Maßnahmen. Der Tunnelbetrieb wird in Thüringen rund um die Uhr durch die Zentrale Betriebsleitstelle ZBL in ZellaMehlis überwacht

6 Das Gutachten des Innenministeriums zur Tunnelkette der BAB A 71 stellt dazu fest, dass Großschadensereignisse, wie z. B. die schlagartige Freisetzung von Benzin (Gefahrgutklasse 3) mit Brand eines Tankwagens, in wenigen Minuten zu einer enormen Rauch- und Hitzeausbreitung beidseits des Ereignisorts führen, die eine Personenrettung und Brandbekämpfung durch die Feuerwehr unmöglich machen. Bei Eintritt eines solchen Ereignisses muss daher von erheblichen Personen- sowie Sachschäden an der Tunnelkonstruktion ausgegangen werden, demzufolge wird eine Sperrung auch für die Gefahrgutklasse 3 vorgeschlagen.

Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen wurde die Tunnelkette mit Verkehrszeichen 261 (Verbot für kennzeichnungspflichtige Kraftfahrzeuge mit gefährlichen Gütern) für den Gefahrguttransport gesperrt. Das Kabinett hat den Beschluss hierzu im Rahmen der Entscheidungen zu Regelungen der Gefahrenabwehr auf der BAB A 71 im Bereich der Tunnelkette am 23.Oktober 2001 gefasst. Diese Sperrung wurde auch in die vom Bundesverkehrsministerium erlassene Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn aufgenommen.

Maßnahmen:

Der Tunnelbetrieb wird in Thüringen rund um die Uhr durch die Zentrale Betriebsleitstelle (ZBL) in Zella-Mehlis überwacht. Damit ist sichergestellt, dass im Gefahrenfall Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst sofort alarmiert werden können. Der Leiter der ZBL ist Tunnelmanager für alle Thüringer Tunnel. Ihm zur Seite steht der Sicherheitsbeauftragte.

Der Betrieb der Tunnel und ihre Ausstattung werden durch den Tunnelmanager und den Sicherheitsbeauftragten permanent überwacht.

Zur Unterstützung der Selbstrettung und zum Schutz der Tunnelanlage stehen entsprechende Informations-, Lüftungs-, Lösch- und Verkehrsleiteinrichtungen sowie Fluchtmöglichkeiten zur Verfügung. Zur Erkennung von beginnenden Bränden sind alle Tunnel mit Brandmeldeanlagen ausgestattet. Darüber hinaus sind zusätzlich alle 150 m Sichttrübemessgeräte vorhanden. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass damit eine schnelle Alarmierung der Feuerwehr gewährleistet ist.

Im Gefahrenfall werden die Tunnel durch das Betriebspersonal der Autobahnverwaltung umgehend gesperrt und die Nutzer aufgefordert, den Gefahrenbereich zu verlassen.

Entscheidend für eine wirksame Selbstrettung ist das rechtzeitige Erkennen der Gefahr durch den Nutzer und die richtige Wahl des Fluchtwegs. Schnelle Ansprache und Hilfe durch die Betriebsleitstelle können daher lebensrettend sein.

Durch organisatorische Maßnahmen, wie die Einführung von Abstandsregelungen, von Begleitmaßnahmen für Gefahrguttransporte usw. (siehe Anlage 3) könnte ­ sofern dies praktikabel und der Mehraufwand (Geld, Zeit) wirtschaftlich wäre ­ ggf. eine gewisse Minderung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Gefahrgutunfällen erreicht werden. Das zu erwartende Schadensausmaß bliebe jedoch gleich groß, da sich die spezifischen räumlichen Bedingungen des Tunnels nicht ändern lassen und sich damit auch die Randbedingungen für Feuerwehreinsätze nicht verbessern.

- 7 Zur Rettung Verunfallter und zur Gefahrenabwehr im Tunnel selbst sind im Rahmen eines Gesamtsicherheitskonzepts gemeinsam mit der örtlich zuständigen Polizei, den Feuerwehren und Rettungsdiensten Vorkehrungen zur Gefahrenabwehr und Menschenrettung (Fremdrettung) zu treffen. Ausgehend von typischen Schadensszenarien

­ Unfall/Brand mit Lkw/Pkw usw. ­ erfolgen hier Festlegungen zur Hilfeleistung und Brandbekämpfung sowie über zusätzliche technische Ausstattungen des Tunnels zur Schadensverhütung, die über das Ausstattungsniveau der RABT 2006 hinausgehen können.

Ein Restrisiko kann jedoch auch bei einem noch so gr0ßen Aufwand in der technischen Ausstattung und in der Überwachung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Finanzieller Umfang und Personalbedarf

Zur Sicherstellung einer umfassenden Gefahrenabwehr beim Transport von Gefahrgut ist für jeden Tunnel individuell zu prüfen, ob die Forderungen des Brand- und Katastrophenschutzes nach zusätzlichen technischen Sicherungseinrichtungen (z. B. Explosionsschutz, stationäre Feuerlöschanlagen) im wirtschaftlichen Verhältnis zum Erfolg und zur Wirkung stehen. Der entstehende Aufwand ist jedenfalls nach Auffassung des Bundes durch das Land zu tragen.

