Abwicklung der Bodenreform gemäß Artikel 233 §§ 11-16 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) - Vorgehensweise und aktueller Stand (2)

Die Bundesregierung konnte in ihrer Antwort auf eine zum Thema Bilanz der Bodenreform (Bundestagsdrucksache 16/6255 vom 23.August 2007) weder aktuelle Zahlen vorlegen noch hinreichend Auskunft zu den erfragten Angaben erteilen. Stattdessen verwies sie darauf, dass die Abwicklung der Bodenreform Sache der Länder sei und dass die Länder zur Feststellung eventueller Auflassungsansprüche unterschiedlich vorgegangen sind und nicht in allen Ländern die Grundbücher gezielt auf solche Ansprüche hin überprüft wurden. Folglich könnten nur die Länder Auskunft erteilen.

Die Antwort der Bundesregierung enthält keine Bilanz zur Abwicklung der Bodenreform. Dies wäre meines Erachtens jedoch sinnvoll, da es bei einer solchen Bilanz immerhin um den Vollzug und die Ergebnisse eines Bundesgesetzes geht, das in den neuen Bundesländern zu erheblichen politischen Kontroversen, sozialen Problemen und bei nicht wenigen Bürgerinnen und Bürgern zu Verdruss und Zweifeln am Rechtsstaat geführt hat.

Auch die Landesregierung hat dem Landtag bislang keine komplexe Einschätzung und Bilanz der Abwicklung der Bodenreform vorgelegt, sondern nur Teilangaben.

16 Jahre nach dem Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 und acht Jahre nach dem Ablauf der Verjährung von Auflassungsansprüchen (2. Oktober 2000) ist es nunmehr höchste Zeit, Bilanz zu ziehen und über noch verbleibende Aufgaben und Probleme zu informieren.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wem obliegt im Land die Entscheidung über die klageweise Durchsetzung von Ansprüchen des Landesfiskus?

2. Wie viele Klageverfahren, die auf Auflassung von Flächen bzw. auf Herausgabe des Verkaufserlöses gerichtet waren, sind mit welchen Entscheidungen abgeschlossen?

3. In wie vielen Fällen hat das Land die Auflassung bzw. die Herausgabe des Verkaufserlöses in Verfahren vor den Gerichten erfolgreich durchgesetzt und in wie vielen Fällen verloren?

4. Wie viele Ansprüche des Landes auf Auflassung von Grundstücken bzw. Herausgabe der Verkaufserlöse wurden bis zum 2. Oktober 2000 verjährungsunterbrechend geltend gemacht?

5. Wie viele Verfahren zur Bodenreformabwicklung sind noch in Bearbeitung, und um wie viele Hektar Land und um welche finanzielle Höhe handelt es sich in der Gesamtheit dieser Streitfälle?

6. Wie viele Erben von Bodenreformeigentümern wurden zwischen 1990 und 1992 auf der Grundlage des Gesetzes über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990

(Modrow-Gesetz) als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen und in wie vielen Fällen verloren sie später durch das Bodenreformabwicklungsgesetz ihr Eigentum an den besserberechtigten Landesfiskus?

7. In wie vielen Fällen wurden bei Verfügungen über ein Bodenreformgrundstück, die vor dem 31. Dezember 1996 vorgenommen wurden, Ansprüche des Landes im so genannten Widerspruchsverfahren geltend gemacht und letztlich erfolgreich gesichert?

8. Wie viele Grundbücher wurden auf mögliche Ansprüche des Landes überprüft?

9. Zu welchem Ergebnis führte die Überprüfung der Grundbücher? In wie vielen Fällen lag keine Besserberechtigung des Landes vor? In wie vielen Fällen bestand ein Anspruch des Landes?

10. In welchem Flächenumfang sind Bodenreformgrundstücke zugunsten des Landes aufgelassen worden

- unterteilt nach Hektar von

a) landwirtschaftlichen Flächen,

b) forstwirtschaftlichen Flächen,

c) Gebäude- und Verkehrsflächen,

d) sonstigen Flächen?

