Verwaltungsstreitverfahren

Allerdings wurde die Beitragssatzung von 1996 nicht rückwirkend aufgehoben. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie bis zum Inkrafttreten der neuen Beitragssatzung am 20. September 2003 geltendes Recht und damit für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im Jahr 1996 maßgebend war. Hiernach ist der Voreigentümer beitragspflichtig geworden.

Ein Anspruch auf die Rücknahme des Beitragsbescheides vom 20. Juni 2007 bestand aber nicht, da der Bescheid bestandskräftig geworden ist. Ein rechtswidriger Beitragsbescheid kann zwar auch zurückgenommen werden, nachdem er unanfechtbar geworden ist. Das bedeutet, dass die Gemeinde nach fehlerfreiem Ermessen über die Rücknahme zu entscheiden hat. Somit konnte der Petent lediglich beanspruchen, dass die Gemeinde nach ihrem Ermessen darüber entscheidet, ob sie den Beitragsbescheid vom 20. Juni 2007 zurücknimmt.

Aus diesen Gründen beschloss der Petitionsausschuss, die Petition nach § 17 Nr. 1 b) Thüringer Petitionsgesetz der Landesregierung mit der Maßgabe zu überweisen, dass die Rücknahme des Beitragsbescheides vom 20. Juni 2007 geprüft wird.

In dem Bericht nach § 18 Thüringer Petitionsgesetz hat die Landesregierung Folgendes mitgeteilt:

Die Gemeinde nehme den Beitragsbescheid vom 20. Juni 2007 nicht zurück. Sie gehe, in Übereinstimmung mit der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde, weiterhin davon aus, dass der Bescheid rechtmäßig ergangen sei.

Für die Gemeinden bestehe auch ohne die Durchführung eines Verwaltungsstreitverfahrens die Möglichkeit, Satzungsrecht, dessen Unwirksamkeit sie für wahrscheinlich halte, durch wirksames Satzungsrecht zu ersetzen. Zwar bezögen sich diese Ausführungen auf eine Satzung, mit der die Gemeinde das als unwirksam angesehene Satzungsrecht rückwirkend ersetzen wolle. Ein solches rückwirkendes In-Kraft-Setzen sei jedoch in Thüringen aufgrund der Bestimmung des § 7 Abs. 12 nicht erforderlich, da nach dieser Regelung ein Beitrag auch für öffentliche Einrichtungen erhoben werden könne, die vor Inkrafttreten der Abgabensatzung hergestellt worden seien. Die Rechtsprechung sehe es auch nicht als rechtsmissbräuchlich an, wenn Gemeinden sich im Rahmen der Beitragserhebung auf die Unwirksamkeit ihres früheren Satzungsrechts beriefen (vgl. Beschluss vom 17. Mai 2006, Az.: 23 CS 06.928). In dem der Entscheidung des zugrunde liegenden Verfahren, habe die Gemeinde die als nichtig angesehenen Satzungen nicht rückwirkend aufgehoben.

In diesem Zusammenhang werde ebenfalls auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg hingewiesen (Urteil vom 16. Juli 2003, Az.: RN 3 K 02.02225). Hier habe das erkennende Gericht ausgeführt, dass aufgrund der Bindung an Recht und Gesetz eine Gemeinde auf die zweifelhafte Wirksamkeit einer Beitragssatzung reagieren müsse. Sie verletze ihre Pflicht zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln, wenn sie gleich45 wohl endgültige Beitragsbescheide auf der Grundlage des als unwirksam erachteten Beitragsrechts erlasse.

Die Frage, ob vorliegend im Ergebnis zu Recht von der Unwirksamkeit des vorherigen Satzungsrechts ausgegangen worden sei, hätte von den Verwaltungsgerichten in einem Verfahren bezüglich des auf der Grundlage des neuen Satzungsrechts erlassenen Beitragsbescheides geprüft werden können. Der Petent habe seinen Widerspruch jedoch zurückgenommen.

Selbst wenn man die Auffassung vertreten würde, dass der Bescheid rechtswidrig sei, bestehe nach Auffassung der Landesregierung keine Möglichkeit, die Entscheidung der Gemeinde, den Bescheid nicht zurückzunehmen, im Wege der Rechtsaufsicht zu revidieren. Nach § 130 Abgabenordnung, der nach § 15 Abs. 1 Ziffer 3 b) in entsprechenden Fällen einschlägig sei, könne ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das Ermessen könne nur von der Gemeinde ausgeübt werden. Die Rechtsaufsichtsbehörde könne sich nicht an die Stelle der Ausgangsbehörde setzen.