Den für die Gefahrenabwehr zuständigen Gemeinden entstehen bereits ohne Zulassung von Gefahrguttransporten tunnelbedingte zusätzliche Kosten, da die Gefahrenabwehr im Tunnel einen besonders zeitnahen Einsatz mit ausreichend Fachpersonal und entsprechender feuerwehrtechnischer Ausstattung erfordert. Dazu ist das vorhandene Personal je nach Lage und Länge des Tunnels und der örtlichen Verantwortlichkeit entsprechend rechtzeitig auszubilden, ggf. aufzustocken und ortsnah unterzubringen.

Im Falle einer beschränkten Zulassung von Gefahrgut im Bereich der Tunnelkette auf der BAB A 71 ist nach Ansicht des Gutachters (Gutachten des TIM) die Aufstockung der Tunnelfeuerwehr auf 77 hauptamtliche Einsatzkräfte erforderlich, die ausschließlich für die Gefahrenabwehr auf der Tunnelkette zuständig sind. Zur Einhaltung der im Nordbereich des Rennsteigtunnels wird außerdem eine zweite Feuerwache für erforderlich gehalten. Dadurch würden folgende Kosten entstehen:

- Baukosten für zweite Wache: ca. 1,5 Mio. Euro

- Zusätzliche technische Ausstattung: ca. 1,0 Mio. Euro (z.B.: Kleinlösch-Hilfsleistungsfahrzeug-Tunnel, Gerätewagen-Gefahrgut, persönliche Schutzausrüstung, Chemikalienschutzausrüstung)

- Zusätzliche jährliche Personalkosten: ca. 2,4 Mio. Euro (bei Aufstockung von 18 auf 77 Einsatzkräfte zzgl. Tarifsteigerungen)

- Ausbildung: ca. 0,5 Mio. Euro.

Der genannte Aufwand für die Kammquerung der BAB A 71 wird vom Gutachter als untere Grenze des Vertretbaren angesehen, damit sich aus kleinen Schadenslagen keine Großschadensereignisse entwickeln. Bestimmte Ereignisse (z. B. Explosion, giftige Gase) bleiben jedoch auch dann nicht beherrschbar. Bei Einbau einer stationären Feuerlöschanlage würden sich die o. a. Kosten ggf. reduzieren lassen.

Angaben zu Kosten für den Einbau von stationären Feuerlöschanlagen gehen stark auseinander, sie reichen nach derzeitigen Informationen von ca. 0,8 bis 3 Mio. Euro je laufendem Kilometer für einen einröhrigen Tunnel. Dabei sind noch keine Kosten für Betrieb, Wartung und Instandhaltung enthalten. In Deutschland gibt es hierzu noch keine Erfahrungen.

Weitergehende Aussagen zum Umfang des finanziellen Rahmens und des personellen Bedarfs, um eine Nutzung aller Tunnel für alle oder bestimmte Gefahrgüter zu ermöglichen, sind derzeit nicht verfügbar.

Zum weiteren Vorgehen

Das Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr hat den Lenkungskreis Gefahrgut in Thüringer Tunneln einberufen, der sich u. a. mit der Erstellung und Auswertung von Risikoanalysen und dem Einfluss bestimmter Parameter, möglichen Risikominderungsmaßnahmen und der Auswertung von Unfällen unter Beteiligung von Gefahrgut befasst. Einbezogen sind neben der Straßenverkehrs- und der Straßenbaubehörde das Umwelt- und das Innenressort.

Darüber hinaus hat Thüringen im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz die Initiative ergriffen. Unter Leitung von Herrn Minister Trautvetter wurde am 6. Juli 2007 eine erste Bund-Länder-Beratung zum Thema der Nutzung von Tunneln durch Gefahrguttransporte durchgeführt. Mit der Lösung der Aufgabe wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Gefahrguttransporte durch Tunnel unter Thüringer Leitung beauftragt. An der Arbeitsgruppe beteiligen sich die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Mit Beschluss der Verkehrsministerkonferenz wird von der Bundesanstalt für Straßenwesen im Rahmen eines Forschungsvorhabens die Frage der Vergabe der Tunnelkategorie wissenschaftlich begleitet. Es geht dabei insbesondere um die Optimierung der Risikoanalyse und des dazu erforderlichen Verfahrens. Die Erkenntnisse sollen später in einen Leitfaden zur Durchführung von Risikoanalysen einfließen.

Gleichzeitig soll damit die Suche nach einer bundeseinheitlichen Lösung für die Vergabe der neuen Tunnelkategorien nach dem ADR unterstützt werden. Bund und Länder teilen sich die Kosten. Ergebnisse werden Anfang 2009 erwartet.

Seitens des Innenministeriums wurde weiterhin ein IMK-Forschungsvorhaben zum Thema Brände in Tunnelanlagen - Möglichkeiten der Feuerwehren zu ihrer Bekämpfung initiiert.

Dabei sollen insbesondere die Bedingungen für die Feuerwehren bei der Bekämpfung von Bränden in Straßentunneln unter Berücksichtigung der den Risikoanalysen zugrunde liegenden Brandszenarien für verschiedene Unfälle wissenschaftlich untersucht werden.

Hierbei wird auch Gefahrgut einbezogen. Ergebnisse werden im I. Quartal 2009 erwartet.