Zuletzt waren Anhänger der Gruppierungen KEF

Juli 2008 hat folgenden Wortlaut:

In Thüringen gibt es in mehreren Städten gewaltbereite Fangruppen wie auch rechtsextreme Straftaten bzw. Vorfälle in Stadien. Zuletzt waren Anhänger der Gruppierungen KEF bzw. Jungsturm KEF für einen Überfall auf alternative Jugendliche in Erfurt verantwortlich.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Gewaltdelikte wurden in 2007 und im ersten Halbjahr 2008 im Umfeld von oder während Fußballspielen registriert (bitte aufschlüsseln nach Art des Deliktes, Ort, Datum, Anzahl der beteiligten Personen/Tatverdächtigen)?

2. Welche Fangruppen von so genannten Hooligans bzw. Ultras existieren bei Thüringer Fußballvereinen, wie viele Mitglieder werden diesen zugerechnet, welche Aktivitäten und Straftaten werden von diesen ausgeübt und in welchen Fällen werden diese durch spezielle Fanprojekte betreut?

3. Welche speziellen Schulungsangebote werden für Polizisten, aber auch Sportvereine im Umgang mit gewalttätigen oder rechtsextremen Fangruppen angeboten?

4. Welche Vorfälle gab es 2007 und im ersten Halbjahr 2008 bei öffentlichen sportlichen Wettkämpfen und Ereignissen im Fußballsport mit der

· Verbreitung rassistischer oder rechtsextremer Parolen durch Schlachtgesänge, Transparente und Rufe seitens der Besucher;

· Verwendung rassistischer oder rechtsextremer Parolen, Symbole und Kennzeichen durch Teilnehmer, Mannschaften oder Trainingspersonal;

· Verteilung rechtsextremistischer Publikationen oder Werbemittel?

5. In wie vielen Fällen wandten sich Mitgliedsvereine des Landessportbundes Thüringen e.V. an Sicherheitsbehörden mit der Bitte um Beratung bei Vorfällen mit rechtsextremen Bezügen (bitte aufschlüsseln nach Ort, Sportart/Disziplin und Art des Vorfalls)?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 3. September 2008 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2008 sind insgesamt 123 Straftaten im Umfeld von Fußballspielen der 2. Bundesliga, Regionalliga Nord, Oberliga Süd und vereinzelt in unteren Spielklassen registriert worden, die sich wie folgt darstellten:

12. September 2008

· 49 Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte i.S.d. §113 davon 16 in Erfurt, 26 in Jena, 2 in Nordhausen und jeweils 1 Fall in Gera, Gotha, Artern, Greußen und Altenburg

· 58 Fälle von Körperverletzung i.S.d. § 223 bzw. von gefährlicher Körperverletzung i.S.d. §§ 23, 224 davon 32 in Erfurt, 24 in Jena und jeweils 1 Fall in Altenburg und Gera

· 11 Fälle von Landfriedensbruch i.S.d. § 125 davon 6 in Erfurt, 4 in Jena und 1 Fall in Altenburg

· 5 Raubstraftaten i.S.d. §§ 249, 250, 252 davon 4 in Erfurt und 1 Fall in Jena

Bei den aufgeführten Straftaten, außer bei einigen Fällen des Landfriedensbruches, handelten die Tatverdächtigen als Einzeltäter. Bei den 6 Fällen des Landfriedensbruches in Erfurt konnten 17 Tatverdächtige aus den agierenden Gruppen ermittelt werden. In Jena wurden Ermittlungen gegen 56 Tatverdächtige gemäß § 125 (Landfriedensbruch) geführt.

Zu 2.: Hooligans bzw. Ultragruppierungen bestehen nur im Umfeld der beiden Traditionsvereine FC Carl Zeiss Jena und FC Rot-Weiß Erfurt sowie des FV Gera-Süd (ehemals Wismut Gera).

Die Fans werden in den Kategorien B- und C-Fans unterschieden.

Fans der Kategorie B neigen gelegentlich und anlassbezogen zu Gewalttätigkeiten. Dazu zählen auch die so genannten Ultras.

