Landesregierung

Gemäß § 242 Abs. 9 Satz 1 des Baugesetzbuchs können für Erschließungsanlagen oder deren Teile, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland bereits hergestellt waren, Erschließungsbeiträge nicht erhoben werden, sondern nur niedrigere Straßenausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz des jeweiligen Landes. Ausschlaggebend ist, welche grundsätzlichen Pläne die Gemeinde früher gehabt hat.

In einem Urteil vom 11. Juli 2007 (AZ: 9 C 5.06) hat das Bundesverwaltungsgericht an seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2002 angeknüpft und die Voraussetzungen für den Ausschluss der Erhebung von Erschließungsbeiträgen für DDR-Straßen präzisiert. In Stadtilm wird gegenwärtig diskutiert, ob der geplante grundhafte Ausbau von zwei so genannten Stichstraßen, die von der Hauptstraße abzweigen, dem Erschließungs- oder Straßenausbaubeitragsrecht nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz zuzurechnen ist.

Als Abgrenzungskriterium soll dabei der Zustand des Straßenunterbaus dienen. Soweit ein solcher Unterbau (Frostschutzschicht mit einer Stärke von 30 cm bis 50 cm) vorhanden ist, soll das Straßenausbaurecht nach Thüringer Kommunalabgabengesetz zur Anwendung kommen. Fehlt ein solcher Unterbau wäre das Erschließungsrecht anzuwenden, weil unter dieser Voraussetzung eine erstmalige Herstellung der Straße noch nicht gegeben sei.

Die Anwendung von Erschließungs- oder Straßenausbaurecht führt zu einer unterschiedlichen finanziellen Belastung der Betragspflichtigen, zumal in Stadtilm wiederkehrende Straßenausbaubeiträge erhoben werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Nach welchen Kriterien müssen die Thüringer Gemeinden beim grundhaften Ausbau von Straßen eine Abgrenzung zwischen der Anwendung des Erschließungs- oder Straßenausbaurechts vornehmen und wie werden diese Kriterien begründet?

2. Inwieweit ist nach Auffassung der Landesregierung das Kriterium Zustand des Straßenunterbaus geeignet, beim grundhaften Ausbau von Straßen eine Abgrenzung zwischen der Anwendung des Erschließungs- oder Straßenausbaurechts vorzunehmen und wie wird dies begründet?

3. In welcher Weise sind die kommunalen Aufsichtsbehörden an dem Entscheidungsprozess der Gemeinden hinsichtlich der Abgrenzung zwischen der Anwendung des Erschließungs- oder Straßenausbaurechts im Zusammenhang mit dem grundhaften Ausbau von Straßen beteiligt?

4. Wie wird dabei die beschriebene Situation in Stadtilm durch die Landesregierung bewertet?

12. Mai 2009

5. Welcher Klarstellungsbedarf besteht aus Sicht der Landesregierung, um mehr Rechtssicherheit für die Gemeinden und Beitragspflichtigen bei der Abgrenzung zwischen der Anwendung des Erschließungsoder Straßenausbaurechts im Zusammenhang mit dem grundhaften Ausbau von Straßen zu schaffen?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 30. April 2009 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Abgrenzung zwischen der Anwendung des Erschließungs- oder Straßenausbaubeitragsrechts erfolgt auf der Grundlage der Bestimmungen des Baugesetzbuchs Für die Frage, ob im Beitrittsgebiet für eine vor dem 3. Oktober 1990 hergestellte Erschließungsanlage oder deren Teile Erschließungsbeiträge erhoben werden können, ist gemäß § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 maßgeblich, ob sie vor diesem Zeitpunkt einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt worden sind. Unter einem technischen Ausbauprogramm ist ein Plan zu verstehen, der Vorgaben zur bautechnischen Herstellung der Erschließungsanlage oder ihrer Teile enthält. Örtliche Ausbaugepflogenheiten sind das über einen längeren Zeitraum feststellbare Verhalten der Gemeinde bei der bautechnischen Herstellung von Erschließungsanlagen. Die bloße Hinnahme von Provisorien reicht nicht aus Urteil vom 11. Juli 2007, 9 C 5/06).

Zu 2.: Die Abgrenzung des Erschließungs- vom Straßenausbaubeitragsrecht macht grundsätzlich eine Einzelfallprüfung erforderlich. Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung zu entscheiden, ob der Zustand des Straßenunterbaus Bestandteil eines technischen Ausbauprogramms oder für die örtlichen Ausbaugepflogenheiten relevant war.

Zu 3.: Die Anwendung des Erschließungs- oder Straßenausbaubeitragsrechts obliegt der eigenverantwortlichen Entscheidung der jeweiligen Gemeinde.

Zu 4.: Der Stand der Diskussionen in Stadtilm zum Ausbau der Stichstraße ist der Landesregierung nicht bekannt.

Zu 5.: Seitens der Landesregierung wird kein Klarstellungsbedarf gesehen.