Die Dauer des Wohnheimaufenthalts sei abhängig von der Dauer des Asylverfahrens und könne sehr stark variieren

Im Ergebnis der Auswertung der eingegangenen Zuschriften und Durchführung der mündlichen Anhörung entsprechend der vorgegebenen Schwerpunkte

- Lebenssituation von Migranten und Migrantinnen

- sprachliche Integration

- Bildung und Ausbildung

- berufliche Integration können folgende Kernaussagen getroffen werden:

- Lebenssituation von Migranten und Migrantinnen

Bei diesem Schwerpunkt standen die Vor- und Nachteile der Unterbringung von Asylbewerbern und Asylbewerberinnen im Vordergrund der Beiträge. So werde in Thüringen eher von der Gemeinschaftsunterkunft als der Einzelunterbringung in Wohnungen gebrauch gemacht.

Die Dauer des Wohnheimaufenthalts sei abhängig von der Dauer des Asylverfahrens und könne sehr stark variieren. Einerseits wurden in der Gemeinschaftsunterkunft Vorteile darin gesehen, dass Probleme, die vor Ort lokalisiert seien schneller einer Lösung zugeführt werden könnten als bei dezentraler Unterbringung. Auch sehe man in der Gemeinschaftsunterbringung eine soziale Komponente. So könnten soziale Kontakte unter Frauen besser organisiert und der regelmäßige Schulbesuch von Kindern besser überwacht werden. Andererseits wurde die Unterbringung der Migranten in der Gemeinschaftsunterkunft eher als nachteilig gesehen.

So verursache die Randlage der Flüchtlingsunterkünfte einen erhöhten Bedarf an Fahrtkosten für den Besuch von Behörden, Ärzten usw., den die Flüchtlinge weitgehend allein zu tragen hätten. Es sei weiter festzustellen, dass die Zahl und die Schwere physischer und psychischer Erkrankungen stark zunehme, wenn Flüchtlinge lange in Gemeinschaftsunterkünften lebten und es fehle an Rückzugsmöglichkeiten insbesondere für Frauen und Kinder. In mehreren Beiträgen wurde darauf verwiesen, dass die Rechtslage und die Kompetenzverteilung auf z.T. Bundes- und Landesbehörden bei diesem Thema kompliziert sei. Seitens des Flüchtlingsrats Thüringen wurde anhand von Beispielen dargelegt, dass das Landesverwaltungsamt grundsätzlich seine Dienst- und Rechtsaufsicht wesentlich stärker wahrnehmen müsse, damit Flüchtlinge nicht um ihr Recht gebracht würden und sich gegen Verwaltungshandeln mit rechtsstaatlichen Mitteln zur Wehr zu setzen könnten. So sei die Gemeinschaftsunterbringung ein wesentliches Merkmal für Deintegration. Deren bauliche Situation könne man in den Einrichtungen in Gangloffsömmern, in Gerstungen oder in Katzhütte anschauen, die territoriale Abgeschiedenheit sei in Juchhöh oder bei Winterstein zu betrachten. Dass diese Unterbríngungsform Gettoisierung bedeute, sei unbestritten. Hier schöpfe der Gesetzgeber in

Thüringen die Kompetenz des Bundesgesetzes nicht aus. Seitens des Flüchtlingsrats wurde bestritten, dass es automatisch ein öffentliches Interesse gebe, das eine Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft erfordere. Zudem müsse man konstatieren, dass es diese Abwägung im Einzelfall nicht gebe, sondern die Landkreise von einer Grundsatzentscheidung für die Gemeinschaftsunterkunft ausgingen. Dass es anderes möglich sei, zeige das Beispiel der Stadt Suhl mit einer 100-prozentigen Einzelunterbringung. Dass der Wille des Gesetzgebers mit dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz nicht vollständig umgesetzt werde, beweise das Beispiel des Landkreises Sömmerda mit nur 1,8 Prozent dezentraler Unterbringung. Ein weiteres Problem sei die Residenzpflicht. Asylsuchende seien verpflichtet, ihren Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen. Das heiße aber nicht, dass man ihre Bewegungsfreiheit einschränken dürfe. Z.B. müssten die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft Gangloffsömmern, wenn sie nach Erfurt zu einem Gottesdienst, einer Versammlung oder einen Weiterbildungskurs wollten, zur Ausländerbehörde nach Sömmerda fahren und einen Antrag zum Verlassen des Landkreises stellen. Der werde ohne schriftliche Nachricht, aber mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Betroffenen dagegen klagen könnten. Die Folge sei, dass Flüchtlinge ihre Grundrechte nicht mehr in Anspruch nehmen oder auf die Beantragung eines Urlaubsscheines verzichten würden. Die Regelung der Residenzpflicht und das Polizeiaufgabengesetz hielten die Polizei an, auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen alle fremdländisch aussehenden Personen zu kontrollieren. Beobachter solcher Kontrollen unterstellten Straftaten, der Rassismus werde dadurch verstärkt.

