Käufer des Grundstücks

Aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 27. Juni 2008 (Az: V ZR 135/07) muss die Stadt Neustadt an die Herdoor Türelemente & Co KG Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss in Höhe von 430 531,25 Euro zahlen. In einem notariellen Grundstückskaufvertrag vereinbarten die beiden Parteien für die Erschließung (enthalten auch die Kosten für die Abwasserentsorgung) einen zu zahlenden Betrag von 9 DM/m. Sechs Monate später schloss sich die Stadt Neustadt mit weiteren Gemeinden zum Zweckverband Wasser-Abwasser Orla zusammen; dieser errichtete eine zentrale Kläranlage, schloss das Grundstück der Firma Herdoor an und forderte einen Herstellungsbeitrag Abwasser in Höhe von 430 531,25 Euro. Diesen Beitrag machte die Firma Herdoor von der Stadt Neustadt als Schadensersatz geltend.

Die Stadt Neustadt war aufgrund des o.g. Urteils verpflichtet, den Käufer des Grundstücks ungefragt darüber zu unterrichten, dass aufgrund der geplanten Errichtung einer durch den in Gründung befindlichen Zweckverband weitere Beitragslasten auf diesen zukommen würden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele weitere Firmen und private Grundstückseigentümer haben bis zur Gründung des Zweckverbands Wasser-Abwasser Orla mit der Stadt Neustadt notarielle Grundstückskaufverträge mit einer Vereinbarung über die Zahlung eines Betrags für die Erschließung (enthalten auch die Kosten für die Abwasserentsorgung) abgeschlossen?

2. In welchen dieser Fälle hat der Zweckverband Wasser-Abwasser Orla Herstellungsbeiträge für die Abwasserentsorgung erhoben und in welcher Beitragshöhe?

3. In welcher Höhe hat die Stadt Neustadt bisher Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss gezahlt bzw. in welcher Höhe sind bisher Forderungen geltend gemacht worden?

4. Inwieweit ist durch das vertragsrechtliche Verschulden der Stadt Neustadt ein vermögensrechtlicher Nachteil für die Stadt selbst entstanden? Wer haftet für diesen vermögensrechtlichen Nachteil?

5. Inwieweit stellt das vertragsrechtliche Verschulden eine Amtshaftung des damaligen Bürgermeisters dar und inwieweit hat dies kommunalaufsichtsrechtliche Konsequenzen?

6. In welchem Umfang war die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde im dargestellten Verfahren beteiligt?

7. Inwieweit unterlag der Kaufvertrag zwischen der Stadt Neustadt und dem Unternehmen der rechtsaufsichtlichen Genehmigung (vgl. § 67 Thüringer Kommunalordnung)?

8. Unter welchen Voraussetzungen hat die Stadt Neustadt in dieser Frage einen Erstattungsanspruch gegen den Zweckverband Wasser-Abwasser Orla und wie wird dies von der Landesregierung begründet?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 10. November 2008 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde beim Landratsamt des Landkreises Saale-Orla-Kreis liegt keine fortlaufende Aufstellung über Grundstückskaufverträge der Stadt Neustadt vor Gründung des Zweckverbandes Wasser-Abwasser Orla vor.

Zu 2.: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

Zu 3.: Der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde liegen entsprechende Informationen über Schadensersatzzahlungen der Stadt Neustadt bzw. gegen diese geltend gemachte Forderungen nicht vor.

Zu 4.: Die diesbezügliche rechtsaufsichtliche Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.

Zu 5.: Unabhängig vom Ergebnis der rechtsaufsichtlichen Prüfung wäre nach Auffassung der oberen Rechtsaufsichtsbehörde ein Schadensersatzanspruch der Stadt Neustadt gegen den damaligen Bürgermeister bereits gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Kommunalwahlbeamtengesetz i. V. m. § 82 Abs. 2 Thüringer Beamtengesetz verjährt. Gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 Thüringer Beamtengesetz verjährt ein Schadensersatzanspruch nach § 82 Abs. 1 Thüringer Beamtengesetz nach zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Dies gilt auch in den Fällen des § 82 Abs. 2 Satz 2 Thüringer Beamtengesetz. Nach vorstehendem Urteil des Bundesgerichtshofes wurde der notarielle Kaufvertrag am 30. Juli 1992 abgeschlossen. Die möglicherweise pflichtverletzende Handlung wurde also spätestens mit Abschluss des notariellen Kaufvertrages am 30. Juli 1992 begangen. Die zehnjährige Verjährungsfrist ist damit bereits abgelaufen. Möglicherweise bestehende Schadensersatzansprüche könnten gegen den Bürgermeister der Stadt Neustadt auf Grundlage des § 82 Abs. 1 Thüringer Beamtengesetz damit nicht mehr geltend gemacht werden.

Zu 6.: Die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde war am gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Zu 7.: Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages galt nicht § 67 Thüringer Kommunalordnung, sondern § 49 der vorläufigen Kommunalordnung für das Land Thüringen. Gemäß § 49 Abs. 3 Buchst. b der vorläufigen Kommunalordnung für das Land Thüringen bedurfte die Gemeinde der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde, wenn sie Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte verkauft oder tauscht.

Zu 8.: Auch diese Frage kann unter Verweis auf die Antwort zu Frage 4 noch nicht abschließend beantwortet werden, da die diesbezügliche rechtsaufsichtliche Prüfung noch andauert.