ICE-Streckenführung

Ende Mai 2008 wurde über einen Medienbericht bekannt, dass die Streckenführung der ICE-Verbindung Erfurt­Leipzig/Halle die 200 Millionen Tonnen Kali-Hartsalz-Lagerstätte im Raum Liederstädt-Altfeld Roßleben/Grockstädt/Ströbnitz/Bad Bibra/Steinbach/Wallroda in erheblichem Maße tangiert. Bei einer stärker östlich verlaufenden ICE-Streckenführung wäre die Querung dieses Kalivorkommens nicht der Fall.

Mittlerweile räumt die Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben (GVV), die seit 1993 im Auftrag des Bundesfinanzministeriums diese Hartsalz- und Carnallititvorkommen in ihrer Obhut hat und vom Land mitfinanziert wird, ein, dass bei dem geplanten Kaliabbau von Abbauverlusten auszugehen sei.

Die Deutsche Bahn AG wiederum verweist seit Mai 2008 darauf, dass im Planfeststellungsverfahren auf diese abbauwürdige Kali-Vorkommenslage unterhalb der gewählten ICE-Strecke nicht aufmerksam gemacht worden sei bzw. diese Rohstoffvorkommenslage nicht zum Gegenstand von Einsprüchen bei der gewählten Linienführung gemacht wurde. Nach neuesten Presseberichten sieht sich die Bahn AG deswegen auch nicht in der Pflicht beim Gleisbau (Feste Fahrbahn) oder der Geschwindigkeit Abstriche zu machen.

Da bei dem im Jahr 2000 abgeschlossenen Planfeststellungsverfahren auch der Rohstoff-Sicherung verpflichtete Thüringer Behörden beteiligt waren frage ich die Landesregierung:

1. Welche Thüringer Behörden waren bei dem Planfeststellungsverfahren und dem diesem vorangehenden Planungsprozess für die Festlegung der Streckenführung der ICE-Strecke Erfurt­Leipzig/Halle beteiligt?

2. In welchem zeitlichen Ablauf und mit welchen Gutachten/Studien erfolgte die Bestimmung der Linienführung der angesprochenen ICE-Strecke?

3. Gab es Varianten für die Ostumfahrung von Buttstädt?

4. Trifft die Darstellung der Deutschen Bahn AG zu, dass von Seiten der Behörden im Planfeststellungsverfahren, oder in dem diesem vorangehenden und bis 1992 zurückreichenden Planungsprozess auf die Vorkommenslage von abbauwürdigem Kali unterhalb der dann planfestgestellten und im fraglichen Raum hauptsächlich aus Tunnel- und Brückenbauwerken bestehendern ICE-Strecke (Finnetunnel - Saubachtalbrücke - Bibratunnel - Unstruttalbrücke - Osterbergtunnel - Stöbnitztalbrücke) nicht aufmerksam gemacht worden ist?

5. Falls die Darstellung der Deutschen Bahn AG nicht zutrifft, wie sahen denn im Einzelnen die auf die Bezug nehmenden Stellungnahmen der Thüringer oder anderer Behörden/Körperschaften aus?

6. Welche Stellungnahme hat insbesondere das Thüringer Landesamt für Umwelt und Geologie abgegeben, das im Besitz der in den 1960er- und 1970er-Jahren erstellten detaillierten Erkundungsunterlagen für die hier in Rede stehenden Bergwerksfelder Bad Bibra und Steigra ist?

7. Für wie tragend hält die Landesregierung die Erklärung, dass man es vorliegend bei der gewählten ICE-Streckenführung mit einem Planungsfehler, der wenn möglich auf Unkenntnis beruhte, zu tun hätte?

8. Ist der Landesregierung bekannt, dass im Altfeld Roßleben im Hinblick auf die spätere Reaktivierungsmöglichkeit des Schachts nach 1992 als Verwahrungsart nur die sog. lufterfüllte Verwahrung, die mit Mitteln nach dem Umweltrahmengesetz finanziert wurde, gewählt wurde?

9. Seit wann bestanden auch in Thüringer Landesbehörden konkrete Vorstellungen zur künftigen Nutzung der an das Altfeld Roßleben anschließenden Perspektivfelder Bad Bibra und Steigra?

10. Wieso sind diese Vorstellungen von Seiten des Landes nicht in das Planfeststellungsverfahren für die Linienbestimmung der ICE-Strecke Erfurt­Leipzig/Halle eingebracht worden?

11. Welche Gründe sieht die Landesregierung als maßgebend dafür an, dass die von ihr mitfinanzierte GVV angeblich keinen Abgleich zwischen den in der Verwaltung der GVV stehenden Kalivorkommen und der im Jahr 2000 planfestgestellten ICE-Strecke vorgenommen hat?

12. Welche Rolle spielt dabei nach Ansicht der Landesregierung das von der GVV zwischen 1993 und 2004

EU-rechtswidrig praktizierte Wettbewerbsverbot zu Gunsten von Kali + Salz?