In Erfurt gibt es etwa 100 Ultras. Diese organisieren sich in den Gruppierungen Erfordia Ultras, Erfurt Youth, Dunstkreis und Erfurt Süd.

Im Umfeld des FV Gera-Süd existiert die Gruppierung Ultra Gera 99. Dieser werden ca. 40 Fans der Kategorie B zugeordnet.

In der Fanszene des FC Carl Zeiss Jena gibt es vier große Ultragruppierungen (Saale Front Jena, Horda Azzuro, Bergaer Nutten, Burgelin Action Mob), denen ca. 200 Personen zugerechnet werden können. Unter diesen befinden sich ca. 80 Personen der Kategorie B.

Zur Kategorie C werden Personen gezählt, welche gewaltbereit sind und gezielt Auseinandersetzungen mit gegnerischen oder gleichgesinnten Fans suchen.

Die so genannten Nachwuchshooligans der Erfurter Fanklientel gliedern sich in zwei Gruppen, die Kategorie EF (kurz KEF, ca. 20 Mitglieder) und den Jungsturm KEF (ca. 25 Mitglieder).

Vor allem Mitglieder der Kategorie EF fielen in den letzen beiden Jahren durch eine Vielzahl von Straftaten auf. So wurden seit 2007 gegen Angehörige der KEF 21 Ermittlungsverfahren wegen Verdachts gemäß § 223 (Körperverletzung) bzw. gemäß §§ 223, 224 (gefährlicher Körperverletzung) eingeleitet.

Vereinzelt wird auch wegen Landfriedensbruch (4 Fälle), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (4 Fälle), Volksverhetzung (2 Fälle), Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Symbole (2mal) und weiteren Delikten ermittelt. Viele dieser Straftaten der Angehörigen der KEF wurden allerdings nicht im Zusammenhang bzw. Umfeld von Fußballveranstaltungen begangen.

Bei den anderen genannten Ultra-Fangruppierungen sind nur vereinzelte Straftaten der Angehörigen registriert.

Bei den Jenaer C-Fans, aktuell werden ca. 100 Personen von der dortigen Polizei in die Kategorie C eingestuft, handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl um einen losen Zusammenschluss von Personen aus dem Türsteher- bzw. Security-Milieu der Städte Weimar, Apolda, Gera und Jena. Die Altersstruktur dieser Personen liegt zwischen 25 und 30 Jahren, teilweise auch darüber (bis 40 Jahre). Diese Personen treten nicht unter einem eigenen Gruppennamen auf.

Fanbetreuung findet bei den Fußballvereinen FC Carl-Zeiss Jena und FC Rot-Weiß Erfurt statt.

Die Jenaer Ultras werden durch zwei hauptamtliche und mehrere nebenamtliche Mitarbeiter des Jena e.V. im Rahmen der Jugendsozialarbeit sozialpädagogisch betreut. Dieser Personenkreis entspricht der Alterszielgruppe der Jugendsozialarbeit (16 bis max. 25 Jahre).

Das Erfurter Fanprojekt dient als Anlaufstelle für die Erfurter Fans, somit auch für die Ultras.

Der Personenkreis der Kategorie C bzw. Hooligans wird nur teilweise durch die Fanprojekte erreicht, weil sich diese Problemklientel gezielt der Einflussnahme entzieht.

Zu 3.: In allen Polizeidirektionen werden regelmäßig Schulungsmaßnahmen für die Vorbereitung von Polizeikräften auf Einsätze im Zusammenhang mit Fußballspielen durchgeführt.

Insbesondere in Vorbereitung der Fußball-EM 2008 in Österreich und der Schweiz erfolgten umfangreiche Fortbildungsmaßnahmen. Schwerpunkte hierbei bildeten Szenarien mit gewalttätigen Fußballfans im Zusammenhang mit Public-Viewing-Veranstaltungen.

Weiterhin finden am Bildungszentrum der Thüringer Polizei regelmäßig Lehrgänge statt, deren Lehrinhalt sich mit der Verhinderung von Gewalt und deren Erscheinungsformen beschäftigt (z.B. Ausbildung zum Kommunikationsbeamten, Einsätze anlässlich von Open-Air-Veranstaltungen, Bewältigung von Demonstrationslagen usw.).