Der Petent hätte sich für den Fall, dass der Voreigentümer nicht zu dem Straßenausbaubeitrag herangezogen werde, zivilrechtliche Ansprüche gegen den Voreigentümer sichern können. Die Rücknahme des Beitragsbescheides würde dazu führen, dass für das in Rede stehende Grundstück kein Beitrag erhoben werde. Dies sei im Rahmen der Beitragsgerechtigkeit und des Rechtsfriedens nicht befriedigend.

Abwasserbeitrag für Garagengrundstück wird überprüft

Ein Grundstückseigentümer beanstandete, dass er einen Abwasserbeitrag zahlen soll, weil sein Grundstück mit einer Garage bebaut ist.

Das mit der Garage bebaute Grundstück besitzt weder einen Wasser- noch einen Abwasseranschluss. Im Jahr 2007 zog der Zweckverband für Wasser und Abwasser den Petenten zu einem Herstellungsbeitrag für die öffentliche Entwässerungseinrichtung heran.

Die sachliche Abwasserbeitragspflicht für das mit der Garage bebaute Grundstück ist bereits vor dem 1. Januar 2005 entstanden. Dementsprechend wird der Abwasserbeitrag nach § 21 a Abs. 4 Thüringer Kommunalabgabengesetz erst in dem Zeitpunkt fällig, in dem die sachliche Beitragspflicht nach § 7 Abs. 7 entstehen würde.

Die Fälligkeit des Abwasserbeitrags für das Grundstück des Petenten richtet sich also danach, ob eine sachliche Abwasserbeitragspflicht nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 bereits entstanden wäre. Davon wäre auszugehen, wenn die Garage eine Bebauung im Sinne von § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 darstellt. Für unbebaute Grundstücke besteht dagegen keine Abwasserbeitragspflicht. Für sie entsteht eine sachliche Beitragspflicht nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 erst dann, wenn das Grundstück bebaut und tatsächlich angeschlossen wird.

Der Zweckverband hat seine Auffassung, dass die Garage eine Bebauung im Sinne von § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 darstelle, allein auf den Bebauungsbegriff der Thüringer Bauordnung gestützt. Dies entspricht den Hinweisen des Thüringer Innenministeriums zur Anwendung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vom 28. Februar 2005 (Nr. 7.7.3.1.). Danach ist ein Grundstück im Sinne von § 7 Abs. 7 bebaut, wenn ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 Thüringer Bauordnung auf dem Grundstück steht.

Für die Entstehung der sachlichen Abwasserbeitragspflicht nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 kommt es aber nicht allein darauf an, ob das Grundstück im Sinne des Thüringer Baurechts bebaut ist. Die sachliche Abwasserbeitragspflicht setzt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 weiter voraus, dass durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwassereinrichtung ein besonderer Vorteil vermittelt wird. Das ist der Fall, wenn der Gebrauchswert des bebauten Grundstücks dadurch erhöht wird, dass das auf dem Grundstück anfallende Abwasser ordnungsgemäß entsorgt werden kann. Ist keine Abwasserentsorgung notwendig, wird der Gebrauchswert durch die Anschlussmöglichkeit nicht erhöht und kein besonderer Vorteil vermittelt. Die sachliche Abwasserbeitragspflicht entsteht insoweit nicht. (Vgl. Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 2007, § 8 Rn. 539; Blomenkamp, ebenda, § 8 Rn. 1475b und Halter, in: Thüringer Verwaltungsblätter 2005, S. 274 ff. m.w.N.)

Ob auf dem Garagengrundstück Abwasser anfällt, das entsorgt werden muss, hat der Zweckverband nach dem ermittelten Sachverhalt nicht geprüft. Sofern kein Abwasser anfällt, das entsorgt werden muss, fehlen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beitragserhebung. Der Beitragsbescheid für das Garagengrundstück wäre rechtswidrig.

Aus diesen Gründen hat der Petitionsausschuss beschlossen, die Petition der Landesregierung nach § 17 Nr. 1 b) Thüringer Petitionsgesetz mit der Bitte zu überweisen, den Einzelfall des Petenten unter Beachtung der hier dargestellten Auffassung des Petitionsausschusses erneut zu prüfen und den Zweckverband gegebenenfalls zu veranlassen, über die Rücknahme des Beitragsbescheides für das Garagengrundstück zu entscheiden. Das hat zur Folge, dass die Landesregierung dem Petitionsausschuss nach § 18 Thüringer Petitionsgesetz einen schriftlichen Bericht über die Ausführung des Beschlusses zu geben hat.

Gemeinde auf ihre Pflichten aus der Straßenbaulast hingewiesen

Der Anlieger einer Ortsstraße beanstandete, dass das Wasser bei stärkeren Niederschlägen von der Straße in seine Garage läuft und die Gemeinde nichts dagegen unternimmt.