Drogenmissbrauch in Justizvollzugsanstalten

Der Missbrauch von Suchtmitteln macht - wie die Drogenfunde bei Anstaltsdurchsuchungen beweisen - offenbar auch vor hessischen Justizvollzugsanstalten nicht Halt.

Um einen Überblick über die tatsächliche Belastung der Justizvollzugsanstalten zu erhalten, bitten wir die Landesregierung um Beantwortung folgender Fragen.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie hat sich die Zahl der nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilten Strafgefangenen in den letzten 10 Jahren

a) im Erwachsenenvollzug und

b) im Jugendvollzug entwickelt?

Auf nachfolgende Aufstellung wird Bezug genommen.

Wenn nein, was steht dem entgegen?

Im hessischen Justizvollzug wird zurzeit keine derartige Statistik geführt.

Die Dokumentation von Drogenentzügen erfolgt in der jeweiligen Krankenakte. Allgemeine Erfahrungen mit Drogenentzügen wurden bisher bei den Dienstbesprechungen der Anstaltsärztinnen und -ärzte erörtert. Auf die Erstellung einer allgemeinen Drogenentzugsstatistik wurde bisher wegen des immer größer werdenden Anteils von Verwaltungsarbeiten im Rahmen des ärztlichen Dienstes verzichtet. Die Problematik der Erstellung dieser besonderen Statistik wurde mit den hessischen Anstaltsärztinnen und -ärzten erörtert. Es wurde veranlasst, dass ab 1. Januar 2001 die Daten zum Drogenentzug (wann, welcher Art und wie) nunmehr ermittelt und jährlich zusammengestellt werden.

Frage 3. a) Welche Drogenfunde - untergliedert nach unterschiedlichen Giften, Mengen und Anstalten - wurden gemacht?

b) Bei welchen Maßnahmen ergaben sich diese Funde?

Zu a): Im Jahr 1999 wurden in 230 Fällen Drogen in hessischen Vollzugsanstalten sichergestellt. Gegenüber den Vorjahren wurde vermehrt Haschisch gefunden, während der Anteil der so genannten harten Drogen wie Heroin und Kokain geringer war. Bei 78 v.H. aller sichergestellten Drogen handelte es sich um Haschisch, bei 12 v.H. um Heroin und bei 10 v.H. um sonstige Substanzen.

Die meisten Drogen wurden 1999 in der Justizvollzugsanstalt Butzbach gefunden (38 Funde). In den Justizvollzugsanstalten Darmstadt, Kassel I und Frankfurt am Main III gab es 28, 28 und 22 Funde. In 57 v.H. der Fälle im Jahr 1999 wurden die Drogen in Hafträumen und bei körperlichen Durchsuchungen sichergestellt, die übrigen 43 v.H. bei Zugangskontrollen, in Fluren und Freizeiträumen bzw. in Werkbetrieben.

Wegen der Einzelheiten der Drogenfunde und hinsichtlich der Aufgliederung nach Anstalten, Fundort, Drogenart und Gewicht wird auf die beigefügten Anlagen 1 und 2 Bezug genommen.

Zu b): Die Funde ergaben sich zum einen bei der routinemäßigen Kontrolle der Hafträume, Werkbetriebe und Höfe sowie bei körperlichen Kontrollen bei Zugängen und nach Besuchen. Daneben erfolgten Sicherstellungen im Rahmen von Sonderkontrollen. Diese Sonderkontrollen erstrecken sich auf gemeinsame Durchsuchungsaktionen mit der Polizei und dem besonderen Sicherheitsdienst der hessischen Justizvollzugsanstalten, Sonderkontrollen aufgrund bestimmter Umstände (z.B. konkreter Hinweise) und den Einsatz von Rauschgiftspürhunden der Polizei.

Frage 4. Welche präventiven Maßnahmen zur Verhinderung der Einbringung von Drogen haben die Anstalten bisher ergriffen?

Neben den unter 3b) aufgeführten Maßnahmen sind die Durchführung von Urinkontrollen, die Installierung von Durchreichsperren vor den Haftraumfenstern, die flächendeckende Ausstattung mit Gepäckdurchleuchtungsanlagen sowie intensive Paketkontrollen und Inhaltskontrollen sonstiger Postund Briefsendungen zu nennen.

Die Vollzugsbediensteten werden regelmäßig von externen Fachkräften hinsichtlich der Erkennung von Drogen und der Beurteilung einschlägiger Verhaltensauffälligkeiten geschult. Die Schulungen finden sowohl in der Hessischen Polizeischule als auch in den einzelnen Justizvollzugsanstalten statt.

Bei Verdachtsmomenten gegen bestimmte Gefangene, die auch unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Relevanz liegen, werden erforderlichenfalls Verlegungen in andere Justizvollzugsanstalten, gegebenenfalls auch über die Landesgrenzen hinaus, vorgenommen, um potenzielle Drahtzieher aus dem Umfeld herauszulösen. Daneben haben auch alle präventiven Maßnahmen wie die Einleitung von Strafverfahren und die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen neben spezialpräventiven Auswirkungen auch generalpräventive Zwecke, da potenziellen Drogenkonsumenten die konsequente Haltung der Vollzugsbehörden und die für die Gefangenen nachteiligen Folgen unmissverständlich vor Augen geführt werden.

