Petition

7. Tätigkeitsbericht 2006-200762

Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz die unvermeidbar betroffenen Personen miterfasst werden, z. B. Verkehrsteilnehmer auf der Gegenfahrbahn.

Die Kontrolle hat ergeben, dass die Nutzung von Videotechnik zur Verfolgung von Rotlichtverstößen aufgrund von Erfahrungen in anderen Bundesländern eingeführt wurde, da diese Technik zuverlässigere Ergebnisse liefere. Allerdings erstreckte sich die Errichtungsanordnung des Verfahrens nur auf die Verfolgung von Abstandsverstößen (7.6). Die Polizeidirektion Jena wurde daher aufgefordert, die Errichtungsanordnung an die tatsächliche Nutzung auch zum Zweck der Verfolgung von Rotlichtverstößen anzupassen. Zwar entsprach die bei der Kontrolle festgestellte Verfahrensweise inhaltlich datenschutzrechtlichen Anforderungen, war aber nicht schriftlich festgelegt. Deshalb wurde die Polizeidirektion Jena auch aufgefordert, begleitende organisatorische Regelungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten in dem Verfahren zu erlassen. Diese Forderungen wurden daraufhin erfüllt. Da anzunehmen ist, dass auch andere Polizeidienststellen in Thüringen Videotechnik für Rotlichtverstöße einsetzen, wurde das Thüringer Innenministerium aufgefordert, diese Thematik in die Überarbeitung der Richtlinien für die polizeiliche Verkehrsüberwachung einzubeziehen. Bislang ist das noch nicht erfolgt.

Führen technische Weiterentwicklungen zu erweiterten Ermittlungsmöglichkeiten, ist zu prüfen, ob die gesetzlichen Grundlagen für daraus entstehende weitere Gefährdungen der Privatheit ausreichen.

Selbst wenn das so ist, müssen jedoch die organisatorischen Regelungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten angepasst werden.

Das Thüringer Innenministerium sollte daher die angekündigte Überarbeitung der Richtlinie zügig abschließen.

Protokollierung von ZEVIS-Abfragen unzureichend ZEVIS stellt ein wichtiges Instrument der Polizei bei der Gefahrenabwehr und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten dar.

Weil aber bundesweit einem Großteil der Polizisten der Zugriff auf die dort gespeicherten Datensätze von ca. 50 Millionen Kfz-Haltern und derzeit über 23,2 Millionen Fahrerlaubnisinhabern (täglich erfolgen 70 000 Halter- und Fahrerlaubnisabfragen) ermöglicht wird, besteht auch das Risiko, dass die eine oder andere Anfrage unbefugt erfolgt. Weil eine unbefugte Abfrage technisch nicht verhindert werden kann, sieht das Straßenverkehrsgesetz neben der Grundprotokol7. Tätigkeitsbericht 2006-2007 63

Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz lierung aller Abfragen beim Kraftfahrtbundesamt auch eine Zusatzprotokollierung vor, bei der der Anlass des Abrufs und Angaben festgehalten werden, die es ermöglichen, die für den Abruf verantwortliche Personen festzustellen. Damit soll insbesondere eine nachträgliche Datenschutzkontrolle ermöglicht werden. Dass dies in der Praxis zu Problemen führen kann, zeigt folgender Fall.

