.000 entstehen.

· Durch eine andere Beamtin, die bereits im Alter von ca. 30 Jahren in den Ruhestand versetzt wurde, können für den Landeshaushalt mindestens rund 514.000 zusätzlicher Versorgungsausgaben entstehen.

· Einem Beamten, der 34 Jahre und 6 Monate vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand versetzt wurde, müsste das Land bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze mindestens rd. 574.000 Pension zahlen.

· Bei einem anderen Fall wurde eine Beamtin 37 Jahre und 5 Monate vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand versetzt. Sollte die Beamtin nicht mehr in ein Beamtenverhältnis berufen werden, wird sie in dieser Zeit mindestens rund 644.000 an Pensionszahlungen vom Freistaat erhalten.

Bei den 74 örtlich geprüften Fällen ergeben sich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ohne Besoldungserhöhungen und anderer Effekte Pensionszahlungen in Höhe von mindestens 1,3 Mio. Euro pro Jahr. Unter gleichen Bedingungen ergibt sich für alle in die Prüfung einbezogenen 365 Fälle ein jährlicher Betrag von 6,5 Mio. Euro. Dies entspricht ca. 20 v. H. der insgesamt im Jahre 2005 geleisteten Pensionszahlungen des Freistaats in Höhe von 32 Mio. Euro.

Bei Betrachtung der gesamten finanzwirtschaftlichen Auswirkungen für alle 365 gemeldeten Dienstunfähigkeitsfälle ergeben sich allein vom Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze für den Freistaat Pensionszahlungen von insgesamt rund 104 Mio. Euro.

Der Rechnungshof hat aufgrund der Vielzahl der getroffenen Feststellungen den geprüften Stellen mitgeteilt, dass das bisher praktizierte Verfahren zur Versetzung von Beamten in den Ruhestand mangels einheitlicher Regelungen und Mindeststandards in hohem Maße ineffektiv und ineffizient sei. Die Summe aller diesbezüglichen Beanstandungen sowie die oft unzureichende Prüfung durch die zuständigen Stellen haben insgesamt tendenziell dazu geführt, dass die Zurruhesetzung von Beamten wegen Dienstunfähigkeit sachlich nicht gerechtfertigt oder zu schnell erfolgt sei. Weiterhin seien die Bemerkungen des Rechnungshofs Stellungnahme der Landesregierung geringe Effektivität und Effizienz auch auf die fehlenden Regelungen zur Vergabe von Gutachteraufträgen an die Amtsärzte durch die zuständigen Stellen sowie auf die ebenfalls fehlenden Vorgaben zu Form und Inhalt der amtsärztlichen Gutachten selbst zurückzuführen. Das Gleiche gelte für die derzeit dezentrale Zuständigkeit der Amtsärzte, die zumindest teilweise zu einer suboptimalen Qualität der Gutachten führe und oftmals ohne Aussagekraft für die relevanten dienstrechtlichen Entscheidungen seien.

Hinsichtlich der finanzwirtschaftlichen Auswirkungen hat der Rechnungshof nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die jetzt schon bestehenden und künftigen erheblichen Belastungen des Landeshaushalts durch Pensionszahlungen die Notwendigkeit deutlich machten, alsbald einen signifikanten Rückgang der Ruhestandsfälle zu erreichen. Dieser Handlungsbedarf werde vor dem Hintergrund der ohnehin sehr angespannten finanzwirtschaftlichen Lage des Freistaats zusätzlich verstärkt. Da ab dem Haushaltsjahr 2006 die Pensionszahlungen nicht mehr zentral im Epl. 17, sondern in den jeweiligen Einzelplänen veranschlagt würden, sei jede oberste Landesbehörde nunmehr für die Pensionszahlungen selbst verantwortlich. Diese Neuregelung sollte für jede oberste Landesbehörde ein zusätzlicher Anreiz sein, in ihrem Geschäftsbereich durch geeignete Maßnahmen für eine deutliche Verringerung der hier in Rede stehenden Ruhestandsfälle zu sorgen und damit einen wirksamen Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts zu leisten.

Darüber hinaus sei es zur Erzielung weiterer Einspareffekte erforderlich, den Gesamtzeitraum bis zur Versetzung in den Ruhestand ­ d. h. die Krankheitsdauer bis zur Einleitung des Ruhestandsverfahrens und die eigentliche Dauer des Ruhestandsverfahrens ­ durch entsprechende Regelungen und Maßnahmen auf ein sachlich angemessenes Maß zu verkürzen.

Zur Erhöhung der Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit der Gesamtthematik Versetzung von Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit hat der Rechnungshof u. a. folgende Empfehlungen gegeben:

· Zur Gewährleistung einer schnelleren, sachlich-qualitativ verbesserten und effizienteren sowie einheitlichen Durchführung des gesamten Ruhestandsverfahrens ist es notwendig, dass die vorhandenen ­ grundsätzlich durchaus ausreichenden ­ gesetzlichen Grundlagen im Hinblick auf die einheitliche Aufgabenwahrnehmung der zuständigen Verwaltungsstellen und des erforderlichen Zusammenwirkens von Verwaltung und Amtsarzt durch entsprechende zweckmäßige und effektive Regelungen, Vorgaben und Maßnahmen optimiert und ergänzt werden. Dazu sind für folgende Aufgaben landesweit entsprechende Regelungen bzw. Mindeststandards zu erarbeiten und den zuständigen Stellen verpflichtend vorzugeben:

· Umgang und Verfahrensweise mit Langzeitkranken bis zur Einleitung des Ruhestandsverfahrens: Hierbei sollten insbesondere konkrete Maßnahmen, die (schrittweise) zu ergreifen sind, vorgegeben werden (z. B. systematische und regelmäßige Überwachung der Krankheitsdauer, schnellere Kommunikation mit der personalführenden Stelle).