Frage 5. Welche pädagogischen Maßnahmen zur Verhinderung der Einbringung von Drogen haben die Anstalten bisher ergriffen?

Neben den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der besonderen Fachdienste (Sozialdienst, psychologischer, pädagogischer und medizinischer Dienst) in den Justizvollzugsanstalten stehen zur Beratung und Betreuung von drogengefährdeten und - abhängigen Gefangenen externe Drogenberaterinnen und -berater zur Verfügung.

Die seit Ende der 70er-Jahre bestehende externe Drogenberatung in den hessischen Vollzugsanstalten hat folgende Aufgaben:

- Vermittlung von Plätzen zur stationären Behandlung und den Maßregelvollzug,

- Vermittlung in teilstationäre Einrichtungen, ambulante Betreuung und Behandlung/Therapie und Einrichtungen der Selbsthilfe,

- Beratungs- und Motivationsarbeit (u.a. bei Substitutionsbehandlung), Sensibilisierung der Therapiebereitschaft,

- Verbringung in therapeutische Einrichtungen (so genannte Langzeittherapie),

- Präventionsarbeit bei drogengefährdeten Gefangenen und kurzfristige Weiterbetreuung Drogenabhängiger nach der Entlassung in den Beratungszentren der Maßnahmeträger.

Frage 6. a) Welche Reaktionen werden bei Verdacht auf Drogenmissbrauch oder nach festgestelltem Drogenmissbrauch in hessischen Anstalten ergriffen?

b) Gibt es hierzu seitens des hessischen Justizministeriums Handlungsanweisungen für die Anstalten?

Zu a): Bei vorliegendem Verdacht auf Drogenmissbrauch werden die Gefangenen einer Urinkontrolle unterzogen. In der Regel erfolgt bereits in der Anstalt ein Vortest, der Aufschluss über Art und Umfang des Drogenkonsums liefern kann. Bei positivem Ergebnis wird in der Regel ein Bestätigungstest durch ein Fachlabor durchgeführt, dessen Expertise gerichtsverwertbar ist. Die auf diese Weise festgestellten Drogenmissbräuche ziehen eine Reihe vollzuglicher Konsequenzen nach sich. Zum einen kommt grundsätzlich eine Strafanzeige oder ein Strafantrag in Betracht, wobei der bloße Drogenkonsum in der Regel als straffreier Eigenverbrauch zur Einstellung der Verfahren führt.

Vollzuglicherseits führt der nachgewiesene Konsum von Drogen in jedem Fall zu einer Überprüfung der Vollzugsplanung. Die Eignung für die Gewährung von Vollzugslockerungen und Urlaub wird in diesen Fällen grundsätzlich verneint. Vor einer eventuell positiven Entscheidung über Vollzugslockerungen und Urlaub hat der Gefangene über einen ausreichend langen Beobachtungszeitraum und durch geeignete Maßnahmen, wie z. B. negative Urinkontrollen, den Nachweis zu erbringen, dass er sich von Drogen fernhält. Sollte sich herausstellen, dass bei dem Gefangenen ein verfestigtes Drogenkonsumverhalten vorliegt, so kommen stützende Maßnahmen vor allen der externen Drogenberatung in Betracht.

Bei festgestelltem Drogenmissbrauch oder der Sicherstellung von Drogen wird außerdem gegen den betreffenden Gefangenen ein Disziplinarverfahren durchgeführt.

Zu b): Die Handlungsanweisungen für die Anstalten ergeben sich aus den einschlägigen Vorschriften der und der Hessischen Ausführungsbestimmungen zu den Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (HABDSVollz). Daneben sind Handlungsanweisungen in Einzelerlassen, wie z. B. der Einsatz des besonderen Sicherheitsdienstes der hessischen Justizvollzugsanstalten, geregelt. Für die einheitliche Handhabung und Durchführung von Urinkontrollen wird eine für alle Anstalten verbindliche Erlassregelung zum 1. Januar 2001 in Kraft treten.

Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass in verstärktem Maße Urinkontrollen durchgeführt werden und der Kreis der zur Abgabe von Urinproben heranzuziehenden Gefangenen erweitert wird. Weiterhin ist mit dieser Erlassregelung eine für alle Justizvollzugsanstalten verbindliche Dokumentierung und Auswertung der durchzuführenden Urinkontrollen verbunden.

Neben Testungen aus konkretem Anlass (Verdachtstestungen) werden zusätzlich anlassunabhängige Testungen bei drogengefährdeten Gefangenen (Basistestungen) vorgenommen, die in der Gesamtschau geeignet sind, ein Bild über die Drogensituation in den einzelnen Justizvollzugsanstalten zu liefern. Die zur Durchführung der verstärkten Urinkontrollen erforderlichen Finanzmittel sind in den Haushaltsplan 2001 eingestellt.