Eine Petentin bekam einen Anruf, mit dem sich eine Verkehrsteilnehmerin über ihre verschmutze Kleidung beschwerte und die Reinigungskosten ersetzt haben wollte. Eine Stunde zuvor hatte die Petentin offenbar im Vorbeifahren die Betreffende nass gespritzt. Auf ihre verwunderte Nachfrage, woher sie ihre Daten habe, antwortete sie, sie habe eben gute Freunde bei der Polizei. Die Überprüfung über den beim Kraftfahrtbundesamt ergab tatsächlich zum fraglichen Zeitpunkt eine Abfrage im ZEVIS. Über das Thüringer Landeskriminalamt als Zentralstelle für die polizeiliche Datenverarbeitung wurde dann die weitere Überprüfung veranlasst. Dort wurde zunächst ermittelt, welcher Polizeidienststelle und welchem Beamten zum Abrufzeitpunkt die Kennung zugeordnet war. Dabei stellte sich heraus, dass die Kennung einer von der Thüringer Bereitschaftspolizei zur Unterstützung der Polizeiinspektion Erfurt-Nord zugewiesenen Beamtin zugeordnet war. Bei der Befragung der Beamtin konnte sich diese nicht mehr an das abgefragte Kennzeichen erinnern. Das war auch nicht verwunderlich, weil sie an diesem Tag zusammen mit einem Kollegen als Abfragebeamtin sämtliche Datenabfragen im Rahmen eines geschlossenen Einsatzes für 35 Beamte der Bereitschaftspolizei erledigte. Außer der Aufzeichnung des Funkverkehrs zu diesem Einsatz, der zum Zeitpunkt der Überprüfung bereits gelöscht war (Aufbewahrungsfrist 3 Monate), sind keine Aufzeichnungen dokumentiert worden, welcher der Einsatzbeamten welche Daten zur Abfrage an die Abfragebeamtin übermittelte und aus welchem Grund. Mit dieser unzureichenden Protokollierung war es also nicht möglich, die mit der Petition aufgeworfene Frage abschließend zu klären, ob die tatsächlich erfolgte Abfrage der Daten der Petentin rechtlich zulässig war. Nach den hierzu vorliegenden Fakten erscheint das mehr als zweifelhaft.

Deshalb ist der noch mit dem Thüringer Innenministerium im Gespräch, die Protokollierung von solchen Sammelabfragestellen so zu verbessern, dass eine effektive Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Abrufe auch tatsächlich möglich ist.

7. Tätigkeitsbericht 2006-200764

Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz Anlass zur Kritik gab in diesem Fall auch die Art und Weise, wie von Seiten der Polizeibehörden die datenschutzrechtliche Überprüfung betrieben wurde. Obwohl sich die Petentin auch mit einer Anzeige an die Polizeidirektion Erfurt gewandt hatte, wurden dort die durch den veranlassten Ergebnisse der Protokolldatenabfrage beim Kraftfahrtbundesamt nicht in das zwischenzeitlich gegen unbekannt eingeleitete Ermittlungsverfahren einbezogen. Man bemühte sich offenbar nicht sehr intensiv um eine Zuordnung des Datenabrufs zu einem konkreten Beamten, weil eine solche Abfrage - selbst wenn sie stattgefunden hätte - als zulässig angesehen worden ist. Daher hat die Staatsanwaltschaft Erfurt das Ermittlungsverfahren eingestellt. Da die Begründung der Einstellungsverfügung bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag, kann dieser Einzelvorgang noch nicht abschließend bewertet werden.

Abfragen aus dem ZEVIS darf die Polizei nicht durchführen, um die Daten anschließend an Dritte weiterzuleiten, die einen möglichen Schadensersatzanspruch gegen den Kfz-Halter haben. Auch wenn das vielleicht bürgerfreundlich erschiene, so ist dazu nach § 39 Abs. 1 allein das Kraftfahrtbundesamt oder die Kfz-Zulassungsstelle befugt. Zu diesem Ergebnis könnte man aber auch schon durch einen Blick in § 32 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2 PAG gelangen, worauf sich die Polizei allerdings unzutreffend als Rechtfertigung für die Abfrage berief. Danach darf die Polizei nur dann personenbezogene Daten zum Schutz privater Rechte erheben, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde.

Hier ist nicht im Ansatz erkennbar, weshalb die Geschädigte ihre möglichen Schadensersatzansprüche nur durch polizeiliche Hilfe hätte durchsetzen können. Eine Auskunft über die Kfz-Halterin hätte sie bei der Kfz-Zulassungsstelle sicherlich auf der Grundlage von § 39 Abs. 1 erhalten, allerdings wohl nur gegen Zahlung einer Verwaltungsgebühr!

Die Protokollierungen von ZEVIS-Abfragen durch die Thüringer Polizei müssen künftig in der Weise erfolgen, dass in allen Fällen eine datenschutzrechtliche Kontrolle möglich ist. Der wird sich in seiner Kontrolltätigkeit dieser Problematik verstärkt annehmen.