Bildungsverantwortung in Thüringen auf kommunaler Ebene stärken

Dr. Zeh Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei Hinweis der Landtagsverwaltung:

Der Bericht wurde mit Schreiben des Ministers für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefs der Staatskanzlei vom 28. Mai 2009 an die Präsidentin des Landtags zugeleitet und ist als Anlage übernommen.

3. Juni 2009

Anlage Bericht der Landesregierung zum Beschluss des Thüringer Landtags vom 11. September 2008 - Bildungsverantwortung in Thüringen auf kommunaler Ebene stärken - DS 4/4436

Am 11. September 2008 fasste der Thüringer Landtag in seiner 90. Sitzung den Beschluss, die Landesregierung zu bitten, zum einen mit allen Beteiligten auszuloten, wie die kommunale Bildungsverantwortung gestärkt werden könne, zum anderen dem Landtag über die Ergebnisse der Gespräche im Mai 2009 zu berichten.

Dieser Bericht wird hiermit vorgelegt.

1. Konstituierung der Arbeitsgruppe

Im Oktober 2008 wurden im Thüringer Kultusministerium die ersten Gespräche zu diesem Beschluss und zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppe Kommunale Bildungsverantwortung stärken geführt. Es folgten weitere Unterredungen mit Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände, um nicht nur die Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe festzulegen, sondern auch um die durch den Beschluss vorgegebenen Themen zu präzisieren. Bis Anfang Januar 2009 benannten die maßgeblichen Bereiche jeweils ihren Vertreter für die Arbeitsgruppe, die die Vorschläge für die Umsetzung des Beschlusses unterbreiten sollten.

Die Vertreter waren

- Marion Philipp (Landrätin im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt),

- Claudia Döring (Beigeordnete im Wartburgkreis),

- Ullrich Schlegel (Leiter des Schulverwaltungsamtes im Landkreis Greiz),

- Dr. Detlef Klass (Referent beim Thüringischen Landkreistag),

- Dr. Werner Ungewiß (Leiter des Amtes für Bildung Erfurt),

- Rene Ehrenberg (Leiter Bildungsservice im Dezernat Soziales und Familie der Stadt Jena),

- Stephanie Knoche (Jugend- und Bildungsreferentin in der Stadt Nordhausen),

- Stephen Krumrey (Referent beim Gemeinde- und Städtebund Thüringen),

- Conny Münch (Leiterin der Grundschule Otto Lilienthal Erfurt),

- Matthias Beschow (Leiter der Regelschule Anne Frank Themar),

- Peter Krippendorf (Leiter des Gymnasiums St. Josef Dingelstädt),

- Rolf Busch (Vorsitzender des Thüringer Lehrerverbands),

- Wolfram Abbe (Leiter des Staatlichen Schulamtes Weimar),

- Dr. Christina Kindervater (Leiterin der Abteilung 2 im Thüringer Kultusministerium),

- Roland Brandl (Referatsleiter im Thüringer Kultusministerium),

- Birgit von Metzen (Referentin im Thüringer Kultusministerium) und

- Dr. Rupert Deppe (Leiter der Abteilung 3 des Thüringer Kultusministeriums).

Die Arbeitsgruppe tagte zwischen Januar und April 2009 vier Mal. Vorliegender Bericht reflektiert die Erörterungen der Arbeitsgruppe. Wenn in der Arbeitsgruppe zu einem Thema unterschiedliche Meinungen vorherrschten und keine einheitliche Meinung erzielt werden konnte, ist dies an den verschiedenen Stellen kenntlich gemacht.

2. Philosophie kommunaler Bildungsverantwortung

Wer Schulen und ihre Schüler für die Zukunft und Gegenwart gleichermaßen stark machen will, muss nicht nur die Schule vor Ort, sondern auch ihr Umfeld stärken.

Schule ist ein öffentliches Gut von hohem öffentlichen Interesse, mit dem sich die ganze Kommune identifizieren sollte. Das lokale und regionale Umfeld prägt den Beginn der Bildungsbiographie und begleitet diese. Die Eigenverantwortung der Schule geht dabei mit der größeren Bildungsverantwortung der Kommune einher.

Der überall zu spürende Trend zur Dezentralisierung ist einerseits eine Reaktion auf die Globalisierung, andererseits aber auch Ausdruck des Wissens, dass manche Probleme besser und schneller vor Ort gelöst werden können, und Ausdruck der Selbstbestimmung der Bürger in einer demokratisch verfassten Gemeinschaft. Die Dezentralisierung gilt als Schlüssel, um vorhandene Potenziale effektiver und effizienter auszuschöpfen; sie mag so auch Innovationen anstoßen.

Wenn man Dezentralisierung als geteilte Verantwortung beschreibt, wird der Stellenwert der Partnerschaften und der Netzwerke deutlich. In diesen wird der eigentliche Gewinn einer Dezentralisierung sichtbar. Die bisherige Trennung verschiedener Zuständigkeiten, die leider immer wieder die notwendige Kooperation in der Vergangenheit behinderte, kann überwunden und nützliche Synergien können erschlossen werden, ohne freilich die Zuständigkeitsbereiche aufzulösen. Das wäre wiederum die Quelle neuer Missverständnisse und würde die gewünschte Zusammenarbeit über die Zuständigkeitsgrenzen hinaus stören. Die Überwindung der Isolierung unterschiedlicher Bereiche sollte nicht nur in Krisen möglich sein, sondern genauso den Alltag prägen; sie entspricht einer dynamischen und offenen Gesellschaft. Wie wichtig diese Überwindung ist, zeigt die nach wie vor schwierige Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern und Schulen im Freistaat. Der vor einem Jahr begonnene regelmäßige Gedankenaustausch zwischen Jugendamts- und Schulamtsleitern wird fortgesetzt und wird dieser Kooperation dienen.

Damit der Gesamtkontext nicht aus den Augen verloren und der Komplexität der Wirklichkeit Rechnung getragen wird, also Strukturen nicht atomisiert werden, sind Makro- und Mikrokosmos miteinander gut zu vernetzen. Nur so ist die viel geforderte Bildung aus einer Hand machbar; diese entsteht zunächst nicht durch zusätzliche Geldmittel.

Strukturierte und kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Staat und Kommune wird zu einer neuen Form der gleichwohl eigenverantwortlichen und lokalen Steuerung, die aber eine gewisse zentrale Steuerung nicht ganz außer Kraft setzen kann.

Eine weitere Voraussetzung funktionierender Netzwerkstrukturen ist deren hohe Stabilität, die wiederum in guten menschlichen Beziehungen gründet, und deren Transparenz. Denn ein ordentliches Netzwerkmanagement bedarf des gemeinsamen Willens, der Teamfähigkeit aller Akteure und einer regelmäßigen Rechenschaftslegung.

Ein solches Netzwerk, in dem idealerweise kein Konkurrenzdenken und kein Zuständigkeitsgerangel herrschen, sondern in dem sich alle Beteiligten als Partner mit je anderen Kompetenzen verstehen und als solche einbringen, ist Zeichen der Professionalität und entspricht einer vorbildlichen Kultur des Lernens: ganzheitlich und lebenslang orientiert, wie das im Modell der lernenden Region realisiert wird.

Die Bemühungen des Thüringer Kultusministeriums mit dem Volkshochschulverband e.

V. um die Alphabetisierung entsprechen beispielsweise diesem Gedanken.

Die Diskussionen in der Arbeitsgruppe haben gezeigt.