Abbruch von Trainingsmaßnahmen durch Arbeitsagenturen

Nach uns vorliegenden Informationen sollen die Agenturen für Arbeit berechtigt sein, einseitig den Abbruch von Trainingsmaßnahmen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu erklären, wenn die Teilnehmer ohne Genehmigung der Agentur für Arbeit vorübergehend ortsabwesend sind.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Auf welcher Grundlage sind die Agenturen für Arbeit berechtigt, einseitig den Abbruch einer Trainingsmaßnahme zu erklären, wenn die Teilnehmenden vorübergehend ortsabwesend sind? Welches Ermessen besteht dabei für die Agenturen für Arbeit und wie begründet die Landesregierung diese Auffassung?

2. Inwieweit müssen die Agenturen für Arbeit bei angezeigter Kenntnis der vorübergehenden Ortsabwesenheit durch die Trainingsteilnehmer (z. B. bei Urlaub) in welcher Art und Weise die Trainingsteilnehmer über die Folgen der vorübergehenden Ortsabwesenheit in Kenntnis setzen und die Teilnehmer der Trainingsmaßnahme zur ordnungsgemäßen Beendigung der Trainingsmaßnahme anhalten? Welches Ermessen besteht dabei für die Agenturen für Arbeit? Wie werden diese Auffassungen durch die Landesregierung begründet?

3. Welche Folgen drohen den Teilnehmern von Trainingsmaßnahmen für den Fall, dass die für Arbeit einseitig einer Trainingsmaßnahme erklärt und inwieweit verfügen die Agenturen für Arbeit bei der Anwendung dieser Möglichkeiten über ein Ermessen? Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassungen?

4. Unter welchen Voraussetzungen können Teilnehmer von Trainingsmaßnahmen gegenüber den Agenturen für Arbeit kurzfristig die vorübergehende Ortsabwesenheit erklären (z. B. bei personellen und familiären Notlagen), ohne zwingend die Hinweise der Agenturen für Arbeit (siehe Frage 2) abwarten zu müssen und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

5. In wie vielen Fällen haben Agenturen für Arbeit in Thüringen seit Inkrafttreten der so genannten Hartz-IVArbeitsmarktreformen von der Möglichkeit der einseitigen Erklärung zum Abbruch einer Trainingsmaßnahme Gebrauch gemacht und aus welchen hauptsächlichen Gründen erfolgte dieser einseitig 12. Dezember 2008

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 24. November 2008 wie folgt beantwortet: Vorauszuschicken ist zunächst, dass die Agenturen für Arbeit nicht der Fach- und Rechtsaufsicht der jeweiligen Länder, sondern der Bundesagentur für Arbeit bzw. dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstehen.

Zu 1.: Die Agenturen für Arbeit sind berechtigt, Teilnehmer von einer Trainingsmaßnahme auszuschließen, wenn sie sich maßnahmewidrig verhalten. Ein maßnahmewidriges Verhalten liegt vor, wenn ein Teilnehmer schuldhaft den Ablauf der Maßnahme beeinträchtigt, den Maßnahmeerfolg gefährdet oder dem Bildungsträger der Verbleib des Teilnehmers in der Maßnahme nicht zugemutet werden kann, weil der Teilnehmer z. B. den Unterricht wesentlich stört, wiederholt fehlt oder die Unterrichtsordnung grob missachtet. Ein Anlass zum Ausschluss aus einer Trainingsmaßnahme wegen maßnahmewidrigen Verhaltens liegt angesichts der kurzen Maßnahmedauer von Trainingsmaßnahmen bei zwei unentschuldigten Fehltagen vor.

Beabsichtigt ein Teilnehmer an einer Trainingsmaßnahme, sich außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs der zuständigen Agentur für Arbeit aufzuhalten, hat er hierzu die vorherige Zustimmung der Arbeitsagentur einzuholen (§ 119 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] i. V. m. § 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen der Arbeitsagentur zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können [Erreichbarkeits-Anordnung - EAO]). Verweigert die Agentur für Arbeit die Zustimmung und/oder entfernt sich der betreffende Maßnahmeteilnehmer unentschuldigt aus dem zeit- und ortsnahen Bereich, ohne die vorherige Zustimmung der Arbeitsagentur eingeholt zu haben, liegt das eingangs beschriebene maßnahmewidrige Verhalten vor, das die Agentur berechtigt, den Teilnehmer von der Maßnahme auszuschließen.

Der Vermittlungsbereich prüft im Wege einer Anhörung, ob gegebenenfalls ein wichtiger Grund für die Ortsabwesenheit vorlag und ob die Einholung der vorherigen Zustimmung der Arbeitsagentur für die Entfernung aus dem zeit- und ortsnahen Bereich dem betreffenden Maßnahmeteilnehmer bei Interessenabwägung nicht zumutbar war. Im Anschluss an die Anhörung wird in pflichtgemäßem Ermessen entschieden, ob ein wichtiger Grund anerkannt werden kann.