· Form und Inhalt von Anträgen der Verwaltung an den Amtsarzt zur Erstellung amtsärztlicher Gutachten (in Anlehnung an § 46 Abs. 2 Satz 2 sollte dieser grundsätzlich nach 3 Monaten eingeschaltet werden).

· Vorgaben für amtsärztliche Gutachten zur Sicherstellung aussagekräftiger, vergleichbarer und von der Verwaltung praktisch verwendbarer Informationen.

· Form und Inhalt der Prüfung einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit.

· Zur Vermeidung häufig auftretender Zuständigkeitsfragen und ­ daraus resultierender ­ Zeitverzögerungen im Rahmen des Ruhestandsverfahrens sollte § 3 entsprechend geändert und die für die Bediensteten geltende Zuständigkeit des Amtsarztes klar, eindeutig und unmissverständlich geregelt werden.

Bemerkungen des Rechnungshofs Stellungnahme der Landesregierung

· Zur Steigerung der Qualität amtsärztlicher Gutachten und damit zur Erhöhung der Effektivität und Effizienz sowie zur Verkürzung der Ruhestandsverfahren insgesamt sollte zur Bündelung der fachlichen Kompetenz und Professionalität die Einrichtung eines zentralen amtsärztlichen Dienstes für die Bediensteten der Landesverwaltung alsbald geprüft werden.

· Den Amtsärzten sollten im Wege der Fortbildung baldmöglichst grundlegende Kenntnisse des einschlägigen Dienstrechts (z. B dienstrechtliche Definition der Dienstunfähigkeit als Grundlage des amtsärztlichen Gutachtenauftrags) zur Optimierung ihrer Mitwirkung im Rahmen des Ruhestandsverfahrens und der Zusammenarbeit mit den zuständigen Verwaltungsstellen vermittelt werden.

· Bei der Prüfung einer anderweitigen Verwendung von Beamten zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand sind Maßnahmen für den Erwerb einer neuen Laufbahnbefähigung zu ergreifen.

· Zur Gewährleistung der bisher praktisch nicht erfolgten Prüfung der begrenzten Dienstfähigkeit sollte § 46 a der eine begrenzte Dienstfähigkeit erst ab Vollendung des 50. Lebensjahres zulässt, an § 26 a Abs. 1 BRRG angepasst werden, das seit dem 1. Januar 2005 diesbezüglich keine Altersbegrenzung mehr vorsieht.

· Wiedereingliederungsmaßnahmen sollten grundsätzlich auf eine Höchstdauer von 6 Monaten beschränkt werden. Auch eine Verpflichtung zur Teilnahme an Reha-Maßnahmen könnte zu einer größeren Effizienz bei der Wiedereingliederung beitragen.

Das TFM hat zum Entwurf des Bemerkungsbeitrages im Wesentlichen wie folgt geantwortet:

Die Frage der Dienstfähigkeit der Beamten habe zweifelsohne eine tragende Bedeutung für den Dienstherrn. Dennoch könnten die sensiblen Themen Dienstunfähigkeit und Frühpensionierungen nicht ausschließlich unter fiskalischen Aspekten bewertet werden, sondern müssten unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch den Umständen des Einzelfalls gerecht werden.

Aus diesem Grund würden die Feststellungen und Anregungen des Thüringer Rechnungshofs mit dem Ziel aufgenommen, landeseinheitliche Verfahrensstandards aufzubauen und die bestehenden gesetzlichen Regelungen zu optimieren bzw. zu ergänzen. Hierzu sei inzwischen eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Thüringer Innenministeriums eingerichtet worden, deren erste Sitzung am 7. August 2007 stattgefunden habe.

Der Rechnungshof begrüßt, dass seine Feststellungen und Anregungen mit dem Ziel aufgenommen werden sollen, landeseinheitliche Verfahrensstandards zu entwickeln, um so die vorhandenen gesetzlichen Regelungen zu optimieren bzw. zu ergänzen.

Hierbei nimmt er zur Kenntnis, dass zur Festlegung des weiteren Verfahrens und konkreter Maßnahmen inzwischen bereits eine entsprechende Arbeitsgruppe unter Leitung des TIM eingerichtet wurde.

Abschließend weist der Rechnungshof nochmals nachdrücklich darauf hin, dass vor dem Hintergrund der äußerst angespannten Finanzlage des Freistaats und den mit der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit verbundenen erheblichen Belastungen des Landeshaushalts unverzüglich entsprechende Maßnahmen zum signifikanten Rückgang dieser Ruhestandsfälle ergriffen werden müssen. Dieses Ziel wird nur zu erreichen sein, wenn die Effektivität und Effizienz der jetzigen Praxis des gesamten Ruhestandsverfahrens durch die vom Rechnungshof vorgeschlagenen Regelungen, Standards und Maßnahmen nachhaltig erhöht wird. Daher wird er die Umsetzung der von der Arbeitsgruppe erarbeiteten Regelungen und festgelegten Maßnahmen aufmerksam verfolgen.

Das Prüfungsverfahren ist insgesamt noch nicht abgeschlossen.