Im März 2007 wurde durch das Thüringer Innenministerium zum Thema Einsätze bei gewalttätigen Ausschreitungen im Zusammenhang mit Fußballspielen eine Informations- und Fortbildungsveranstaltung durchgeführt.

Durch die szenekundigen Beamten der Polizeidirektionen Jena, Erfurt und Gera werden darüber hinaus regelmäßig Schulungsmaßnahmen und Seminare im Rahmen der Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten (Polizeimeisteranwärter, Einsatzeinheiten der Bereitschaftspolizei und der Polizeidirektionen, Polizeivollzugsbeamten des Einsatz- und Streifendienstes) durchgeführt. Die Lerninhalte der Schulungen umfassen u.a. die Themen Hooliganismus, Gewalt bei Fußballspielen und deren Prävention.

Seit dem 25. Juli 2006 besteht in Erfurt eine Vereinbarung über eine Sicherheitspartnerschaft zwischen dem Erfurter Fanprojekt e.V., dem Erfurter Sportbetrieb, der Stadt Erfurt und der Polizeidirektion Erfurt. Ziel dieser Sicherheitspartnerschaft ist es, dass der Fußballsport auf dem Platz und auf den Rängen fair, sauber und ohne Gewalt betrieben werden kann. Die szenekundigen Beamten der Polizeidirektion Erfurt werden regelmäßig in Kurzseminaren für die Fanclubs des FC Rot-Weiß Erfurt einbezogen. Es soll im Vorfeld auf Konsequenzen bei strafrechtlichem Fehlverhalten und Verstößen gegen die Stadionordnung aufmerksam gemacht werden.

Nach Absprache mit dem FC Carl Zeiss Jena erhalten die eingesetzten Sicherheitsdienste in besonderen Schulungen vor Saisonbeginn durch erfahrene Polizeiführer regelmäßige Einweisungen in ihre Aufgaben, Rechte und in spezielle Verhaltensweisen von Fußballstörern.

In der Polizeidirektion Gera wurden im Rahmen von Fachschulungen das Thema Gewalttätigkeiten behandelt und Schulungsmaßnahmen mit Ordnern der Fußballvereine durchgeführt.

Zwischen der Landesinformationsstelle Sporteinsätze in der Polizeiabteilung des Thüringer Innenministeriums und dem Thüringer Fußballverband findet außerdem regelmäßig ein Erfahrungsaustausch zu aktuellen Entwicklungen und Tendenzen im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen statt.

Der Thüringer Fußballverband schult turnusmäßig bis in die untersten Spielklassen die Verantwortlichen für die Organisation des Spielbetriebes im Thüringer Fußballvereinssport sowie die Vorstände der Thüringer Fußballvereine. Die Schulungen beinhalten Handlungsempfehlungen in Konfliktsituationen beim Spielbetrieb sowie die Maßnahmen und ihre Umsetzung gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und politischen Extremismus durch die Verantwortlichen im Thüringer Fußball-Verband.

Seit 2007 werden zusätzlich durch den Landessportbund Thüringen in Zusammenarbeit mit den Kreis- und Stadtsportbünden Informationsveranstaltungen gegen Gewalt und Rechtsextremismus für Thüringer Sportvereine organisiert, welche ebenfalls von vielen Thüringer Fußballvereinen genutzt werden.

Ab 1. Oktober 2008 beginnt beim Landessportbund Thüringen die neu installierte Beratungsstelle Koordinierung und Beratung zur Gewaltprävention und zur Bekämpfung von Extremismus im Sport in Thüringen ihre Tätigkeit.

Zu 4.: Im Zusammenhang mit Fußballspielen in Erfurt und Nordhausen im Jahr 2007 wurde durch vier bzw. zwei Personen das so genannte U-Bahnlied gesungen. Gegen diese Personen wurden Strafanzeigen wegen Volksverhetzung i.S.d. § 130 erstattet.

Nach einer Public-Viewing-Veranstaltung anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2008 riefen in Erfurt mehrere Personen aus der Gruppe heraus ausländerfeindliche Parolen. Gegen die unbekannten Täter wurde ein Ermittlungsverfahren gem. § 130 (Volksverhetzung) geführt.