Zu 2.: Jeder Arbeitnehmer, der sich bei der zuständigen Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos meldet, wird bereits im Rahmen des Erstkontaktes über die Grundsätze von Verfügbarkeit und Erreichbarkeit sowie über seine Meldepflicht und seine Mitwirkungs- und Beratungspflicht informiert. Darüber hinaus wird bei jeder Arbeitslosmeldung obligatorisch das Merkblatt 1 ausgehändigt, in dem die Rechte und Pflichten von Arbeitslosen dargelegt sind. Die Inhalte des Beratungsgespräches und die Aushändigung des Merkblatts 1 werden verbindlich dokumentiert und durch die Vermittlungsfachkraft im Rahmen des Erstgesprächs nochmals überprüft. Somit ist jeder Arbeitslose grundsätzlich über seine Mitwirkungs- und Mitteilungspflicht beim Verlassen des Wohnorts aufgeklärt.

Jeder Kunde, dem das Angebot der Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme verbindlich unterbreitet wurde, schließt mit der Vermittlungs- und Beratungsfachkraft eine schriftliche Ziel-/Eingliederungsvereinbarung (ZEV) ab, in der unter anderem individuell die mit dem Kunden getroffenen Vereinbarungen im Hinblick auf die Maßnahmeteilnahme strukturiert und zusammengefasst werden.

Die Ziel-/Eingliederungsvereinbarung dient dazu, dem Maßnahmeteilnehmer das Ziel der Trainingsmaßnahme transparent zu machen, die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen und die Integration in Beschäftigung zu beschleunigen. Sie wird dem Maßnahmeteilnehmer ausgehändigt und, zur Schaffung von Verbindlichkeit, von ihm unterschrieben.

Aufgrund der intensiven Beratung vor einer Trainingsmaßnahme und der individuellen ZEV ist davon auszugehen, dass jedem Teilnehmer bewusst ist, dass zur Sicherstellung des Maßnahmeerfolgs und aufgrund der kurzen Maßnahmedauer während einer Trainingsmaßnahme ein Verlassen des Wohnortes ausgeschlossen ist. Die Landesregierung geht davon aus, dass die rechtlichen Voraussetzungen durch die Agenturen für Arbeit beachtet werden.

Zu 3.: Arbeitslosen,

- die sich weigern, an einer Trainingsmaßnahme, einer Maßnahme zur Eignungsfeststellung oder an einer Maßnahme zur beruflichen Aus- oder Weiterbildung teilzunehmen oder

- die Teilnahme an einer der vorstehend genannten Maßnahme abbrechen oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer Maßnahme geben droht der Eintritt einer Sperrzeit (§ 144 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB III).

Der Eintritt einer Sperrzeit bewirkt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht und sich die Anspruchsdauer um die Tage der Sperrzeit vermindert.

Die Sperrzeit dauert

- drei Wochen, wenn es sich um die erstmalige Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme handelt oder die angebotene Maßnahme bis zu sechs Wochen dauert oder wenn die Maßnahme innerhalb von sechs Wochen nach Maßnahmeabbruch wegen maßnahmewidrigen Verhaltens geendet hätte (§ 144 Abs. 4 Nr. 1 SGB III),

- sechs Wochen, wenn es sich um die zweite Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme handelt oder die angebotene Maßnahme länger als sechs Wochen dauert oder die Maßnahme nach Maßnahmeabbruch oder Ausschluss wegen maßnahmewidrigen Verhaltens noch länger als sechs Wochen gedauert hätte (§ 144 Abs. 4 Nr. 2 SGB III).

Dem Maßnahmeteilnehmer ist vor der Entscheidung der Agentur über die Verhängung einer Sperrzeit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Eine Sperrzeit tritt nicht ein, wenn für das Verhalten des Maßnahmeteilnehmers ein wichtiger Grund existiert. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein anderes als das zu einer Sperrzeit führende Verhalten nicht zugemutet werden kann.

Zu 4.: Hält sich ein Arbeitsloser außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs auf, steht dies der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn die Arbeitsagentur vorher ihre Zustimmung erteilt hat. Das bedeutet, dass Arbeitslose nicht berechtigt sind, gegenüber den Agenturen für Arbeit die vorübergehende Ortsabwesenheit zu erklären, sondern dass sie diese grundsätzlich vorab zu beantragen haben.

Die Zustimmung zur Ortsabwesenheit darf durch die zuständige Agentur für Arbeit jeweils nur dann erteilt werden, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt wird (§ 119 SGB III i. V. m. § 3 der EAO). Bei Teilnehmern an Trainingsmaßnahmen ist davon auszugehen, dass in jedem Fall eine Beeinträchtigung der beruflichen Eingliederung vorliegt, da aufgrund der kurzen Maßnahmedauer generell die Gefahr besteht, dass die Ortsabwesenheit zum Maßnahmeabbruch führt.

Insofern kann für diesen Personenkreis eine Zustimmung der Agentur für Arbeit zum Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs ausschließlich in Fällen außergewöhnlicher Härten, die aufgrund unvorhersehbarer und für den Arbeitslosen unvermeidbarer Ereignisse entstehen, erteilt werden.

Zu 5.: Eine Aussage hierzu ist nicht möglich. Statistische Angaben zum Ausschluss von Teilnehmern wegen maßnahmewidrigen Verhaltens aus Trainingsmaßnahmen durch die Agenturen für Arbeit liegen nicht vor.