Das Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Medien hat die namens der Landesregierung mit Schreiben vom 25. April 2009 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Die Zuständigkeit der Landesbehörden des Freistaats Thüringen reicht nur bis zur Landesgrenze, d. h. bezogen auf die ICE-Strecke bis zum Südwestportal des Finnetunnels. Fragen zum Streckenabschnitt auf sachsen-anhaltinischem Gebiet, die Raumordnungs- und/oder Planfeststellungsverfahren von Behörden des Landes Sachsen-Anhalt betreffen, können nicht bzw. nicht erschöpfend beantwortet werden, da der Landesregierung hierzu keine hinreichenden Informationen vorliegen.

Die gesamte ICE-Neubaustrecke wurde in insgesamt 13 Planfeststellungsabschnitte geteilt. Es wurden deshalb ebenso viele Planfeststellungsverfahren durchgeführt und Planfeststellungsbeschlüsse erlassen.

Auf das Gebiet des Freistaats Thüringen entfallen vier Planfeststellungsabschnitte, auf das Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt sieben und auf das Gebiet des Freistaats Sachsen zwei.

Zu 1.: Im Rahmen der Thüringer Planfeststellungsverfahren wurden alle Träger öffentlicher Belange (TöB) beteiligt. Als Anlage wird eine Übersicht über die im Planfeststellungsabschnitt 1.3 Krauthausen - Landesgrenze Thüringen/Sachsen-Anhalt beteiligten Behörden und TöB beigefügt.

Zu 2.: Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen wurde der Verlauf der ICE-Neubaustrecke Erfurt­Halle/Leipzig durch die Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit in den Unterlagen zur landesplanerischen Abstimmung einschließlich Umweltverträglichkeitsstudie vom August 1992 erstmals definiert. In diesen Unterlagen erfolgte auch ein Variantenvergleich, der insgesamt fünf Varianten (davon auf Thüringer Gebiet vier Varianten) zum Inhalt hatte.

Im Ergebnis der Raumordnungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung, die zwischen September 1992 und Juni 1993 durchgeführt wurden, haben sich die Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen auf die Trassenführung der Variante 1 geeinigt. Am 23. Juni 1994 hat der Bundesminister für Verkehr die Linienführung der Neubaustrecke bestätigt.

Für den Planfeststellungsabschnitt 2.1 im Gebiet des Finnehöhenzugs an der Landesgrenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt wurde der Trassenverlauf durch das Eisenbahn-Bundesamt, Außenstelle Erfurt im Beschluss vom 6. Dezember 1994 und dessen Verlängerung vom 2. August 2001 endgültig planfestgestellt.

Zu 3.: Ja, eine Variante ging direkt südöstlich und zwei andere sehr weit südöstlich an Buttstädt vorbei.

Zu 4.: Die Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit hatte vom Bergwerkseigentum (BWE) Roßleben von Anfang an Kenntnis, auch von einer möglichen Neuaufnahme der Kaligewinnung im BWE Roßleben. Aus den Planunterlagen war bekannt, dass die Trassenvarianten 1 und 2 im Einflussbereich des Kalibergbaus der Kali-Südharz AG, Werk Roßleben, verlaufen, in dem das Kaliflöz Staßfurt in einer Tiefe von ca. 600 bis 900 m abgebaut wurde. In den Trassenkorridoren wurde allerdings zum damaligen Zeitpunkt kein Abbau betrieben. Sollte der Abbau nach der Stilllegung des Werkes zum 31. Dezember 1991 wieder aufgenommen werden, so wurden die Einflüsse aus dem Abbau auf die Tunnel als bautechnisch beherrschbar eingeschätzt.

Zu 5.: Da das BWE Roßleben in den Planungsunterlagen bereits eingearbeitet war, gab es aus Sicht der zuständigen Thüringer Behörden keinen Anlass, auf diese Fragestellung detailliert einzugehen, sofern das Thüringer Gebiet betroffen war.

In der Stellungnahme des Bergamtes Gera vom 15. August 1994 wurde darauf hingewiesen, dass die Neubaustrecke ein Erlaubnis- und Bewilligungsfeld durchschneidet.

Zu 6.: Das Thüringer Landesamt für Umwelt und Geologie hat keine Stellungnahme abgegeben, da diese nicht hoheitlich für diesen Teil der Lagerstätte zuständig ist. Es ist jedoch bekannt, dass das Landesamt für Geologie und Bergwesen von Sachsen-Anhalt Stellung dazu genommen hat.

Zu 7.: Die Landesregierung hält dies für nicht zutreffend.

Zu 8.: Ja, finanziert allerdings im Rahmen des Großprojektes Kali, anteilig durch Bund und Land.

Zu 9.: Die so genannten Perspektivfelder Bad Bibra und Steigra liegen nicht in Thüringen, sondern in Auch wenn die Schächte in Roßleben für einen Neuaufschluss wieder aktiviert werden können und das Thüringer Interesse dafür groß ist, entwickeln die Thüringer Landesbehörden keine Vorstellungen zur Nutzung dieser Perspektivfelder in Sachsen-Anhalt.

In einem marktwirtschaftlichen System obliegt es den unternehmerisch Tätigen, Vorstellungen zu entwickeln, ob die vorhandenen Lagerstättenvorräte durch einen Neuaufschluss genutzt werden. Gleichwohl hat das damalige Bergamt Bad Salzungen darauf geachtet, dass beim Abschlussbetriebsplan eine spätere Ausbeutung der Lagerstätte noch möglich ist. Daher erfolgte damals die so genannte lufterfüllte Verwahrung.