Während unterschiedlicher Fußballveranstaltungen wurden durch Zuschauer in 11 Fällen Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen getragen bzw. in 7 Fällen verfassungsfeindliche Parolen (Hitlergruß) verbreitet. Gegen die Beschuldigten wurden Verfahren wegen Verdachts der Strafbarkeit gemäß § 86 a eingeleitet.

Während eines Fußballtrainingslagers von Kindern und Jugendlichen in der Landessportschule Bad Blankenburg schworen sich die Fußballspieler vor der Begegnung mit dem Wort Sieg! ein. Hier soll nach Angaben von Zeugen nach dem Wort Sieg! das Wort Heil! gefallen sein. Ein deshalb gegen Unbekannt eingeleitetes Ermittlungsverfahren befindet sich derzeit noch zur rechtlichen Würdigung und zur Klärung der weiteren Verfahrensweise bei der Staatsanwaltschaft Gera.

Beim Spiel des FC Carl Zeiss Jena gegen den 1. FC Kaiserslautern verteilten kurz vor Spielende Mitglieder der örtlichen Jungen Nationalen Werbeprospekte der NPD im Bereich des Vorplatzes am Stadion. Nachdem dies den Anhängern der Ultragruppierungen des FC Carl Zeiss Jena bekannt wurde, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppierungen. Durch das schnelle Einschreiten der Polizei konnten weitere Störungen verhindert werden. Eine rechtliche Würdigung des Inhalts der Flyer ergab keinen Straftatverdacht.

Zu 5.: In zwei Fällen haben sich Fußballvereine an die zuständigen Polizeibehörden mit der Bitte um Beratung und Unterstützung aufgrund von Vorfällen mit rechtsextremem Hintergrund gewandt.

Am 14. Mai 2007 teilte der SV Windischholzhausen 04 e.V. der Polizeidirektion Erfurt schriftlich mit, dass es am 13. Mai 2007 zu rechtsextremistischen Vorfällen im Zusammenhang mit einem Fußballspiel des SV Windischholzhausen 04 in der 2. Kreisklasse kam. Durch Personen einer Fangruppierung (Inferno Windisch), welche zum Teil der örtlichen rechten Szene (NPD und NJ) angehören, sollen u.a. rechtsextreme Parolen gerufen sowie Feuerwerkskörper, Flaschen und Rauchbomben auf das Spielfeld geworfen worden sein. Daraufhin fand zwischen den Vertretern des Vereins, des Landessportbundes, dem Fanbeauftragten des FC Rot Weiß Erfurt sowie der Polizei eine Besprechung statt. Es wurden Strafverfahren u.a. wegen des Verdachtes der Strafbarkeit gemäß § 86 a (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) eingeleitet. Des Weiteren erhielt der Verein Handlungsempfehlungen zum weiteren Umgang mit diesem Problemfanpotential durch die Polizei und den Landessportbund. Zudem wurden bei den darauf folgenden Fußballspielen begleitende Maßnahmen der Polizei durchgeführt. Erneute Vorfälle sind nach dem 13. Mai 2007 nicht bekannt geworden.

Des Weiteren wandte sich der SV Wacker Nordhausen, Abteilung Fußball, nach einem Fußballspiel am 13. Oktober 2007 an die Polizei, weil während des Thüringenligaspiels Wacker Nordhausen gegen Eintracht Sondershausen zwei Nordhäuser Fans das so genannte U-Bahnlied sangen. Nach einer Beratung mit den Verantwortlichen des Vereins und der Polizei wurden Maßnahmen eingeleitet, die weitere Vorfälle dieser Art verhinderten. Unter anderem wurde gegen die beiden Personen Strafanzeige wegen des Verdachts der Strafbarkeit gemäß § 130 (Volksverhetzung) eingeleitet sowie ein örtliches Stadionverbot ausgesprochen.

Dem Thüringer Innenministerium sind keine weiteren Fälle bekannt, in denen sich Vereine des Landessportbundes e.V. im Sinne der Frage an die Sicherheitsbehörden gewandt haben.