11. Wie viele Auflassungsansprüche des Landes für Hausgrundstücke und dazu gehörige Gärten (bezüglich der am 15. März 1990 weder zu Wohnzwecken noch zu gewerblichen Zwecken genutzten Grundstücke) wurden durchgesetzt?

12. Welchen geschätzten Wert haben die aufgelassenen Flächen insgesamt?

13. Wer verwaltet und verwertet die an das Land aufgelassenen Grundstücke?

14. Wie viele Pachtverträge über ehemaliges Bodenreformland wurden von Verwaltungs- und Verwertungsunternehmen (BVVG, ggf. LEG und/oder anderen) am 31. Dezember 2007 verwaltet - unterteilt nach

a) Altpachtverträgen,

b) Neupachtverträgen?

17. Wurden bzw. werden die zur Neuverpachtung und zum Verkauf vorgesehenen Grundstücke öffentlich ausgeschrieben?

Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 10. März 2009 wie folgt beantwortet:

Die Ämter für Landentwicklung und Flurneuordnung waren im Rahmen ihres Auftrages durch den Minister bevollmächtigt, gerichtlich die Ansprüche des Landesfiskus durchzusetzen.

Zu 2. u. 3.:

In 245 Fällen sind die landesfiskalischen Ansprüche gerichtlich geltend gemacht und in 233 Fällen durchgesetzt worden. In zwölf Fällen unterlag der Landesfiskus.

Zu 4.: In Thüringen sind insgesamt bei 2 200 Fällen landesfiskalische Ansprüche im Zeitraum vom Juli 1992 bis zum 2. Oktober 2000 erfolgreich geltend gemacht worden.

.

Zu 5.: Im Jahr 2009 sind keine Verfahren nach Artikel 233 II § 13 EGBGB in Bearbeitung.

Zu 6.: Dazu sind keine Recherchen oder sonstige Erhebungen bekannt.

Zu 7.: Im Zeitraum vom Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1996 sind 1 365 Widersprüche geltend gemacht und in 836 Fällen erfolgreich durchgesetzt worden.

Zu 8. u. 9.:

Soweit keine Nachricht des Grundbuchamtes nach Artikel 233 II § 13 EGBGB vorlag, wurden keine Grundbücher überprüft.

Im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 233 II § 11 ff. EGBGB wurden insgesamt 25 000 Fälle im Zeitraum von Juli 1992 bis Oktober 2000 überprüft. In 2 200 Fällen wurden die Besserberechtigungen des Fiskus festgestellt. Zugunsten des Fiskus sind aufgelassen worden:

- zu a) landwirtschaftliche Flächen: 1 498 Flurstücke mit 891 ha,

- zu b) forstliche Flächen: 522 Flurstücke mit 458 ha,

- zu c) Gebäude- und Gartenflächen sowie Verkehrsflächen: 281 Flurstücke mit 61 ha,

- zu d) sonstige Flächen: 7 Flurstücke mit 2,6 ha.

Die Verwaltung und Verwertung der landwirtschaftlichen Grundstücke erfolgt durch die Thüringer Landgesellschaft im Rahmen ihres Verwaltungs- und Verwertungsauftrages zum landwirtschaftlichen staatlichen Grundbesitz, die Waldgrundstücke durch die Thüringer Landesforstverwaltung, die Grundstücke anderer Nutzungen durch die jeweiligen Fachressorts.

Nach Bodenverwertungs- und -verwaltungs (BVVG)-Meldestatistik hat die BVVG in Thüringen zum Stichtag 31. Dezember 2007 26 642 ha ehemals volkseigene landwirtschaftliche Fläche langfristig und 3 546 ha kurzfristig verpachtet.

In Anbetracht des geringen Flächenanteils dieser Grundstücke am landwirtschaftlichen staatlichen Grundbesitz bzw. am Forstgrundstock gibt es keine gesonderten statistischen Erfassungen dazu.