Zur Frage der Segregation teilte der Ausländerbeauftragte mit, dass es weniger eine ethnische als vielmehr eine soziale Segregation gebe. Inwieweit das bedenklich sei, könne nicht beurteilt werden. Die Gemeinschaftsunterkünfte seien Notlösungen, sollten als solche behandelt werden und seien nur für eine begrenzte Zeit zumutbar. Der Thüringische Landkreistag teilte mit, dass die zum Teil in anderen Bundesländern wahrnehmbare ethnische und soziale, mit einem Migrationshintergrund in Verbindung stehende Segregation in Wohnquartieren nicht zu beobachten sei. Eine Konzentration von Migranten sei lediglich im Bereich der größeren Städte feststellbar.

Vom Ausländerbeirat wurde eingeschätzt, dass Segregationsprozesse in Thüringen mit mehr oder minder starken Tendenzen zu beobachten seien. Migrationsspezifische Segregation spiele dabei eine eher untergeordnete Rolle, werde aber von der Bevölkerung sehr sensibel wahrgenommen. In der Realität gebe es sozialräumliche Segregation und soziale Brennpunkte - unabhängig von der ethnischen Herkunft der Wohnbevölkerung. Die Ursachen von Segregation könne man darauf zurückführen, dass sich vor allem jene Personen stark räumlich konzentrierten, die aufgrund niedriger Einkommen, geringer Qualifikation und häufiger Arbeits12 losigkeit geringere Integrationschancen haben. Damit einher würden geringere Chancen gehen, in anderen Stadtteilen eine Wohnung zu finden.

Die Gründe, warum in einigen Stadtteilen, insbesondere in den größeren Städten in Thüringen, eine gewisse Konzentration vor allem von Spätaussiedlern und anderen russischsprachigen Migrantinnen und Migranten zu beobachten sei, lasse sich auch mit einem gewissen Sicherheitsbedürfnis und Zusammengehörigkeitsgefühl erklären. Man sucht selbst die Nähe von Menschen mit vertrautem sprachlichem oder kulturellem Hintergrund, um sich gegenseitig unterstützen zu können. Insofern gehöre die Organisation von und der Rückzug in ethnische Netzwerke zu einer migrationsspezifischen Überlebensstrategie, die durchaus auch positive Aspekte beinhalte.

Die bestehende sozialräumliche Segregation werde sich nur begrenzt beeinflussen und verändern lassen; insoweit müsse Integration trotz Segregation erfolgen. Aufgrund des insgesamt geringen Anteils von Migranten an der Bevölkerung in Thüringen spielten diese Prozesse jedoch eine eher untergeordnete Rolle. Trotzdem sei auch in diesem Zusammenhang eine permanente Aufklärungsarbeit gegen Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung notwendig.

Breiten Raum nahm auch die Problematik des Bezugs von Sachleistungen bzw. Bargeld ein.

So wurde ausgeführt, dass die in Gemeinschaftseinrichtungen untergebrachten Migranten in der Regel Gutscheine oder andere unbare Leistungen erhielten, in Wohnungen lebende Migranten bekämen Bargeld. Dieser Unterscheidung sei nach Auffassung der Vertreterin der LAG der kommunalen Ausländerbeauftragten nicht zu begründen.

Für in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachte Migranten wäre es häufig schwierig, z.B. die Mittagsversorgung für ihre Kinder zu finanzieren oder den Einkauf der Dinge des täglichen Bedarfs zu tätigen, da sie über wenig Bargeld verfügten, die Lösung mittels Chipkarten nicht mehr funktioniere und eine Akzeptanz gegenüber Gutscheinen nur eingeschränkt bestehe.

Der Einkauf selbst sei für die Flüchtlinge stark diskriminierend.

Seitens der Landkreise und kreisfreien Städte werde dem Sachleistungsprinzip der Vorrang gegeben. Mit der Ausgabe von Wertgutscheinen wolle man sicherstellen, dass die Leistung bei den Flüchtlingen ankomme und das Missbrauchspotenzial minimiert werde. Tatsächlich werde das Missbrauchspotenzial mit den Wertgutscheinen erhöht, teilte der Vertreter des Flüchtlingsrats, Herr Dittes, mit. Die Menschen suchten zwangsläufig nach Wegen, wie sie die Gutscheine anders verwerten könnten. Gegenwärtig beobachte man, dass dieser Missbrauch zum Nachteil der Asylsuchenden betrieben werde, da die Wertgutscheine als Zweitwährung mit einem Umtauschkurs von 1 : 0,8 gehandelt würden. Missbrauch könne in diesem Bereich nur durch die Gewährung von Bargeld verhindert werden.